Iranisches Regime setzt auf Härte
Während der Revolutionsführer Chamenei eine brutale Schlägertruppe lobt, die im ganzen Land auf Demonstranten eindrischt, wird der deutsche Botschafter zum dritten Mal einbestellt.
Unter dem Druck der Protestbewegung setzt das iranische Regime nach innen wie nach außen auf Härte. Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei lobte eine Schlägertruppe des Staates, die gegen die Demonstranten eingesetzt wird. Auch Präsident Ebrahim Raisi kündigte an, gegen die Unruhen werde „entschieden vorgegangen“. Teheran wirft dem Westen vor, in den Aufstand gegen die Islamische Republik verwickelt zu sein. Das iranische Außenamt bestellte am Montag zum dritten Mal seit Beginn der Proteste den deutschen Botschafter ein, um sich über die Haltung der Bundesregierung zu beschweren.
Chamenei sagte, die Demonstranten seien „Söldner“oder unwissende „Werkzeuge“des feindlichen Auslands. Als mächtigster Mann im Land lobte der 83-Jährige die Mitglieder der Basidsch-Miliz, die zur Revolutionsgarde gehört und vom Staat gegen die Proteste eingesetzt wird, als opferbereite Patrioten. Damit habe Chamenei alle Spekulationen über politische Veränderungen beendet, schrieb der Iran-Kenner Kian Sharifi auf Twitter. Appelle an das Regime, es solle den Demonstranten zuhören, habe Chamenei zurückgewiesen, schrieb Sharifi, der den Iran für den Dokumentationsdienst der britischen BBC beobachtet.
Mit Beginn der Protestwelle nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Gewahrsam der Religionspolizei am 16. September sind nach Zählung der Menschenrechtsgruppe Iran Human Rights bei Straßenschlachten mindestens 416 Zivilisten getötet worden, mehr als 10.000 wurden festgenommen. Die Demonstranten fordern mehr Freiheit und die Abschaffung der Theokratie.
Chameneis kompromisslose Linie ist innerhalb der iranischen Elite offenbar nicht unumstritten. Nach Berichten von Oppositionsmedien hatte der frühere Präsident
Mohammad Chatami in einem Brief an den Revolutionsführer für begrenzte politische Reformen geworben. Chamenei habe Chatamis Initiative aber ignoriert. Selbst eine Nichte des Revolutionsführers, Farideh Moradkhani, kritisierte die Politik ihres Onkels in einem Video scharf und rief die internationale Gemeinschaft auf, alle Kontakte zum Regime abzubrechen. Nach Angaben ihres in Frankreich lebenden Bruders wurde Moradkhani vorige Woche festgenommen.
Die Androhung von mehr Gewalt schreckt die Demonstranten nicht ab. Nach Berichten über Streiks und Kundgebungen am Wochenende wurden am Montag aus der Hauptstadt Teheran neue Proteste gemeldet. Mit besonderer Härte unterdrückt das Regime die Proteste im nordwest-iranischen Kurdengebiet, der Heimat von Mahsa Amini. Einheiten der Revolutionsgarde mit schweren Waffen wurden in den vergangenen Tagen in die Gegend verlegt. Zudem nahm der Iran erneut die Stellungen kurdischer Gruppen im benachbarten Irak unter Beschuss; Teheran wirft ihnen vor, die Unruhen im Iran zu organisieren.
Als feindseligen Schritt des Auslands wertet Chameneis Regierung auch die Entscheidung des UN-Menschenrechtsrates, den Gewalteinsatz des iranischen Staates gegen die Demonstranten zu untersuchen. Außenminister Hossein Amirabdollahian wies den Beschluss als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran zurück. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, der Österreicher Volker Türk, sprach von einer „Wagenburg-Mentalität“der iranischen Führung.
Deutschland steht im Zentrum der Kritik des Regimes am Ausland. Bei der Einbestellung von Botschafter Hans-Udo Muzel am Montag wurde der Diplomat nach Angaben des iranischen Außenministeriums mit „haltlosen“Äußerungen deutscher Regierungspolitiker zu den Protesten konfrontiert, die sich im Iran einmischten.
Zumindest eine vorübergehende Entlastung verspricht sich das iranische Regime von der WM-Begegnung gegen die USA an diesem Dienstag. Ein Sieg über den „Großen Satan“Amerika könnte von der Regierung propagandistisch ausgebeutet werden. In der Oppositionsbewegung ist die iranische Nationalmannschaft jedoch umstritten: Viele Regimegegner werfen dem Team vor, sich nicht eindeutig genug auf die Seite der Protestbewegung zu stellen.