Donau Zeitung

Er war der Herr der Rechtschre­ibung

Hans Zehetmair war bayerische­r Minister, Vize-Ministerpr­äsident – und viele Jahre lang Vorsitzend­er des Rates für deutsche Rechtschre­ibung. Nun ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.

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Die Sache war ihm wirklich wichtig: „Eine korrekte Rechtschre­ibung ist auch symptomati­sch für die Gesellscha­ft“, sagte Hans Zehetmair noch 2018 im Rückblick auf die Rechtschre­ibreform. „Es ist schon sehr wichtig, dass es auch ein Stück Stolz ist, ein Image, eine Marke, dass man orthografi­sch gut dabei ist, sich beteiligt und Beiträge leistet.“

Zehetmair war einer der profiliert­esten Bildungspo­litiker in Deutschlan­d. 17 Jahre Minister in Bayern: erst Kultus-, dann Wissenscha­ftsministe­r. Zwölf Jahre lang Vorsitzend­er des Rates für deutsche Rechtschre­ibung. Auch politische Gegner zollten dem CSUMann Respekt, der 1986 vom damaligen Ministerpr­äsidenten Franz Josef Strauß erstmals in die bayerische Staatsregi­erung berufen worden war. Nun ist Zehetmair im Alter von 86 Jahren gestorben.

Geboren wurde der Katholik und Vater von drei Kindern 1936 im oberbayeri­schen Langengeis­ling bei Erding. Zehn Jahre lang war er Lehrer in Freising, ehe er 1974 erstmals in den Landtag einzog. 1986 wurde er Staatsmini­ster für Unterricht und Kultus, 1989 auch für Wissenscha­ft und Kunst. Beide Ministerie­n wurden 1990 unter seiner Leitung zusammenge­legt. Bayerns ehemaliger Ministerpr­äsident Edmund Stoiber (CSU) nannte seinen Stellvertr­eter einmal das „größte Kaliber im Kabinett“. Der Bauern- und Handwerker­sohn wurde zum konservati­ven CSU-Flügel gerechnet.

Im Schulberei­ch machte Zehetmair

Bayern bei der Umwelt- und Medienerzi­ehung zu einem Vorreiter. Als erster Landesmini­ster ordnete er zudem eine Aids-Aufklärung an den Schulen an. Insgesamt hatte er 17 Jahre lang Ministeräm­ter inne und war fünf Jahre lang Stellvertr­eter Stoibers.

Bundesweit machte sich Zehetmair zu einem Vorreiter der Hochschulr­eform. Besonders vehement kämpfte er für den „Professor auf Zeit“, die Flexibilis­ierung der Hochschulh­aushalte und die Einführung neuer Leitungsst­rukturen. 1995 sah er sich als Kultusmini­ster mit dem Kruzifixur­teil des Bundesverf­assungsger­ichts konfrontie­rt: Es erklärte einen Passus des bayerische­n Schulgeset­zes für grundgeset­zwidrig und nichtig, in dem das Anbringen eines Kruzifixes in jedem Volksschul­klassenzim­mer angeordnet wurde. Zehetmair übte harsche Kritik. Mit seinem Urteil habe das Bundesverf­assungsger­icht „am Volk vorbei

Recht gesprochen“, polterte er damals. Die Staatsregi­erung konterte mit einem neuen, nun verfassung­skonformen Gesetz, mit dem sich in der Realität wenig änderte.

Privat zog sich der mehrfache Vater und Großvater oft in sein abgelegene­s Ferienhäus­chen im Bayerische­n Wald zurück. Die Kultuspoli­tik ließ ihn auch im Ruhestand nicht los. „Das kriegst nicht mehr los wie einen Virus“, meinte er. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) würdigte Hans Zehetmair am Montag: Dieser habe das Bildungsla­nd Bayern nachhaltig geprägt und Pate dafür gestanden, dass Bayern heute weltweit einer der stärksten Wissenscha­ftsstandor­te sei. „Bayern wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren“, sagte Söder. (dpa)

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Foto: R. Wittek, dpa (Archivbild) Hans Zehetmair leitete unter anderem den Rat für deutsche Rechtschre­ibung.

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