Donau Zeitung

Was das Dattenhaus­er Ried für den regionalen Klimaschut­z leistet

Klima-Serie: Die Arten- und Pflanzenvi­elfalt im Naturschut­zgebiet hat zugenommen, seitdem es wiedervern­ässt worden ist. Und das Moor birgt noch weiteres Potenzial im Kampf gegen die Klima-Krise.

- Von Susanne Klöpfer

Die Klimakrise ist die größte Herausford­erung unserer Zeit. Nie stand mehr auf dem Spiel, nie drängte die Zeit mehr. Ihre Folgen sind auf dem ganzen Planeten zu spüren: in der Antarktis, durch die Buschbränd­e in Australien oder auf den Gletschern der Alpen. Aber auch in unserer Heimat, dem Landkreis Dillingen. Immer dienstags berichten wir über verschiede­ne Facetten. Dieses Mal geht es um den regionalen Klimaschut­z durch Moore wie das Dattenhaus­er Ried. Dattenhaus­en Moore fasziniere­n Susanne Kling schon ihr Leben lang. Warm eingepackt in Jacke, Mütze und Schal steht sie im Dattenhaus­er Ried. „Es gibt kaum einem so vielfältig­en Lebensraum, wo man was tut und die Natur so schnell wieder zurückkomm­t“, sagt die Leiterin des Landschaft­spflegever­bands Donautal-Aktiv. Ihr Hund Neo streift um ihre Gummistief­el, die sie im Moor braucht. Denn dort ist der Boden sumpfig und feucht.

Das war nicht immer so. Als Kling vor mehr als 20 Jahren das erste Mal durch das Dattenhaus­er Ried lief, war hier alles von Büschen überwucher­t und trocken. „Man hat nichts vom Moor gesehen“, erinnert sie sich. Das Ried, was übrigens mit Schilf bewachsene­s, mooriges Gebiet bedeutet, sei in einer Art „Dornrösche­nschlaf“ gewesen. Heute ist das größte Moor- und Feuchtgebi­et im Naturraum Schwäbisch­e Alb morastig, an einigen Flächen steht Wasser, moor-typische Pflanzen und Tiere leben dort wieder. Möglich ist das durch die Wiedervern­ässung. Der Zweckverba­nd „Renaturier­ung Dattenhaus­er Ried“führt aktuell gemeinsam mit dem Landschaft­spflegever­band bei Donautal-Aktiv die Maßnahme, Pflege und Weiterentw­icklung des Moores fort. Zu dem Verband gehören der Landkreis und die Gemeinden Bachhagel, Ziertheim und Syrgenstei­n.

Eine Chance in der Klimakrise. Denn aus einem trocken gelegten Moorboden entweichen im Jahr pro Hektar etwa 30 Tonnen CO2-Äquivalent­e, also Kohlendiox­ide und andere Treibhausg­ase. Der rund 100 Hektar große Abschnitt „Oberbechin­ger Ried“wurde bereits 2013 erfolgreic­h vernässt. Nun sollen in den kommenden zwei Jahren die Gebiete „Seewiesen“und „Burghagler Ried“folgen.

So soll auf 180 von 209 Hektar im Naturschut­zgebiet der Wasserhaus­halt beeinfluss­t werden. Dadurch werden pro Jahr 2000 Tonnen CO2-Äquivalent­e eingespart. Voraussich­tlich könnten es 100.000 Tonnen CO2-Äquivalent­e über den Zeitraum von 50 Jahren werden. Doch was genau bedeutet Wiedervern­ässung? Das Dattenhaus­er Ried wurde wie viele

Moore im 18. und 19. Jahrhunder­t entwässert, um landwirtsc­haftliche Flächen und Torf zu gewinnen. Wird einem Moor das Wasser entzogen, trocknen die Torfkörper aus und klimaschäd­liche Stoffe entweichen. Es kann kein Wasser mehr speichern, Kohlendiox­id wird freigesetz­t. Renaturier­t man ein Moos, kann man diesen Prozess stoppen. Dafür wird Wasser über die Gräben, die damals genutzt wurden, um die Fläche zu entwässern, eingestaut und Spundwände errichtet. „Der Moorschutz beginnt unter der Moorkante“, erklärt Kling. Dabei geht es nicht darum, die Flächen unter Wasser zu setzen, sondern einen Wasserspie­gel von fünf bis 15 cm unter der Oberfläche zu erreichen, auch im Hochsommer.

Kling liegt das Dattenhaus­er Moor besonders am Herzen: „Egal, wo man steht, es ist so unterschie­dlich.“Die meisten Moore seien aber kein Projekt, sondern eher Lebensaufg­aben. Dabei seien die Bauzeiten nicht lange, im „Oberbechin­ger Ried“dauerte alles nur zwei Wochen. Doch der bürokratis­che Prozess davor mit den Förderprog­rammen, aber auch die Genehmigun­gsverfahre­n seien komplizier­t und langwierig. Ihr Wunsch: Abbau der Bürokratie. Mit der Flurneuord­nung wurde 2005 begonnen, bevor 2013 der erste Bagger im Oberbechin­ger Ried anrückte.

Langsam geht es aber voran:

Die Gebiete „Seewiesen“und „Burghagler Ried“sollen bis Ende 2024 renaturier­t werden. Kling findet: Moorschutz sei eine Staatsaufg­abe, weswegen es auch staatliche Maßnahmen geben sollte. Bisher müssten noch Eigenantei­le an den Gesamtkost­en gezahlt werden, was sie falsch findet. Dabei seien die Moore ein wichtiger und eigentlich schnell umsetzbare­r Beitrag zum Klimaschut­z.

Das bestätigt ebenfalls Matthias Drösler. „Die Moore haben ein riesiges Potenzial. Es entstehen jährlich 5,4 Millionen Tonnen an Emissionen aus allen Mooren in Bayern.“

Drösler leitet die Professur für Vegetation­sökologie an der Hochschule Weihenstep­han-Triesdorf und forscht in bayerische­n Mooren wie auch im Gundelfing­er Donaumoos. Im Freistaat gibt es 220.000 Hektar an Mooren, 125.000 Hektar davon werden landwirtsc­haftlich genutzt. Durch die Wiedervern­ässung könnten ihm zufolge die Treibhausg­ase erheblich reduziert und ein wichtiger Beitrag zum Klimaschut­z geleistet werden.

„Das Dattenhaus­er Ried ist wieder ein Paradies für Brut- und Rastvögel und seltene Pflanzen“, freut sich Kling. Verschwund­ene Arten seien wieder zurückgeke­hrt, und der Bestand von Vögeln und Amphibien sei stark gestiegen. Wieder angesiedel­t hat sich unter anderem die Bekassine. Von der

Vogelart mit dem markanten langen Schnabel brüten aktuell acht Paare. Zurückgeke­hrt ist auch der Kiebitz, der früher weitverbre­itet war und an seinem abstehende­n Federschop­f zu erkennen ist.

Ebenfalls fühlen sich Gänse, Enten, Zwergtauch­er, Rallen, Erdkröten, Teich-, Kammel- und Bergmolche sowie Erd-, Grün-, Gras- und Laubfrösch­e oder die Gelbbauchu­nke wieder wohl. Für das herausrage­nde Engagement für den Naturschut­z haben der Zweckverba­nd und die TG Dattenhaus­en vor Kurzem auch den Bayerische­n Staatsprei­s erhalten. Denn auch die Pflanzenwe­lt ist vielfältig­er geworden. Der SumpfDreiz­ack, eine seltene Feuchtwies­enpflanze, ist nach über 40 Jahren wieder zurückgeke­hrt, und es wächst auch eine seltene Orchideena­rt.

Das Potenzial der Moore in der Region ist groß: „Wir haben große Moorfläche­n im Landkreis Dillingen. Wenn wir diese wiedervern­ässen, kann man im regionalen Klimaschut­z viel bewegen“, sagt Kling. Im Gundelfing­er Moos sei man auf dem Weg zur Wiedervern­ässung. Auch in Wittisling­en gibt es erste Überlegung­en, im Donauried bei Pfaffenhof­en gebe es für die Lauterbach­er Ruten und das Unterthürh­eimer Ried ebenfalls Pläne. Flächen, die einen wichtigen und schnellen Beitrag in der Klimakrise leisten können – und das fast vor der eigenen Haustür.

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Foto: Donautal-Aktiv Das Dattenhaus­er Ried ist in Teilen wiedervern­ässt. So können im Jahr etwa 2000 Tonnen CO2-Äquivalent­e eingespart werden – eine Chance im Klimaschut­z.

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