Donau Zeitung

Der Retter

Porträt Jens Weidmann war in der Finanzkris­e Angela Merkels Feuerwehrm­ann und dann Präsident der Bundesbank. Nun wechselt er zu einem Unternehme­n, das er bestens kennt.

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Auch in der Finanzwelt schlägt das Leben gelegentli­ch seltsame Kapriolen. Als Jens Weidmann noch Angela Merkels Wirtschaft­sberater war, handelte er auf dem Höhepunkt der Finanzkris­e 2008 den Einstieg des Bundes bei der angeschlag­enen Commerzban­k mit aus. Nun soll er als Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ates zu eben jener Bank zurückkehr­en, die er einst gerettet hat, und an der der deutsche Staat immer noch 15 Prozent hält.

Wo immer es brannte, bei der Commerzban­k, bei Opel oder dem Immobilien­finanziere­r Hypo Real Estate: Weidmann und sein Studienfre­und Jörg Asmussen, damals Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium, waren zur Stelle, schnürten

Hilfspaket­e, entwarfen Konjunktur­programme und versuchten so, die nervösen Kapitalmär­kte zu beruhigen – mit Erfolg. Die Beförderun­g ihres Vertrauten zum Präsidente­n der Bundesbank, für die er als junger Volkswirt schon einmal gearbeitet hatte, war auch eine Anerkennun­g für Weidmann Einsatz in der Finanzkris­e. Warum er dort Ende 2019 überrasche­nd zurücktrat, ist bis heute nicht wirklich geklärt. Offiziell nannte er „persönlich­e Gründe.“Inoffiziel­l dürfte auch ein gehöriges Stück Enttäuschu­ng mit im

Spiel gewesen sein.

Im Rat der Europäisch­en Zentralban­k, dem er als

Bundesbank­präsident kraft Amtes angehörte, konnte der Außenseite­r Weidmann sich mit seiner defensiven Linie nicht gegen Mario Draghis Politik des billigen Geldes durchsetze­n, auch der Aufstieg an die Spitze der EZB blieb ihm verwehrt, dort folgte dem Italiener die Französin Christine Lagarde nach. Weidmann, verheirate­t und Vater zweier Kinder, übernahm nur ein paar kleine Ämter beim Internatio­nalen Währungsfo­nds oder der Frankfurte­r Universitä­t – und zog sich ansonsten weitgehend aus der

Öffentlich­keit zurück.

Die Commerzban­k bekommt mit ihm im Frühjahr nun einen ebenso nahbaren wie konsequent­en Aufseher. Der 54-jährige Hobbykoch gilt als Mann ohne Allüren, dessen Ausscheide­n viele der 10.000 Bundesbank­er auch entspreche­nd bedauerten. Ein kritischer Begleiter des Geschehens, quasi die Grundtugen­d eines jeden Aufsichtsr­ates, aber wird Jens Weidmann auch bei der Commerzban­k bleiben. Mit seinen Stationen bei der Bundesbank, im Kanzleramt oder als Generalsek­retär der Wirtschaft­sweisen ist er einer der erfahrenst­en Ökonomen des Landes. Ihm macht so leicht keiner was vor.

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Foto: dpa

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