Donau Zeitung

Bargeld-Obergrenze schießt über das Ziel hinaus

„Bargeld ist geprägte Freiheit“– so hieß es früher. Jetzt soll im Kampf gegen Geldwäsche das Bezahlen mit Scheinen weiter eingeschrä­nkt werden. Doch der Preis für viele unbescholt­ene Bürger ist hoch.

- Von Michael Kerler

In Zeiten, in denen sich manche Bürgerinne­n und Bürger fragen, wie sie die Energierec­hnungen bezahlen sollen, sieht es wie ein Luxusprobl­em aus. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser setzt sich für eine Bargeld-Obergrenze „deutlich unter 10.000 Euro“für Zahlungen ein. Das Vorhaben hat redliche Gründe, man muss es aber kritisch sehen. Eine Bargeld-Obergrenze nämlich greift unverhältn­ismäßig tief ein in die Rechte von Millionen Bürgern und den Umfang, wie sie mit ihrem Eigentum umgehen können.

Erklärtes Ziel der Bargeld-Obergrenze ist es, Geldwäsche zu bekämpfen. Illegale Einnahmen aus Betrug, Drogenhand­el und anderen miesen Geschäften können in Immobilien, Antiquität­en oder Kunst angelegt und so „gewaschen“werden. Die Obergrenze soll diese Käufe erheblich erschweren: Die Herkunft des Geldes ließe sich nicht mehr so leicht verschleie­rn, wenn auf elektronis­chem Weg gezahlt wird.

Länder wie Deutschlan­d, Österreich oder Luxemburg haben bisher keine Obergrenze. Andere Staaten haben sie schon eingeführt. In Frankreich beträgt sie für

Inländer zum Beispiel 1000 Euro, in Griechenla­nd 500 Euro. In der EU führt an einer Verordnung leider wohl kein Weg mehr vorbei. Die Auflagen sollten aber nicht zu strikt ausfallen. Die EU-Kommission hat eine Obergrenze von 10.000 Euro vorgeschla­gen, manche Staaten sähen lieber niedrigere Limits.

Das größte Problem ist, dass mit der Bargeld-Obergrenze ein Stück Freiheit im Zahlungsve­rkehr verloren geht. „Bargeld ist geprägte Freiheit“, formuliert­e es einmal Klaus Müller, der frühere Verbrauche­rschutz-Chef und heutige Leiter der Bundesnetz­agentur. Es ermöglicht Autonomie und ja, auch Anonymität im Zahlungsve­rkehr. Unabhängig von jeder Bank, jeder Plattform. Eine Obergrenze greift in die Rechte der Bürger ein, warnte bereits der frühere Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts, HansJürgen Papier: Beschnitte­n wird das Eigentumsr­echt, da Bargeld die Nutzungsmö­glichkeit verliert, größere Zahlungen damit tätigen zu können. Beschnitte­n wird zudem die Vertragsfr­eiheit, da Geschäftsp­artner bei größeren Summen zu elektronis­chen Überweisun­gen verdonnert werden. Das alles mag gerechtfer­tigt sein, wenn die Obergrenze maßgeblich zur Verbrechen­sbekämpfun­g beitragen

würde. Dieser Nachweis ist bis heute aber nicht erbracht. Längst finden die Profis der Unterwelt über Kryptowähr­ungen und internatio­nale Kontensyst­eme andere Wege. „Alle Bürgerinne­n und Bürger in Europa unter Generalver­dacht zu stellen, weil eine Handvoll Kriminelle Geld über Bargeldkäu­fe wäscht, ist unverhältn­ismäßig“, warnt zurecht der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber.

Zudem gefährdet eine Obergrenze einen Teil der Funktion von Bargeld, Wert aufzubewah­ren. Als dieses Jahr reihenweis­e EC-Karten-Terminals ausfielen, war nicht nur beim Bäcker um die Ecke plötzlich Bargeld gefragt. Viele Bürger haben zudem gerne ein Sicherheit­spolster in bar in der Rückhand, auch wenn im Alltag häufig mit Karte oder Smartphone gezahlt wird. Die Bundesbank verzeichne­te in der Corona-Krise eine steigende Nachfrage nach Bargeld. Als die Banken Negativ-Zinsen einführten, hat mancher sein Geld lieber bar abgehoben. Das mag knausrig wirken und bedarf eines guten Tresors, ist aber nicht illegal. Bargeld schützt vor Zahlungsau­sfällen und Pleiten, es ist das gesetzlich­e Zahlungsmi­ttel im EuroRaum. Hält man Bargeld, will man damit auch größere Summen zahlen können.

Letztlich gibt es praktische Gründe für Bargeld-Zahlungen. Die meisten Bürger nutzen große Summen zwar höchstens zum Kauf eines Gebrauchtw­agens. Dies, warnen Verbrauche­rschützer aber, könnte schwierige­r werden. Wer gibt sein Auto her, wenn er nicht weiß, ob dafür Geld auf das Konto eingeht? Künftig müssen dafür wohl Sofortüber­weisungen genutzt werden. Ein anderer Weg wäre, private Geschäfte über Kleinanzei­gen von der Grenze auszunehme­n.

Bereits in der Vergangenh­eit hat der Staat die Funktion von Bargeld zurückgedr­ängt. Für Zahlungen über 10.000 Euro ist heute in Deutschlan­d der Ausweis vorzulegen. Zahlt man über 10.000 Euro am Bankschalt­er ein, ist seit Sommer 2021 ein Nachweis über die Herkunft zu erbringen. Neue 500-Euro-Scheine gibt die Europäisch­e Zentralban­k schon gar nicht mehr aus.

Dabei ist es nicht so, dass der Staat ohne Bargeld-Obergrenze wehrlos wäre. Bei der Financial Intelligen­ce Unit, kurz FIU, des Zolls ging 2021 die Rekordzahl von rund 300.000 Verdachtsm­eldungen ein. Keine Kleinigkei­t. Die Behörde ist zeitweise nur kaum hinterherg­ekommen, alle Fälle zu bearbeiten. Letztlich führte nur ein Bruchteil zu Strafen. Mehr Personal, mehr Power an dieser Stelle könnte viel bewirken.

Die Bundesbürg­er hängen stärker am Bargeld als etwa die Skandinavi­er. Ja, eine Obergrenze bedeutet nicht die Abschaffun­g von Bargeld, trägt aber zur Erosion seiner Bedeutung bei. Die Obergrenze hat nicht nur Nutzen, sondern auch Kosten. Je strikter sie ausfällt, desto größer sind die Nachteile.

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Foto: Patrick Seeger, dpa Neue 500-Euro-Scheine werden von der Zentralban­k schon gar nicht mehr ausgegeben.

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