Bargeld-Obergrenze schießt über das Ziel hinaus
„Bargeld ist geprägte Freiheit“– so hieß es früher. Jetzt soll im Kampf gegen Geldwäsche das Bezahlen mit Scheinen weiter eingeschränkt werden. Doch der Preis für viele unbescholtene Bürger ist hoch.
In Zeiten, in denen sich manche Bürgerinnen und Bürger fragen, wie sie die Energierechnungen bezahlen sollen, sieht es wie ein Luxusproblem aus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser setzt sich für eine Bargeld-Obergrenze „deutlich unter 10.000 Euro“für Zahlungen ein. Das Vorhaben hat redliche Gründe, man muss es aber kritisch sehen. Eine Bargeld-Obergrenze nämlich greift unverhältnismäßig tief ein in die Rechte von Millionen Bürgern und den Umfang, wie sie mit ihrem Eigentum umgehen können.
Erklärtes Ziel der Bargeld-Obergrenze ist es, Geldwäsche zu bekämpfen. Illegale Einnahmen aus Betrug, Drogenhandel und anderen miesen Geschäften können in Immobilien, Antiquitäten oder Kunst angelegt und so „gewaschen“werden. Die Obergrenze soll diese Käufe erheblich erschweren: Die Herkunft des Geldes ließe sich nicht mehr so leicht verschleiern, wenn auf elektronischem Weg gezahlt wird.
Länder wie Deutschland, Österreich oder Luxemburg haben bisher keine Obergrenze. Andere Staaten haben sie schon eingeführt. In Frankreich beträgt sie für
Inländer zum Beispiel 1000 Euro, in Griechenland 500 Euro. In der EU führt an einer Verordnung leider wohl kein Weg mehr vorbei. Die Auflagen sollten aber nicht zu strikt ausfallen. Die EU-Kommission hat eine Obergrenze von 10.000 Euro vorgeschlagen, manche Staaten sähen lieber niedrigere Limits.
Das größte Problem ist, dass mit der Bargeld-Obergrenze ein Stück Freiheit im Zahlungsverkehr verloren geht. „Bargeld ist geprägte Freiheit“, formulierte es einmal Klaus Müller, der frühere Verbraucherschutz-Chef und heutige Leiter der Bundesnetzagentur. Es ermöglicht Autonomie und ja, auch Anonymität im Zahlungsverkehr. Unabhängig von jeder Bank, jeder Plattform. Eine Obergrenze greift in die Rechte der Bürger ein, warnte bereits der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, HansJürgen Papier: Beschnitten wird das Eigentumsrecht, da Bargeld die Nutzungsmöglichkeit verliert, größere Zahlungen damit tätigen zu können. Beschnitten wird zudem die Vertragsfreiheit, da Geschäftspartner bei größeren Summen zu elektronischen Überweisungen verdonnert werden. Das alles mag gerechtfertigt sein, wenn die Obergrenze maßgeblich zur Verbrechensbekämpfung beitragen
würde. Dieser Nachweis ist bis heute aber nicht erbracht. Längst finden die Profis der Unterwelt über Kryptowährungen und internationale Kontensysteme andere Wege. „Alle Bürgerinnen und Bürger in Europa unter Generalverdacht zu stellen, weil eine Handvoll Kriminelle Geld über Bargeldkäufe wäscht, ist unverhältnismäßig“, warnt zurecht der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.
Zudem gefährdet eine Obergrenze einen Teil der Funktion von Bargeld, Wert aufzubewahren. Als dieses Jahr reihenweise EC-Karten-Terminals ausfielen, war nicht nur beim Bäcker um die Ecke plötzlich Bargeld gefragt. Viele Bürger haben zudem gerne ein Sicherheitspolster in bar in der Rückhand, auch wenn im Alltag häufig mit Karte oder Smartphone gezahlt wird. Die Bundesbank verzeichnete in der Corona-Krise eine steigende Nachfrage nach Bargeld. Als die Banken Negativ-Zinsen einführten, hat mancher sein Geld lieber bar abgehoben. Das mag knausrig wirken und bedarf eines guten Tresors, ist aber nicht illegal. Bargeld schützt vor Zahlungsausfällen und Pleiten, es ist das gesetzliche Zahlungsmittel im EuroRaum. Hält man Bargeld, will man damit auch größere Summen zahlen können.
Letztlich gibt es praktische Gründe für Bargeld-Zahlungen. Die meisten Bürger nutzen große Summen zwar höchstens zum Kauf eines Gebrauchtwagens. Dies, warnen Verbraucherschützer aber, könnte schwieriger werden. Wer gibt sein Auto her, wenn er nicht weiß, ob dafür Geld auf das Konto eingeht? Künftig müssen dafür wohl Sofortüberweisungen genutzt werden. Ein anderer Weg wäre, private Geschäfte über Kleinanzeigen von der Grenze auszunehmen.
Bereits in der Vergangenheit hat der Staat die Funktion von Bargeld zurückgedrängt. Für Zahlungen über 10.000 Euro ist heute in Deutschland der Ausweis vorzulegen. Zahlt man über 10.000 Euro am Bankschalter ein, ist seit Sommer 2021 ein Nachweis über die Herkunft zu erbringen. Neue 500-Euro-Scheine gibt die Europäische Zentralbank schon gar nicht mehr aus.
Dabei ist es nicht so, dass der Staat ohne Bargeld-Obergrenze wehrlos wäre. Bei der Financial Intelligence Unit, kurz FIU, des Zolls ging 2021 die Rekordzahl von rund 300.000 Verdachtsmeldungen ein. Keine Kleinigkeit. Die Behörde ist zeitweise nur kaum hinterhergekommen, alle Fälle zu bearbeiten. Letztlich führte nur ein Bruchteil zu Strafen. Mehr Personal, mehr Power an dieser Stelle könnte viel bewirken.
Die Bundesbürger hängen stärker am Bargeld als etwa die Skandinavier. Ja, eine Obergrenze bedeutet nicht die Abschaffung von Bargeld, trägt aber zur Erosion seiner Bedeutung bei. Die Obergrenze hat nicht nur Nutzen, sondern auch Kosten. Je strikter sie ausfällt, desto größer sind die Nachteile.