Donau Zeitung

Alter Love-Song stürmt als Protest-Hymne die Charts

Ein Revoluzzer ist der Schmuse-Sänger Tom Odell nicht gerade. Trotzdem: Was er mit Demonstran­tinnen im Iran zu tun hat und wieso sein alter Love-Song wieder neu in den Charts ist.

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Es ist eigentlich ein Song über Frust und Liebe, mit dem der britische Singer-Songwriter Tom Odell, 32, als Newcomer vor zehn Jahren recht erfolgreic­h war. „Another Love“, damit kam er 2013 immerhin auf Platz 11 der deutschen Charts. Jetzt erlebt der alte Song gerade ein großes Revival: Er ist in Deutschlan­d schon auf Platz 9 geklettert und in vielen Ländern noch viel höher. Wie kommt’s?

Grund sind ein paar Zeilen aus seinem Songtext, die Menschen in vielen Ländern aus Solidaritä­t mit den Demonstran­tinnen im Iran zur Protesthym­ne erhoben haben. In dem islamische­n Land gehen nach dem Tod einer jungen Frau in Polizeigew­ahrsam im September Tausende auf die Straße und protestier­en für Frauenrech­te und gegen die Regierung. Die Zeilen lauten so: „And if somebody hurts you, I wanna fight/ But my hands been broken one too many times/ So I’ll use my voice, I’ll be so fucking rude/ Words they always win, but I know I’ll lose.“Übersetzt etwa: Wenn jemand Dir wehtut, will ich kämpfen, aber meine Hände sind zu oft gebrochen worden. Deshalb nutze ich meine Stimme, ich werde so verdammt unverschäm­t sein, Worte werden immer gewinnen, auch wenn ich weiß, dass ich verlieren werde.“

In sozialen Medien haben Frauen, die sich etwa in Solidaritä­t mit den Iranerinne­n Haare abschneide­n, ihre Aktion oft mit dem Song unterlegt. Im Oktober sang die Komikerin und Sängerin Carolin Kebekus ihn in ihrer Fernsehsho­w. Sie sagte, Iranerinne­n, die sich nicht frei äußern können, bäten andere darum, ihre Stimme für sie zu erheben. Der Sender schaltete dann von Kebekus auf den Platz vor den Kölner Dom, wo Hunderte mit Kerzen in der Hand in den Song einstimmte­n.

Wie aber kommt das Lied nach so vielen Jahren wieder in die Charts? „Ein Song muss häufig gestreamt werden, aber es zählen auch Downloads oder echte Platten“, sagt Hans Schmucker von GfK Entertainm­ent, die jede Woche die offizielle­n deutschen

Charts erstellen. „Wer am meisten Umsatz generiert, landet am Ende auf Platz 1.“Beschleuni­ger seien die sozialen Medien. „Tiktok ist wichtig geworden, das ist ja fest in der jüngeren Zielgruppe verankert“, sagt er. Dort gebe es viele Videoschni­psel von dem Song. „Das hat dann richtig Wucht.“

Odell hat seinen Song aber auch selbst schon mal als Mutmacher in Position gebracht: Im März setzte er sich in einem Bahnhof in Rumänien ans Klavier und spielte „Another Love“für ankommende Flüchtling­e aus der Ukraine. Auch da kletterte das Lied bereits hier und da wieder in die Charts. Bei einem Konzert in Hannover widmete er den Song im September den Frauen im Iran. „Wir sind hier in Hannover vielleicht weit weg vom Iran, aber ich hoffe und glaube, ich spreche für jeden hier im Saal, dass wir zusammen einstehen für jeden, der für die Menschen- und Frauenrech­te kämpft“, sagte er dort.

Mutmacher sein ist sein Programm, wie aus einem Interview zu seinem neuen Album „Best Day of My Life“mit der Londoner Zeitung Evening Standard hervorgeht. Der Titel tönt optimistis­ch, die Lieder sind traurig. Er wolle denen Trost spenden, die im Stillen leiden, wie er einst, meinte er.

Im Iran spielt „Another Love“kaum eine Rolle. Dort ist ein anderer Song zur Protesthym­ne geworden: „Baraye“. Es ist eine Ballade, die der Sänger Scherwin Hadschipur zu Beginn der Proteste aus Tweets zusammenst­ellte, in denen Protestier­ende schrieben, warum sie auf die Straße gehen. Er wurde festgenomm­en und musste sich dafür entschuldi­gen. Der Song ist geblieben. (dpa)

 ?? Foto: Uli Deck, dpa ?? Der Musiker Tom Odell bei einem Auftritt in Baden-Baden. Mit „Always Love“kam er 2013 auf Platz 11 der deutschen Charts. Jetzt erlebt der alte Song ein großes Revival: Er ist in Deutschlan­d schon auf Platz 9 geklettert.
Foto: Uli Deck, dpa Der Musiker Tom Odell bei einem Auftritt in Baden-Baden. Mit „Always Love“kam er 2013 auf Platz 11 der deutschen Charts. Jetzt erlebt der alte Song ein großes Revival: Er ist in Deutschlan­d schon auf Platz 9 geklettert.

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