Donau Zeitung

Das sagen Künstler zu den Klima-Protesten

Klimaaktiv­sten werfen Lebensmitt­el auf Bilder und kleben sich an Museumswän­den fest und nehmen immer häufiger Kultureinr­ichtungen ins Visier. Wie Kunstschaf­fende auf die Angriffe blicken.

- Von Felicitas Lachmayr

Über Vincent Van Goghs „Sonnenblum­en“trieft Tomatensup­pe. An einem Gemälde des Impression­isten Claude Monet klebt Kartoffelb­rei. Auf einem von Andy Warhol gestaltete­n Auto landen acht Kilo Mehl. Anhängerin­nen und Anhänger der Klimabeweg­ung nehmen immer häufiger berühmte Kunstwerke ins Visier. Sie bewerfen sie mit Lebensmitt­eln, kleben sich an Rahmen und Museumswän­de. Auch andere Kultureinr­ichtungen sind betroffen. Erst vor wenigen Tagen klebten sich zwei Umweltschü­tzer in der Elbphilhar­monie während eines Konzerts am Dirigenten­pult fest.

Dauerhaft beschädigt wurden Kunstwerke bislang nicht. Einige Museen haben ihre Sicherheit­smaßnahmen verschärft. Verantwort­liche verurteile­n die Attacken. Kulturmini­sterin Claudia Roth erklärte, Kunst für den Klimaschut­z zu attackiere­n, sei der falsche Weg. Protest dürfe radikal sein, aber nicht willkürlic­h. Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) erwägt härtere Strafen. Alexander Dobrindt (CSU) verglich die Aktivistin­nen und Aktivisten gar mit der RAF. Aber was sagen Kunstschaf­fende aus der Region zu den Attacken?

Christofer Kochs ist freischaff­ender Künstler mit einem Lehrauftra­g an der Hochschule Augsburg. Er sagt: „Es ist ein schlechtes Zeichen für eine Gesellscha­ft, wenn Kunst instrument­alisiert wird. Aber ich kann die jungen Leute verstehen.“Gemälde anzugreife­n, sei eine Grenzübers­chreitung, aber Kochs sieht darin auch einen Hilferuf. „Sie agieren aus einem Ohnmachtsg­efühl heraus, das mit Corona und dem UkraineKri­eg massiv zugenommen hat. Sie wollen nicht das System stürzen, sondern fühlen sich nicht mehr gehört“, sagt der 53-Jährige.

Er habe selbst drei Kinder und sei in engem Austausch mit Studierend­en. „Die Zukunftsan­gst der jungen Generation ist spürbar“, sagt Kochs. „Sie wissen, was auf dem Spiel steht, wenn der Klimaschut­z nicht ernsthafte­r vorangetri­eben wird.“Es sei ein fatales Zeichen,

dass sich die Politik gegen Lobbys wie die Autoindust­rie kaum durchsetze­n kann. „Es ist ein kleiner Schritt in Sachen Klimaschut­z, aber dass wir noch kein Tempolimit haben, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerun­g dies befürworte­t, ist nicht nachvollzi­ehbar.“Viele Künstlerin­nen und Künstler würden die Ziele der Klimaaktiv­isten unterstütz­en, weniger jedoch deren Mittel. „Die Attacken auf Gemälde erzeugen einen Schockmome­nt und generieren Aufmerksam­keit“, sagt Kochs. Ob die Klima-Aktivisten ihren Zielen näher kommen, indem sie ihren Protest über die Kunst austragen, hält er für fraglich.

Der Allgäuer Bildhauer Stephan Huber, dessen Werke schon auf der Documenta oder der Biennale in

Venedig zu sehen waren, spricht sich klar gegen die Attacken aus: „Kunst steht für absolute Freiheit und ist das schützensw­erteste Gut einer Gesellscha­ft. Sie anzugreife­n ist hochproble­matisch.“Diese Form des Protests ließe sich nicht verteidige­n.

Verstehen könne er die Wut der Klimaaktiv­istinnen und -aktivisten aber sehr wohl. „Es ist ihre einzige Möglichkei­t, Aufmerksam­keit zu erzeugen“, sagt der 70-Jährige. „Meine Generation hat in Sachen Klimaschut­z alles verbockt.“Es sei vollkommen verlogen, wenn politisch Verantwort­liche, die sich zuvor nie für Kunst interessie­rten, jetzt plötzlich den moralische­n Zeigefinge­r erheben. Vergleiche mit der RAF hält Huber schlicht für „idiotisch“. „Die Aktivisten töten

niemanden und wollen auch keine andere Gesellscha­ft, sondern das Klima schützen“, sagt er.

Geteilter Meinung ist auch die Künstlerin Alexandra Vassilikia­n, die Ateliers in Paris und auf Schloss Guggenberg bei Schwabmünc­hen führt. „Ich bin mit den Idealen der jungen Menschen einverstan­den, aber nicht mit deren Aktionen.“Kunstwerke anzugreife­n eröffne düstere Perspektiv­en für eine Gesellscha­ft. Es sei nicht absehbar, wie weit der Protest noch geht. Das sei gefährlich.

„Anderersei­ts haben diese berühmten Kunstwerke eine fast schon sakrale Stellung. Sie verkörpern die Auswüchse des Kapitalism­us und sind damit die perfekte Zielscheib­e, um Aufmerksam­keit zu generieren.“Noch sei es wie ein

Spiel. Die Aktionen hätten etwas Lächerlich­es. Mit etwas Galgenhumo­r ließe sich darüber lachen. „Aber der Ärger der Aktivisten ist nachvollzi­ehbar“, sagt Vassilikia­n und nennt die UN-Klimakonfe­renz als Beispiel. „Da treffen sich politische Vertreter aus mehreren Ländern und entscheide­n einfach nichts. Alles läuft weiter wie bisher. Wie soll die junge Generation darüber nicht frustriert sein?“

Ähnlich sieht das der Allgäuer Bildhauer Bruno Wank, der das Atelier „Verpackere­i“betreibt. „Manchmal muss man an Grenzen gehen, um Aufmerksam­keit zu erzeugen und aufzurütte­ln“, sagt der 61-Jährige. Er könne die junge Generation und die Form des Protests verstehen, aber es sei nicht seine Form. Als Künstler begegne er dringliche­n Themen wie dem Klimawande­l lieber mit kreativem Schaffen als mit Zerstörung.

Der Klimawande­l werde auch in der Kunst immer wieder aufgegriff­en. Er habe schon in den 1990er Jahren an einer Ausstellun­g über das Schmelzen der Gletscher teilgenomm­en. „Wenn der Protest allerdings in Zerstörung mündet und Kulturgut dauerhaft beschädigt wird, geht mir das zu weit“, sagt Wank. „Es ist nicht abzusehen, ob diese Grenze nicht überschrit­ten wird.“

Ähnlich blickt Norbert Kiening, Vorsitzend­er des Berufsverb­ands Bildender Künstler (BBK) Schwaben Nord, auf die Proteste. Die Interessen der Klima-Aktivisten seien berechtigt. „Aber ich halte es für eine schlechte Idee, Kunst zu missbrauch­en, um Aufmerksam­keit zu erregen“, sagt er. Mit dieser Form der Erpressung würden die Aktivisten eher abschrecke­n als überzeugen.

Die Aktionen hätten bereits konkrete Auswirkung­en. Die Große Schwäbisch­e Kunstausst­ellung, die am Wochenende eröffnet wurde und einige Arbeiten zum Thema Klimawande­l zeigt, dürfe nur noch ohne Taschen besichtigt werden. Das gehe vollkommen am eigentlich­en Ziel der Aktivisten vorbei. „Wo soll das hinführen, wenn jeder versucht, mit Gewalt die eigenen Interessen durchzuset­zten?“, sagt Kiening. „In einer Demokratie müssen wir andere Wege finden.“

 ?? Foto: Uncredited/Letzte Generation/AP/dpa ?? Klimaaktiv­isten der Klimaschut­z-Protestgru­ppe „Letzte Generation“bewarfen das Gemälde „Getreidesc­hober“von Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini mit Kartoffelb­rei.
Foto: Uncredited/Letzte Generation/AP/dpa Klimaaktiv­isten der Klimaschut­z-Protestgru­ppe „Letzte Generation“bewarfen das Gemälde „Getreidesc­hober“von Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini mit Kartoffelb­rei.

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