Traumspiel mit zweifacher Verlängerung
Die Stadtkapelle Dillingen stiehlt bei ihrem Jahreskonzert jedem Fußballspiel die Show und erobert die Herzen der Fans im Sturm.
Was für eine Spielfreude, für ein Feuer, für ein Teamspirit – mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft in Beinen, Armen, Fingern oder auch der gesamten Gesichtsmuskulatur wurde diese Partie haushoch gewonnen! Die Bilanz am Ende: Elf Volltreffer nach der regulären Spielzeit, zwei weitere Hits in zwei Verlängerungen. Nein, nein, nicht vom Fußball ist die Rede und schon gar nicht von der deutschen Nationalmannschaft. Wen interessierte an diesem Wochenende schon das Spiel der deutschen Mannschaft in Katar? In Dillingen war der „Place to be“am Sonntag das Jahreskonzert der Stadtkapelle Dillingen im Stadtsaal – und diese Mannschaft hat die Erwartungen, die an sie gestellt wurden, locker erreicht und sogar übertroffen.
Unter dem Motto „Music’s Coming Home“spielte sich das Team um Trainerin – pardon: Dirigentin Marie-Sophie Schweizer durch ein erstklassiges Turnier. Das Programm orientierte sich mit viel Humor an der derzeit stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft, bot dabei aber vor allem eine hochprofessionelle Glanzleistung, die den Bundesliga-Vergleich nicht zu scheuen braucht.
Zum Warmwerden heizte dem Publikum das Kreisstadtjugendblasorchester, die Nachwuchsspieler der Stadtkapelle, unter der Leitung von Anna-Maria Huber ein. Insbesondere, wenn man bedenkt, was für eine Zeit hinter den Musikern mit zwei Jahren Pandemie
liegt, ist es einfach nur wunderbar zu sehen und zu hören, wie Kinder schon in jungem Alter nicht nur ihr Instrument lernen zu bespielen, sondern auch in der Lage sind, ein Zusammenspiel zu präsentieren, das begeistert. Ihre Kompetenz in unterschiedlichen Musikstilen und Spielweisen stellten die jungen Musiker mit dem Musicalsong „Beauty and the Beast“, dem Klassiker der kubanischen Musik „Guantamera“oder auch mit der Coldplay-Hymne „Viva la Vida“unter Beweis. Anmoderiert wurden die Stücke souverän und sympathisch von der jungen Hornistin Magdalena Lederle. Als Zugabe schmetterten die Youngsters ein gelöstes „Shut up and Dance with me“ins Publikum. Tolle Leistung! Mit „Another Opening“und „Victory“übernahmen die
Großen danach die Bühne und beeindruckten vom ersten Ton an. An Emotionalität kaum zu überbieten, überzeugten sie mit ihrer bemerkenswerten Professionalität und ihrem enorm hohen Spielniveau. Die positive Anspannung war den Spielerinnen und Spielern ebenso wie der Dirigentin anzumerken – höchste Konzentration. Aber nur so sitzt jedes anmutige Crescendo, jedes Ritardando und jede akzentuiert und klar gesetzte Achtelpause exakt, wie sie sein muss. Akkurates, sauberes und zutiefst harmonisches Zusammenspiel und eine mitreißende Dynamik waren bei diesem Auftritt zu erleben.
Nach der Pause ging es beschwingt weiter. Greta Schadl und Ronja Herreiner führten charmant und mit Wortwitz durch das Programm,
das weiter ganz im Zeichen des Fußballs stand: Hits wie „Football’s coming Home“, „Auf uns“und „We are the Champions“durften da einfach nicht fehlen und sorgten in den jeweiligen Arrangements für tolle Stimmung und wippende Füße im Saal. Das planmäßige Ende der regulären Spielzeit läuteten die Musiker mit „Go west“von den Pet Shop Boys sowie einem bunten Medley durch die kultigsten 80er-Songs ein. Gerade „Go west“, hatte, wie die beiden Moderatorinnen erklärten, hinsichtlich der nicht hinnehmbaren homophoben Gesetzeslage in Katar noch eine besondere Bedeutung: War es doch die Hymne der Schwulen- und Lesbenbewegung in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Besonders schön: der Cha-Cha-Exkurs im
Mittelteil war in diesem Arrangement des Songs einfach grandios und demonstrierte die Offenheit und Experimentierfreudigkeit des Orchesters.
Zum Ende meldete sich noch einmal die Vorsitzende Birgit Marquardt, die das Publikum bereits in gewinnender Art begrüßt hatte, zu Wort und dankte allen Mitwirkenden. Das Publikum ließ die Stadtkapelle nicht ohne eine Zugabe vom Platz gehen. Zweimal ging das Team mit voller Power in die Verlängerung und spielte bis zum letzten Ton mit bewundernswerter Präzision. „Jetzt sind wir wirklich erschöpft“, gestand Marie-Sophie Schweizer und verabschiedete sich „als Weltmeister der Herzen“von einem glücklichen Dillinger Publikum.