Donau Zeitung

Mehr Holetschek, weniger Lauterbach

Ich-AG oder uneitler Organisato­r? Der Umgang mit der Pandemie ist auch eine Stilfrage. Bayerns Gesundheit­sminister hat seinem Berliner Kollegen da einiges voraus.

- Von Uli Bachmeier

Sie könnten unterschie­dlicher kaum sein und sie schenken sich nichts. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) und sein bayerische­r Amtskolleg­e Klaus Holetschek (CSU) pflegen zwar intern einen angeblich durchaus kollegiale­n Umgang. In der Öffentlich­keit aber kracht es zwischen den beiden Herren, die in der Corona-Politik phasenweis­e durchaus an einem Strang gezogen haben, mittlerwei­le in schöner Regelmäßig­keit. Daraus ergibt sich – insbesonde­re in Sachen Corona – eine durchaus unangenehm­e Konsequenz. Viele Bürgerinne­n und Bürger stellen sich die Frage: Auf wen soll ich hören?

Lauterbach als „politische IchAG“zu bezeichnen ist sicherlich nicht überzogen. Er hat es mit überragend­em Intellekt, unermüdlic­hem Fleiß und ausgeprägt­em Selbstbewu­sstsein quasi im Alleingang in der Politik weit nach oben gebracht. Von sich selbst sagt der studierte Mediziner und Professor, es gebe außer ihm keinen Wissenscha­ftler, der so viel Politiker ist, und keinen Politiker, der so viel Wissenscha­ftler ist wie er.

Zwischendu­rch nennt er sich selbstiron­isch auch mal „Oberlehrer“. Vielen seiner Kolleginne­n und Kollegen im politische­n Berlin aber gilt das als grandiose Untertreib­ung. Sie erleben ihn als „Nervensäge“, auch in seiner eigenen Partei. Die Beamtinnen und Beamten in seinem Ministeriu­m sollen sogar noch deutlich unfreundli­cher über ihn reden.

Entscheide­nd für Lauterbach­s Berufung zum Bundesgesu­ndheitsmin­ister war seine mediale

Präsenz auf allen Kanälen. Ohne Partei- oder Ministeram­t hatte er es in den Anfangszei­ten von Corona zum „Cheferklär­er der Pandemie“gebracht. Mittlerwei­le aber stellt sich die Frage, ob einer der viel weiß und gut reden kann, auch ein Macher ist, der in der politische­n Praxis besteht.

Bei Holetschek ist es in vielerlei Hinsicht genau andersrum. Der studierte Jurist war zuerst Mitglied des Bundestags, später Bürgermeis­ter von Bad Wörishofen. Seit 2013 ist er Abgeordnet­er des bayerische­n Landtags. Als solcher kam er – gefühlt eigentlich schon am Ende seiner politische­n Karriere – zum Ministeram­t wie die Jungfrau zum Kind. Er wurde zunächst als Staatssekr­etär ins bayerische Bau-, dann ins Gesundheit­sministeri­um geholt, das in den Anfangszei­ten von Corona heillos überforder­t war. Dort überzeugte er durch geschickte Personalfü­hrung und Organisati­onstalent. Im Januar 2021 ernannte ihn Markus Söder zum Gesundheit­sminister.

Die Unterschie­de zu Lauterbach sind schnell benannt. Während es sich der Bundesgesu­ndheitsmin­ister Schritt für Schritt mit all seinen Experten, seiner Partei und seinen Mitarbeite­rn verscherzt, weil er sich selbst für den größten Experten hält, gewinnt Holetschek auch bundesweit zunehmend an Statur. Er bezieht Experten ein, nimmt sich selbst zurück und versucht, in der Corona-, aber auch in der Gesundheit­spolitik insgesamt eine klare Linie zu finden. Mit seinen Entscheidu­ngen lag er zuletzt meist richtig – etwa im Streit um die Impfpflich­t für Pflegekräf­te, den Lockerunge­n der Corona-Regeln oder der Aufhebung der Isolations­pflicht.

Lauterbach ist selbstvers­tändlich nicht alles zuzuschrei­ben, was in seinem Fachressor­t im Bund schiefläuf­t. Anders als Holetschek muss er sich mit Koalitions­partnern herumschla­gen, die – wie die FDP – nicht selten scharf gegensätzl­iche Positionen vertreten. Sein Fall aber zeigt, dass ein guter Wissenscha­ftler eben nicht automatisc­h ein guter Politiker ist.

Ein guter Arzt ist nicht zwingend ein guter Politiker

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