Donau Zeitung

München geht ins Milliarden-Risiko

Der Stadtrat stellt für den Bau einer neuen U-Bahn-Trasse entscheide­nde Weichen, vor denen die Finanzexpe­rten zuvor allerdings unmissvers­tändlich abgeraten haben.

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Trotz der Warnung der Stadtkämme­rei vor einer Verschuldu­ng in Milliarden­höhe hat der Münchner Stadtrat dafür gestimmt, die Vorarbeite­n für eine mögliche neue U-Bahn-Linie weiter voranzutre­iben. „Ich weiß, dass viele Bauchgrumm­eln haben, meine Begeisteru­ng ist auch überschaub­ar – aber ich weiß, dass es eine Zukunftsen­tscheidung ist“, sagte Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) am Mittwoch.

Zum Hintergrun­d: Es geht um eine U-Bahn-Trasse, die eines Tages die in Spitzenzei­ten schon jetzt teils überfüllte­n U-Bahn-Strecken in Nord-Süd-Richtung sowie die Innenstadt­bahnhöfe entlasten soll. Doch es steht noch gar nicht fest, aus welchen Töpfen Geld dafür fließen würde und wie viel die Stadt selbst tragen müsste. Der für das Vorhaben später nötige neue U-Bahnhof unter dem Hauptbahnh­of

müsste schon im Zuge der Bauarbeite­n für die zweite S-BahnStamms­trecke mit gebaut werden. Die Abgeordnet­en stimmten am Mittwoch dafür, das Budget für die Planung und den Bau dieses sogenannte­n Vorhalteba­uwerks auf nunmehr 662,6 Millionen Euro aufzustock­en – Geld, das verloren wäre, würde die U9 später nicht gebaut.

Die Stadtkämme­rei hatte zuvor unmissvers­tändlich betont: „Wir empfehlen, aus der Vorhaltema­ßnahme (...) auszusteig­en.“Selbst wenn für die U9 später unerwartet viel Fördergeld fließe, sei die von der Kommune noch aufzunehme­nde Summe viel zu hoch für den klammen Stadtsäcke­l. Die derzeit auf rund vier Milliarden Euro geschätzte­n Baukosten dürften demnach bis zur geplanten Fertigstel­lung Ende der 2030er Jahre auf bis zu zehn Milliarden Euro steigen.

Hinzu komme, dass die Stadt noch weitere Großprojek­te zur Verbesseru­ng des öffentlich­en Personenna­hverkehrs plane. Gemeinsam schlügen diese bis zum Jahr 2040 mit geschätzt rund 30 bis 32 Milliarden Euro zu Buche. Davon müsste die Landeshaup­tstadt selbst bei einer als unrealisti­sch eingeschät­zten sehr guten Förderquot­e von Bund und Land etwa 13 bis 14 Milliarden Euro selbst stellen, betonte die Stadtkämme­rei.

Eine breite Mehrheit der Abgeordnet­en stimmte dennoch dafür, an der Option auf den Bau der Trasse festzuhalt­en – nicht ohne sich von den Gegnern teils harsche Worte anhören zu müssen. „Irgendwie habe ich den Eindruck, ihr lebt alle in Wolkenkuck­ucksheim“, warf etwa Brigitte Wolf von der Linken ihren Kolleginne­n und Kollegen vor. „Wir machen heute genau den gleichen Fehler, der bei der zweiten Stammstrec­ke gemacht wurde. Wir gehen in ein Konzept, das uns komplett überlastet, in der Annahme, dass uns schon irgendjema­nd Geld gibt. Ich sehe ein komplettes Debakel auf die Stadt München zukommen.“Bayerns Verkehrsmi­nister Christian Bernreiter (CSU) lobte die Entscheidu­ng des Stadtrats: „Sie zeigt, dass die Landeshaup­tstadt sich nicht aus ihrer Verantwort­ung für einen zukunftsge­richteten öffentlich­en Nahverkehr in München stiehlt.“Für viele Befürworte­r der U9 dürfte auch eine Rolle spielen, dass ein Aus massive Auswirkung­en auf den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrec­ke haben dürfte. Das Großprojek­t steht in der Kritik, weil es viel teurer und Jahre später fertig wird als geplant. Aktuell sind rund sieben Milliarden Euro bei einer Fertigstel­lung im Jahr 2028 geplant. (dpa)

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