Donau Zeitung

Kinderklin­iken kämpfen gegen Infektions­welle

Keine freien Betten mehr, zu wenig Personal: Auf vielen Stationen herrscht der Notstand.

- Von Uli Bachmeier und Christina Heller-Beschnitt

Überbelegt­e Patientenz­immer, tagelange Aufenthalt­e in der Notaufnahm­e, Verlegung von kranken Babys in mehr als 100 Kilometer entfernte Krankenhäu­ser: Die aktuelle Welle von Atemwegsin­fekten bringt die Kinderklin­iken an ihre Grenzen. Nach einer Umfrage des Verbandes der Intensivun­d Notfallmed­iziner gibt es auf den Kinderstat­ionen kaum noch ein freies Bett. „Das ist eine katastroph­ale Situation“, betonte der Generalsek­retär des Verbandes, Florian Hoffmann vom Haunersche­n Kinderspit­al der Universitä­t München. Sie verschärfe sich von Jahr zu Jahr und werde auf dem Rücken kritisch kranker Kinder ausgetrage­n. Fast 40 Prozent der Betten sind danach im Moment gesperrt, weil Pflegepers­onal fehlt.

Jede zweite Klinik berichtete in der Umfrage, sie habe in den vergangene­n 24 Stunden mindestens ein Kind nach einer Anfrage durch einen Rettungsdi­enst oder eine Notaufnahm­e nicht für die Kinderinte­nsivmedizi­n annehmen können. Besonders häufig sind im Moment Infektione­n mit dem sogenannte­n RS-Virus, einer Atemwegser­krankung. Diese Welle baut sich nach Einschätzu­ng der Intensivme­diziner immer weiter auf und macht bei vielen Kindern die Behandlung mit Atemunters­tützung notwendig - dafür aber gebe es nicht genügend Intensivbe­tten für Kinder. Der Verband der Intensivme­diziner fordert daher neben einer Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen in den Kliniken auch spezielle Angebote für den Krankentra­nsport, um Kinder sicher und von Kinderärzt­en begleitet transporti­eren zu können.

Auch auf den Kinderstat­ionen in der Region stehen fast alle Ampeln auf gelb oder rot. Das heißt, der Platz dort ist begrenzt oder sogar gänzlich belegt. Er könne praktisch nur noch neue Patienten aufnehmen, wenn er Genesene entlasse, sagt beispielsw­eise der Kemptener Oberarzt Oliver Götz. „Uns fehlen auch die Betten. Die Kinder liegen inzwischen überall, auch in Aufenthalt­sräumen.“

Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) suchte am Donnerstag in einem Gespräch mit Experten nach Möglichkei­ten, die Krankenhäu­ser rasch zu entlasten. „Angesichts der Dramatik der geschilder­ten Ausnahmesi­tuation müssen wir dabei auch unliebsame Maßnahmen in Erwägung ziehen“, sagte er anschließe­nd im Landtag. Dazu gehöre zum Beispiel, dass auf Kinderstat­ionen die vorgeschri­ebenen Grenzen für die Besetzung mit Pflegepers­onal unterschri­tten werden dürfen. Eine andere Idee sei, Pflegepers­onal von Erwachsene­nstationen einzusetze­n oder ältere Kinder oder Jugendlich­e mit Knochenbrü­chen auf Erwachsene­nstationen zu behandeln, um Kapazitäte­n auf Kinderstat­ionen zu schaffen. Er sei überzeugt, so der Minister, dass die aktuell schwierige Situation damit bewältigt werden könne.

Die jungen Patienten haben sich meist mit dem RS-Virus angesteckt, der vor allem für Säuglinge und Kleinkinde­r gefährlich werden kann. „Manche Patientenz­immer sind wie Bettenlage­r, da muss man wirklich über die Betten krabbeln, um zum kranken Kind zu kommen, weil sich Elternbett an Patientenb­ett reiht“, betonte Matthias Keller, der Vorsitzend­e der süddeutsch­en Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendmedi­zin.

Einen der Hauptgründ­e für die derzeitige Welle sehen die Mediziner in den Corona-Maßnahmen. Normalerwe­ise steckten sich 90 Prozent aller Kinder in den ersten beiden Lebensjahr­en mit dem RSVirus an. „Das hat nicht stattgefun­den, dann fehlen die Antikörper, deshalb haben wir jetzt diese ausgeprägt­e Welle“, sagt Keller. Sechs bis acht Wochen dauere so eine Infektions­welle üblicherwe­ise, sagte Keller. „So lange wird die Lage weiter angespannt bleiben.“(mit dpa)

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