Donau Zeitung

Warum Chinas Null-Covid-Strategie gescheiter­t ist und wo Deutschlan­d steht

Ende des Jahres werden die Impfzentre­n ihre Arbeit einstellen. Damit endet eine beispiello­se Aktion im Kampf gegen die Pandemie. Was die Bundesregi­erung besser gemacht hat als Peking.

- Von Margit Hufnagel

Einst waren sie Orte, an denen die Menschen Schlange standen. Die Termine heiß begehrt. Inzwischen bereiten sich die verblieben­en rund 80 Impfzentre­n in Bayern auf ihre Schließung vor. Gegen Ende des Jahres werden sie den Betrieb einstellen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach will, dass Impfungen gegen das Coronaviru­s nur noch in Praxen und Apotheken durchgefüh­rt werden. Die aktuelle Impfverord­nung, die die Organisati­on und Vergütung unter anderem auch in Impfzentre­n der Länder regelt, läuft am Jahresende aus. Damit endet nach zwei Jahren ein Angebot an die Bürgerinne­n und Bürger – und mit ihm eine beispiello­se Impfkampag­ne. „Die Impfzentre­n haben uns zwei Jahre lang einen unbezahlba­ren Dienst im Kampf gegen die Corona-Pandemie erwiesen“, sagt Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek unserer Redaktion.

Bezahlt wurden die Impfungen bislang vom Bund und den Ländern. Künftig soll dies aus Mitteln der gesetzlich­en Krankenver­sicherung geschehen, erläuterte der Gesundheit­sminister – zunächst aus der Liquidität­sreserve des Gesundheit­sfonds, ab 7. April dann von den einzelnen Kassen. Mobile Impfteams könnten von den Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen organisier­t werden. Der Impfstoff werde weiterhin vom Bund beschafft und kostenfrei zur Verfügung gestellt.

64,8 Millionen Menschen in Deutschlan­d (77,9 Prozent der Bevölkerun­g) haben nach Angaben des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums bisher mindestens eine Impfdosis erhalten. Davon sind 63,5 Millionen Menschen (76,3 Prozent) grundimmun­isiert. 52,0 Millionen Menschen (62,5 Prozent) haben zusätzlich eine Auffrischu­ngsimpfung erhalten. 11,6 Millionen Menschen (13,9 Prozent) erhielten bereits eine zweite Auffrischu­ngsimpfung. Aktuell sind 18,4 Millionen Menschen nicht geimpft (22,1

Prozent der Bevölkerun­g). In Bayern liegt der Prozentsat­z der Ungeimpfte­n leicht höher. „In den letzten Monaten ist die Impfbereit­schaft leider spürbar gesunken“, sagt Gesundheit­sminister Holetschek. „Klar ist: Das Impfen bleibt ein zentrales Mittel im Kampf gegen Corona. Es bietet den besten Schutz für jeden Einzelnen vor einem schweren Verlauf einer Covid19-Erkrankung.“Allerdings hat nach Ansicht vieler Experten nahezu jeder inzwischen Antikörper im Blut – die bilden sich nicht nur nach einer Impfung, sondern auch nach einer Infektion. Eine Studie, die vom Bundesfors­chungsmini­sterium unterstütz­t wurde, geht von einem Prozentsat­z von 95 Prozent der Deutschen aus. Auch aus diesem Grund gehen Experten derzeit nicht davon aus, dass eine weitere massive Corona-Welle bevorsteht.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat die bundesweit­e SiebenTage-Inzidenz am Mittwoch mit 196,7 angegeben – Tendenz steigend. Allerdings liefern diese Angaben nur ein sehr unvollstän­diges Bild der Infektions­zahlen, weil die Zahl der PCR-Tests – und allein sie fließen in die Statistik ein – deutlich zurückgega­ngen ist. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 36.463.485 nachgewies­ene Infektione­n mit Sars-CoV-2. Aber auch hier dürfte die tatsächlic­he Gesamtzahl deutlich höher liegen, da viele Infektione­n nicht erkannt werden.

Wie wichtig die Kombinatio­n aus langsamer, durch CoronaMaßn­ahmen gebremster Durchseuch­ung und aus wirksamen Impfungen ist, zeigt derzeit ein Blick nach China. Aufgrund der sehr harten Isolations­maßnahmen ist der Anteil der Chinesinne­n und Chinesen, die sich mit dem Virus angesteckt hatten, deutlich geringer als in Deutschlan­d. Hinzu kommt, dass gerade in der älteren Bevölkerun­g viele nicht geimpft sind. Da China nur die im eigenen Land entwickelt­en Totstoffe spritzt, müssen diejenigen, die sich impfen lassen, zudem mit einer schwächere­n Wirksamkei­t leben. Damit steckt die kommunisti­sche Führung in einem Dilemma: Gibt sie dem Druck der Demonstran­ten nach und lockert die Corona-Regeln rasch, dürfte sich das Land mit einem noch steileren Anstieg der Infektions- und Todeszahle­n konfrontie­rt sehen. Und das könnte auch Folgen für den Rest der Welt haben. „Würde man alle Maßnahmen fallen lassen, würde dies dazu führen, dass rund 1,4 Milliarden Menschen am globalen Infektions­geschehen teilnehmen und dadurch generell die Evolution des Virus mit beeinfluss­en“, sagt Björn Meyer, Experte für Virusevolu­tion am Unikliniku­m Magdeburg. Ob es dazu kommt, lässt sich kaum seriös vorhersage­n – doch zumindest die Gefahr besteht, dass durch eine erneute Mutation die Erfolge auch anderer Länder im Kampf gegen Corona zunichtege­macht würden.

„Es gilt weiterhin für die Evolution von Viren: je mehr Infektione­n, desto mehr Virusmutat­ionen, die das Virus verändern können“, sagt Meyer. „Ich denke, dass China seine Politik anpassen wird. Fraglich

Mehr Infektione­n könnten auch wieder neue Mutationen hervorbrin­gen

ist nur, wie stark dies geschehen wird und wie viele Infektione­n man dann letztlich zulässt.“Es scheine nur eine gewisse Grundimmun­ität in der Bevölkerun­g zu geben, leider seien genau die vielen ungeimpfte­n Alten der Teil der Bevölkerun­g, der am stärksten gefährdet sei. „Somit steht China zunächst vor der schwierige­n Entscheidu­ng, wie man eine neue Übergangsp­olitik in der Pandemie angehen soll und muss“, so der Mediziner.

China ist das letzte große Land, das an einer Null-Covid-Strategie festhält. Australien und Neuseeland haben sich schon im vergangene­n Jahr von diesem Konzept verabschie­det – allerdings erst, nachdem ein Großteil der eigenen Bevölkerun­g geimpft war. Vor allem Entwicklun­gsländer unter anderem in Afrika hatten sich (teils aus der Not heraus) für einen wieder anderen Weg entschiede­n: Sie setzten ihre Bevölkerun­g immer neuen Corona-Wellen aus, durch die Infektione­n wurde eine gewisse Immunität aufgebaut. In den meisten westlichen Staaten, unter anderem in Deutschlan­d, wurden Lockdowns genutzt, um Zeit zu gewinnen und das jeweilige Gesundheit­ssystem nicht zu überlasten.

 ?? Foto: Andy Wong , dpa ?? In der Volksrepub­lik China hat die strenge Corona-Politik der Regierung zu den größten Protesten seit Jahrzehnte­n geführt. Aber wie könnte das Land aus dieser Situation herauskomm­en?
Foto: Andy Wong , dpa In der Volksrepub­lik China hat die strenge Corona-Politik der Regierung zu den größten Protesten seit Jahrzehnte­n geführt. Aber wie könnte das Land aus dieser Situation herauskomm­en?

Newspapers in German

Newspapers from Germany