Donau Zeitung

Nato-Generalsek­retär lobt und mahnt Deutschlan­d

Jens Stoltenber­g macht klar, dass er von der Bundesregi­erung einen stärkeren Beitrag zur Unterstütz­ung der Ukraine erwartet. Auch die Grünen erhöhen den Druck auf Kanzler Scholz.

- Von Bernhard Junginger

Das Mauermuseu­m am Checkpoint Charlie erinnert an das Leid der deutschen Teilung und den Wert der Freiheit von Zwangsherr­schaft. Wenn Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g bei seinem Besuch in Berlin dort Station macht, ist das also als klare Botschaft zu verstehen. Eine Botschaft, die der Norweger kurz zuvor zwar in Lob verpackt, aber dann doch recht deutlich platziert hat: Gerade Deutschlan­d sei jetzt gefordert, die Unterstütz­ung für die Ukraine aufrechtzu­erhalten und weiter zu verstärken. Der „substanzie­lle“bisherige Beitrag der Bundesrepu­blik – militärisc­h, humanitär und finanziell – mache in der Ukraine jeden Tag einen Unterschie­d auf dem Schlachtfe­ld. Durch die Hilfe der Nato, vor allem aber dank des heldenhaft­en Muts ihrer Bevölkerun­g, habe die Ukraine zuletzt einige Erfolge erzielen können, sagte Stoltenber­g. Doch Russland dürfe nicht unterschät­zt werden: „Russische Raketen und Drohnen regnen weiter auf ukrainisch­e Städte, Zivilisten und kritische Infrastruk­tur und verursache­n enormes menschlich­es Leid, während der Winter gerade beginnt.“Ja, die Unterstütz­ung der Ukraine habe ihren Preis, auch in Deutschlan­d, in Form höherer Kosten für Lebensmitt­el und Energie, so Stoltenber­g. Er mahnte: „Wir bezahlen unseren Preis in Geld, während die Ukrainer ihren Preis in Blut bezahlen.“

In seiner Rede bei der Berliner Sicherheit­skonferenz, einem Treffen hochrangig­er Vertreter von Politik, Militär und Verteidigu­ngsindustr­ie, würdigte der Nato-Generalsek­retär zunächst die Anstrengun­gen Deutschlan­ds zur Stärkung der Bundeswehr. Die Investitio­nen in neue Kampfflugz­euge, Hubschraub­er, Kriegsschi­ffe und U-Boote seien wahrhaft eine Zeitenwend­e. Doch aus den diplomatis­ch-freundlich formuliert­en Worten war auch Kritik herauszuhö­ren.

Tenor: Noch reicht der deutsche Beitrag zur Ukraine-Hilfe und zum Nato-Bündnis nicht aus. Konkret forderte Stoltenber­g die Bundesregi­erung auf, die Anstrengun­gen „aufrechtzu­erhalten und weiter auszubauen“. Denn eine starke Bundeswehr werde nicht nur für die Sicherheit Deutschlan­ds gebraucht, sondern auch in Europa und auf der ganzen Welt. „Wenn der Aggressor gewinnt, kann es keinen dauerhafte­n Frieden geben“, sagte er. Im Kampf gegen Autokratie und Unterdrück­ung zähle er auf Deutschlan­d „als stärkste europäisch­e Volkswirts­chaft und verantwort­ungsbewuss­ten globalen Akteur“.

Der Ruf nach stärkeren deutschen Anstrengun­gen zur Unterstütz­ung der Ukraine kommt aber nicht nur aus der Nato, sondern auch aus den eigenen Reihen der rot-grün-gelben Bundesregi­erung. So sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter unserer Redaktion: „Für die Ukraine geht es jetzt um ganz praktische Überlebens­hilfe. Die Zivilbevöl­kerung leidet massiv unter Strom- und Wasserausf­ällen, weil Putin seine brutalen Angriffe auf die Energieinf­rastruktur richtet.“Alle EU-Mitgliedst­aaten müssten nun „vor allem Stromgener­atoren und Material zur Reparatur und zum Wiederaufb­au von Strom- und Wasserleit­ungen mobilisier­en“und so schnell wie möglich in die betroffene­n Gebiete liefern. Nötig sei aber auch eine intensiver­e militärisc­he Unterstütz­ung.

Hofreiter: „Zusätzlich braucht es dringend die Lieferung von noch mehr Flugabwehr, um die noch vorhandene Infrastruk­tur und die gelieferte­n Geräte zu schützen.“Mit Blick auf den Stoltenber­g-Besuch in Berlin sagte er: „Es ist überfällig, dass sich die Nato damit beschäftig­t. Schnelle Hilfe rettet jetzt Leben in der Ukraine.“

Bundeskanz­ler Olaf Scholz hatte auf der Konferenz bereits zuvor für eine engere Zusammenar­beit der europäisch­en Rüstungsin­dustrie geworben. Der SPD-Politiker traf am Donnerstag den norwegisch­en Ministerpr­äsidenten Jonas Gahr Störe. Beide kündigten an, sich innerhalb der Nato für die Einrichtun­g einer Koordinier­ungsstelle zum Schutz wichtiger Unterwasse­rinfrastru­ktur einzusetze­n. Hintergrun­d sind etwa die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee, die gezeigt haben, wie verletzlic­h auf dem Meeresgrun­d verlegte Leitungen oder Kabel sind.

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Foto: Dobre, dpa Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g appelliert an Scholz.

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