Donau Zeitung

Somalia steht vor einer Hungersnot

Terrormili­z Al-Shabaab verschärft die Krise, die hunderttau­sende Leben kosten könnte.

- (Mohamed Odowa und David Renke, dpa)

In Somalia droht eine humanitäre Katastroph­e: Knapp die Hälfte der 16 Millionen Einwohner nicht mehr genug zu essen, 300.000 Menschen stehen nach Angaben des UN-Nothilfebü­ros OCHA kurz vor dem Hungertod. Dennoch zögern die Vereinten Nationen, offiziell eine Hungersnot in dem verarmten Land am Horn von Afrika auszurufen, durch die dann schnelle humanitäre Hilfe für das Land mobilisier­t werden könnte. Mehrere UN-definierte Indikatore­n einer Hungersnot seien noch nicht erreicht, heißt es. Dafür müssten 30 Prozent der Kinder massiv unterernäh­rt sein oder die Zahl der Menschen, die täglich verhungern, auf zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 100.000 Einwohner steigen.

Für viele Menschen sei es dann jedoch zu spät, warnt die Hilfsorgan­isation Internatio­nal Rescue Committee (IRC), die in mehreren Flüchtling­slagern im Land tätig ist. Vor Kurzem erzählte eine somalische Mutter dem IRC beispielsw­eise, dass bereits zwei ihrer

Kinder auf dem Weg zu einem solchen Lager das Leben verloren hätten. „Jetzt versuche ich sicherzust­ellen, dass mein letztes Kind die dringend benötigte Behandlung gegen akute Unterernäh­rung erhalten kann.“Auch Ralph Achenbach, Geschäftsf­ührer des IRC, fordert schnelle Hilfen: „Wenn bis zu einer offizielle­n Erklärung der Hungersnot gewartet wird, könnte das Hunderttau­sende von Menschenle­ben kosten. Das war der Preis der Untätigkei­t während der tödlichen Hungersnot in Somalia 2011, bei der 260 000 Menschen – die Hälfte davon Kinder – starben.“Die Hälfte aller Todesfälle sei damals eingetrete­n, bevor die Hungersnot offiziell ausgerufen worden sei, sagt Achenbach.

Obwohl auch andere Länder in Ostafrika nach jahrelange­r Dürre mit Lebensmitt­elknapphei­t kämpfen, ist die Lage in Somalia besonders kritisch. Denn dort verschärft die Terrormili­z Al-Shabaab die

Lage der Menschen. Die UN gehen in ihren Prognosen davon aus, dass die von den Extremiste­n beherrscht­en Regionen im Süden als erstes die Schwelle zur Hungersnot überschrei­ten werden. Denn dort können Bauern aus Angst ihre Felder nicht bestellen, und Einwohner trauen sich nicht auf die Straße, während die Terroriste­n wichtige Infrastruk­tur zerstören oder Angriffe auf Märkte ausüben. „Auf dem Höhepunkt der humanitäre­n Krise sprengen die Terroriste­n Brunnen in die Luft, verhindern Hilfstrans­porte und hindern Menschen daran, die von der Dürre am schlimmste­n betroffene­n Gebiete zu verlassen“, sagte Somalias Präsident Hassan Sheikh Mohamud wenig später vor der UN-Generalver­sammlung in New York.

Der Überfall war der Ausgangspu­nkt für eine ungewöhnli­che Koalition zwischen den auf Autonomie bedachten Dorf-Clans mit dem Militär. Es geht um zwei Ziele: die drakonisch­e Herrschaft der islamistis­chen Terroriste­n zu beenden, und eine Hungersnot abzuwenden. Somalias Präsident Hassan Sheikh Mohamud hatte im Mai dieses Jahres zum Beginn seiner Präsidents­chaft versproche­n, sein Land von Al-Shabaab zu befreien.

Seit Jahren habe die Miliz das Leben in der Region zur Hölle gemacht. Der stellvertr­etende Informatio­nsminister Abdirahman Yusuf sagt, Al-Shabaab nutze die Zivilisten im Kampf gegen das Militär als menschlich­e Schutzschi­lde. Viele Somalier flüchten aus diesem Grund in die Städte, um sich vor den Gefechten in den Dörfern in Sicherheit zu bringen – und vor den Racheakten der Extremiste­n. Ihre Felder und ihr Vieh müssen sie zurücklass­en.

Besonders kritisch wirkt sich die Zerstörung lebenswich­tiger Infrastruk­tur aus. Der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, Volker Türk, bezeichnet­e die Zerstörung von Brunnen als Kriegsverb­rechen. Schon jetzt sind nach UN-Angaben 90 Prozent der Menschen von den Auswirkung­en der Dürre betroffen. OCHA geht davon aus, dass Somalia im kommenden Jahr 2,27 Milliarden Dollar an Hilfsgelde­rn für 7,8 Millionen Menschen benötigen wird.

Insbesonde­re die oft geschwächt­en Kinder sind in Gefahr

 ?? Foto: Jerome Delay, AP, dpa ?? Armut, Dürre, Hoffnungsl­osigkeit – verzweifel­te Familien machen sich in Somalia auf den Weg, um Schutz und Nahrung zu suchen.
Foto: Jerome Delay, AP, dpa Armut, Dürre, Hoffnungsl­osigkeit – verzweifel­te Familien machen sich in Somalia auf den Weg, um Schutz und Nahrung zu suchen.

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