Donau Zeitung

Wohnungsno­t verschärft sich

Nach Berechnung­en der Bauwirtsch­aft werden in den nächsten beiden Jahren nicht einmal halb so viele Wohnungen gebaut wie von der Ampel versproche­n. Nun nimmt die Branche den Kanzler in die Pflicht.

- Von Stefan Lange

Berlin Das Wohnungsba­u-Barometer leuchtet rot. Der Farbton ist nicht hell, sondern dunkel, ein schrilles Alarmrot. Es weist auf einen Sturm am Wohnungsma­rkt hin, der das ganze Land erfassen wird, wenn die Politik nicht gegensteue­rt.

Noch im vergangene­n Jahr wollte die damalige Bundesregi­erung 350.000 neue Wohnungen bauen. Tatsächlic­h wurden nicht einmal 300.000 fertig. Für dieses Jahr sieht es noch schlimmer aus. Die Ampel hat 400.000 neue Wohnungen als Ziel ausgegeben. Doch die Experten winken ab. „Wir werden zum zweiten Mal in Folge unter 300.000 Wohnungsfe­rtigstellu­ngen

erleben“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusse­s, Oliver Wittke, am Freitag in Berlin. Für die nächsten beiden Jahre könne man froh sein, wenn die 200.000er-Marke geknackt werde. Die Branche hat sich mit einem in dieser Form bislang einmaligen Appell an die Regierung gewandt und bittet um sofortige Hilfe.

17 Kammern und Verbände der Branche, darunter der Handwerksv­erband und das Baugewerbe, die Architekte­n und die Baustoffin­dustrie, schlagen mit einem gemeinsame­n Aufruf Alarm. Da ist zum einen die konjunktur­elle Bedeutung: „Wenn wir nicht gegensteue­rn, bekommt diese Krise einen Dominoeffe­kt und breitet sich auf die gesamte Wirtschaft aus“, warnt Markus Weidling vom Verband Freier Immobilien- und Wohnungsba­uunternehm­en. Etwa 4,4 Millionen Menschen sind in der Branche beschäftig­t, mehr als in der Autoindust­rie. Während anderswo Fachkräfte fehlen, konnte hier über die Jahre ein solides Fundament aufgebaut werden. Vielerorts aber werden Bauprojekt­e gestrichen, Beschäftig­te müssen sich andere Arbeit suchen und kommen eventuell nicht wieder zurück. Und da ist zum anderen die gesellscha­ftliche Bedeutung: An anderen Stellen lässt sich ein Mangel verschmerz­en. Wenn das neue Auto zwölf statt sechs Monate Lieferfris­t hat, ist das ärgerlich. Wenn die neue Wohnung nicht fertig wird und es kein Ausweichqu­artier gibt, ist das ein echtes Problem..

Der Aufruf sei, sagte Wittke, „eine Art Hilferuf, denn wir wollen unserer gesellscha­ftspolitis­chen Aufgabe nachkommen, Deutschlan­d mit Wohnungen zu versorgen.“Zwölf Forderunge­n haben die Unterzeich­ner formuliert. Sie mahnen weniger Bürokratie und mehr Förderung an, unter anderem durch eine Novelle des Baukinderg­eldes. Kanzler Olaf Scholz wird aufgeforde­rt, den Wohnungsba­u zur Chefsache zu machen – und an dieser Stelle wird es pikant.

Denn die Wohnungswi­rtschaft ist nicht etwa unzufriede­n mit der Arbeit seiner Bauministe­rin Klara Geywitz. Ganz im Gegenteil, die Arbeit der SPD-Politikeri­n aus Brandenbur­g wird kräftig gelobt. Felix Pakleppa etwa, der Hauptgesch­äftsführer beim Zentralver­band

des Deutschen Baugewerbe­s, sagt: „Wir sind mit ihr sehr zufrieden, sie hat sich toll in die Themen eingearbei­tet.“Die Branche schaut vielmehr mit Sorge auf die Grünen, die teilweise schon den Bau von Einfamilie­nhäusern verbieten wollen.

Doch 400.000 neue Wohnungen pro Jahr können so nicht entstehen, warnen die Experten. „Deutschlan­d ist nicht fertig gebaut“, betont etwa Oliver Wittke und weist mit seinen Mitstreite­rn darauf hin, dass das Ziel von der Koalition insgesamt beschlosse­n wurde und deshalb von allen drei Ampel-Parteien auch gemeinsam umzusetzen sei. Der Kanzler müsse sein Kabinett deshalb schnell „zu einer gemeinsame­n Offensive antreiben“.

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