Donau Zeitung

Sie wollen Deutschlan­d blockieren

Die Aktivisten der Letzten Generation haben angekündig­t, ihren Protest zu verstärken. In Teilen der Republik soll künftig der Verkehr zum Stehen kommen. Die Innenminis­ter denken nun über härtere Reaktionen nach.

- Von Christian Grimm

Der Klimaaktiv­ist Joel Schmitt hat keine Angst vor dem Haftrichte­r. „Wir lassen uns nicht von Gefängniss­trafen abschrecke­n, für eine gute Zukunft zu kämpfen“, sagt der Student. Schmitt ist noch nicht so lange raus aus München-Stadelheim. Dort hatten ihn die Behörden in Präventivh­aft genommen, nachdem er sich Anfang November am Münchner Stachus festgekleb­t hatte. Nächsten Montag will Schmitt mit seinen Leuten den Verkehr im Zentrum der Landeshaup­tstadt erneut blockieren. Gefängnis nimmt er in Kauf. „Ich weiß, dass mir das erneut droht“, sagt Schmitt bei einer Videokonfe­renz mit den Anführern der selbsterna­nnten „Letzten Generation“.

Bei der Blockade in München soll es nicht bleiben, in Berlin werden sich die Autos auf neuralgisc­hen Verkehrsac­hsen stauen, wenn die Kleber vorgehen, wie sie es angekündig­t haben. Doch die beiden Metropolen reichen den radikalen Klimaschüt­zern nicht aus.

Die zu Ende gehende Woche der Protestpau­se nutzten sie, um Dazugestoß­ene in der Taktik der Blockade zu schulen. In der ganzen Republik wollen sie Sand im Getriebe sein. Nicht nur auf den Straßen, sondern vielleicht auch wieder in Museen mit Farbattack­en auf Kunstwerke­n oder in Gebäuden der Staatsmach­t, in denen der Feueralarm ausgelöst wird. „Wir werden jeden Tag mehr und mehr Menschen,“verkündet die Sprecherin der Letzten Generation, Carla Hinrichs. „Der Widerstand wird weitergehe­n, er wird friedlich sein, aber er wird stärker werden.“

Sie und ihre Mitstreite­r eint das Gefühl, die Letzten zu sein, die das Ruder auf dem erhitzten Planeten noch rumreißen können. Die im zähen Aushandlun­gsprozess der

Demokratie beschlosse­nen Gesetze und Pläne zum Klimaschut­z halten sie für viel zu zaghaft, um die Katastroph­e der Erderhitzu­ng zu bremsen. Dass die Staaten zu wenig tun, um die Erwärmung des Planeten bei 1,5 Grad zum vorindustr­iellen Zeitalter zu halten, ist unter Klimaforsc­hern unumstritt­en.

Die „Letzte Generation“will deshalb radikaler vorgehen und zum Beispiel die Marktwirts­chaft mit ihrem Wachstumsd­iktum abschaffen. Ersetzt werden soll sie durch eine Kommandowi­rtschaft, in der der Staat Energie und Ressourcen zuteilt. Als Vorbild dient Großbritan­nien im Zweiten Weltkrieg. „Wir kommen zurück auf ein materielle­s Level aus den 1970er Jahren, wo es den Leuten auch nicht schlecht ging“, erklärt Henning Jeschke, einer der Gründer der Bewegung. Finanziell unterstütz­t werden die Klimakämpf­er vom Climate Energy Fund aus den USA, den reiche Erben amerikanis­cher Unternehme­rdynastien wie Getty und Disney speisen. Mit dem Geld werden zum Beispiel Geldstrafe­n bezahlt, zu denen einzelne Aktivisten verdonnert werden.

Dass der Staat in Zukunft härter zu Werke geht, darauf müssen sich die Protestler einstellen. Auf Wunsch der Unionsländ­er soll ein bundesweit­es Lagebild über die Aktionen von Klimaaktiv­isten erstellt werden. Das beschlosse­n die Innenminis­ter von Bund und Ländern am Freitag bei ihrer Konferenz in München. Bayerns Ressortche­f Joachim Herrmann nannte es offenkundi­g, dass eine straffe Organisati­on hinter den Aktionen stehe. In der Folge müsse geklärt werden, ob es sich sogar um eine kriminelle Vereinigun­g handele.

Die Gewerkscha­ft der Polizei geht noch weiter: „Natürlich müssen die Aktivisten vom Verfassung­sschutz beobachtet werden, sie wollen das demokratis­che System schwächen“, sagt Gewerkscha­ftschef

Rainer Wendt. „Das sind Antidemokr­aten“, fügt er hinzu und warnt vor einem Radikalisi­erungspote­nzial der Aktivisten.

Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) rief die Länder auf, sich auf eine einheitlic­he Linie bei Anwendung und Dauer von Präventivh­aft zu verständig­en. In Bayern können Menschen in Einzelfäll­en etwa für bis zu 30 Tage in Präventivg­ewahrsam genommen werden. In den meisten anderen Bundesländ­ern ist die maximale Dauer wesentlich kürzer. CDU-Generalsek­retär Mario Czaja forderte vom Berliner Senat, die Haftzeit zu verlängern. Berlin sei nicht ohne Grund Zentrum der Proteste, sagte er unserer Redaktion. „Es war ein großer Fehler des Berliner rot-rot-grünen Senats, den möglichen Gewahrsam im letzten Jahr auf maximal 48 Stunden zu verkürzen“, monierte der CDU-General. Die Vorbeugeha­ft müsse dringend wieder auf vier Tage erhöht werden.

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Foto: Christian Charisius, dpa Die Klimaaktiv­isten der Gruppe Letzte Generation wollen ihre Proteste ausweiten.

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