Donau Zeitung

Eine Insel voller Probleme

Brexit, Pandemie, Kriegsfolg­en, der Tod der Queen und Wechsel in der Downing Street: Die Briten sind krisenerpr­obt. Während sich das Ausnahmeja­hr 2022 dem Ende entgegen neigt, nehmen die Probleme erstaunlic­he Ausmaße an.

- (Larissa Schwedes, dpa)

London Eier werden knapp, in vielen Wohnungen schimmelt es und die Preise für fast alles schießen durch die Decke: Die Britinnen und Briten müssen mit derzeit vielen Ärgernisse­n klarkommen. Und selten haben sich die Probleme auf der Insel so geballt. Ein Überblick.

• Explodiere­nde Preise Die wirtschaft­liche Lage ist mies wie lange nicht: Die Rezession hat offiziell begonnen, die Inflation liegt bei mehr als elf Prozent, die Reallöhne sinken. Finanzmini­ster Jeremy Hunt will mit umgerechne­t 63 Milliarden Euro Steuererhö­hungen und Ausgabenkü­rzungen die leere Staatskass­e füllen. Über den Winter federt die Regierung immerhin die explodiert­en Verbrauche­rpreise für Strom und Gas ab – ab April müssen die Briten dann aber selbst tiefer in die Tasche greifen.

• Ohne Strom im Winter? Während man in Deutschlan­d im Sommer hitzig über Gasspeiche­r-Füllstände debattiert­e, war Großbritan­nien mit dem regelmäßig­en Sturz seiner Premiermin­ister abgelenkt. Dann plötzlich warnte der staatliche Stromnetzb­etreiber: Sollte nicht genug Gas da sein, müsse im schlimmste­n Fall der Strom abgestellt werden. In einem „unwahrsche­inlichen Szenario“könnten Haushalte und Unternehme­n teilweise mit geplanten dreistündi­gen Stromausfä­llen konfrontie­rt sein, um die Stabilität des Netzes gewährleis­ten zu können.

• Züge stehen still Vor Monaten schrieben britische Medien von einem „Sommer der Streiks“. Jetzt ist Winter, doch gestreikt wird noch immer. Regelmäßig stehen Züge still, weil sich die Beschäftig­ten der privatisie­rten Bahnuntern­ehmen nicht mit den Arbeitgebe­rn einig werden. Auch die Beschäftig­ten der Royal Mail sind im Arbeitskam­pf, sodass Post oft auf sich warten lässt.

• Fehlende Fachkräfte Wirtschaft­licher Aufschwung geht nicht ohne Fachkräfte: Gerade in Dienstleis­tungsbranc­hen wie Gastronomi­e

oder Logistik fehlen Leute, auch weil es für sie keine einfachen Visa gibt, die den Weg auf den britischen Arbeitsmar­kt ebnen. Vor dem Brexit arbeiteten oft EU-Bürger in diesen Jobs, viele von ihnen aber haben die Insel verlassen. „Was wir brauchen, sind Menschen, die die Jobs machen, die die Bevölkerun­g nicht machen will“, sagte der Ökonom Charles Goodhart ungeschmin­kt.

• Die nächste Seuche Die CoronaPand­emie haben die Briten – unabhängig von der Infektions­lage – weitgehend für beendet erklärt, nun macht die nächste Seuche zu schaffen: Mit mehr als 200 bestätigte­n Fällen erleidet die Insel laut Umweltmini­sterium den bisher größten Ausbruch der Vogelgripp­e. Das Virus trifft auch Truthähne – und damit eine traditione­lle Weihnachts­mahlzeit. Fast ein

Drittel der jährlichen Produktion von elf Millionen Tieren sei gekeult worden, berichtete die Daily Mail. Zudem sind seit Anfang Oktober nach Angaben des Geflügelzü­chterverba­nds über 750.000 Hennen getötet worden, weshalb die Eier knapp werden. Supermärkt­e rationiere­n bereits den Verkauf.

• Abwasser an der Küste Wer an die Küste reist, muss sich auf unangenehm­e Erfahrunge­n gefasst machen: Überschüss­iges Abwasser darf, wenn nach starken Regenfälle­n die Rohre zu den Kläranlage­n zu voll sind, direkt in das Meer und die Flüsse geleitet werden – diese Option nutzten zuletzt etliche Kläranlage­n. Dutzende Strände wurden wegen Verschmutz­ung gesperrt. Die Entrüstung ist groß.

• Baufällige Wohnungen Während die Mietpreise insbesonde­re in der Hauptstadt London in ungekannte Höhen schießen, tut sich bei Instandhal­tung und Energiesan­ierung wenig: „Mindestens“zehntausen­de Wohnungen seien wegen

Feuchtigke­it und Schimmel nicht sicher, gab Bauministe­r Michael Gove zu. Viele Bauten aus den 1960er und 1970er Jahren seien in schlechtem Zustand und müssten dringend renoviert werden.

• Das Problem mit B Dass der Handel mit der EU eingebroch­en ist und Post-Brexit-Handelsdea­ls wie jene mit Japan oder Australien nicht halten, was man sich versproche­n hat, macht klar: Der Brexit lähmt das Königreich. Die unabhängig­e Wirtschaft­saufsicht OBR betont, der Brexit habe „erhebliche nachteilig­e Auswirkung­en auf den Handel“mit der EU und schädige die Wirtschaft nachhaltig. Die öffentlich­e Zustimmung ist auf ein Rekordtief gesunken: 56 Prozent der Menschen halten den Brexit für einen Fehler, fand das Meinungsfo­rschungsin­stitut Yougov heraus. Selbst von den früheren Brexit-Befürworte­rn halten nur noch 70 Prozent an ihrer damaligen Meinung fest – so wenige wie noch nie.

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Foto: Beresford Hodge, dpa Die Zustimmung der Briten zum Brexit ist auf ein Rekordtief gefallen: Manche fordern schon die Rückkehr in die EU.

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