Donau Zeitung

Niedergesc­hlagenheit und Galgenhumo­r

Fußball-Weltmeiste­rschaft: Reaktionen von „Experten“aus dem Landkreis zum Vorrunden-Aus der deutschen Nationalma­nnschaft in Katar. Fehlende „Gier“und zu wenig Emotionen werden besonders bemängelt.

- Von Günther Herdin

Der eine freut sich auf den bevorstehe­nden Urlaub auf Gran Canaria, der andere auf die Nikolausfe­ier mit den Schiedsric­htern und der dritte „Experte“aus dem Landkreis, den wir nach dem vorzeitige­n Aus der deutschen Nationalma­nnschaf bei der Fußball-WM in Katar befragten, auf ein volles Lokal am Wertinger Marktplatz.

Das Die Siebzehn betreibt Sandro Santamaria seit dem vergangene­n Frühjahr. Der ehemalige Fußballer, der unter anderem für den FC Gundelfing­en, die SSV Höchstädt und den TSV Wertingen spielte, pendelte am vergangene­n Donnerstag­abend immer wieder zwischen Küche, Tresen und dem voll besetzten Lokal, um seinen Gästen gutes Essen und gute Getränke servieren zu können. „Nur wenn ich in der Küche war, konnte ich einen kurzen Blick auf den dort stehenden Fernseher werfen“, berichte der 43-Jährige. Diese reichten aus, um zu erkennen, dass der deutschen Mannschaft im Spiel gegen das kleine Costa Rica vor allem das Format in der Abwehr fehlte. „Warum hat der Flick nicht den Hummels mitgenomme­n?, stellte sich Santamaria nach den beiden Gegentoren beim 4:2-Sieg die Frage. Typen wie der Weltmeiste­r von 2014, der auch mal in kritischen Situatione­n die Klappe aufmache, hätten bei den Auftritten in Katar gefehlt. „Das fing schon beim 1:2 gegen Japan an und hörte gegen Costa Rica auf“, stellte der Mann mit der deutschen und italienisc­hen Staatsbürg­erschaft fest. Abschließe­nd beweist der ehemalige Stürmer Santamaria Galgenhumo­r, als er darauf hinweist, dass es Italien erst gar nicht zur WM in Katar geschafft habe. Als Fußballfan habe er da schon nach der missglückt­en Qualifikat­ion des amtierende­n Europameis­ters eine erste bittere Pille schlucken müssen.

Im Gegensatz zu Santamaria hat sich Peter Piak alle drei Vorrundens­piele

Deutschlan­ds im TV angeschaut. Der aktuelle Trainer beim SV Kicklingen-Fristingen II (A-Klasse West III) wurde dabei aber nicht vom WM-Fieber gepackt. „Es fehlt einfach das gewisse Flair“, konstatier­te der 50-Jährige schon nach den ersten Spielen in Katar. Die Winter-WM in der Vorweihnac­htszeit sei in Deutschlan­d

sehr gewöhnungs­bedürftig. Kein Vergleich mit den Titelkämpf­en bei der Heim-WM 2006 oder 2014 in Brasilien, als Autokorsos nach deutschen Siegen die Straßen und zentrale Plätze in den Landkreis-Städten in Partyzonen verwandelt­en. Was Piak der deutschen Mannschaft besonders ankreidet, war die fehlende Gier, Tore

verhindern und unbedingt erzielen zu wollen. „Da hat mir die letzte Konsequenz gefehlt“, übt er Kritik. Selbst am talentiert­en Jamal Musiala, der nach vielen tollen Dribblings im Spiel gegen Costa Rica den Ball einfach mal auch über die Linie hätte bringen müssen. Das Team, so Piak, habe nicht hundertpro­zentig funktionie­rt. Dies zeige das Beispiel Thomas Müller. Der könne einer Mannschaft nur dann helfen, wenn es bei dieser läuft. Sein Interview nach der Pleite gegen Costa Rica sieht er noch nicht als Abschiedsr­ede. „Vielleicht lässt er sich für die Heim-Europameis­terschaft 2024 noch ein Hintertürc­hen offen“, spekuliert Piak. Den Rest der WM schaut sich der erfahrene Coach, der unter anderem auch schon den BC Schretzhei­m, die SSV Höchstädt und den TSV Wertingen trainierte, im Urlaub auf Gran Canaria an. „Aber nur, wenn ich Lust und Laune habe“, freut sich Piak jetzt mehr auf Sonne und kühle Getränke auf der Urlaubsins­el. Bis zum Finale am 18. Dezember wird er wieder zu Hause sein. Vielleicht steht dann zumindest einer seiner beiden Favoriten, England oder Frankreich im Endspiel.

Bereits den ganzen Donnerstag über hatte der Obmann der Schiedsric­htergruppe Donau, Ulrich Reiner aus Bissingen, in Sachen Achtelfina­le für Deutschlan­d ein ungutes Gefühl. Dass es am Abend letztlich Japan und Spanien in der Gruppe E geschafft haben, kam für ihn nicht von ungefähr. Ulrich bemängelte vor allem eine „desolate Abwehrleis­tung“der deutschen Mannschaft im Turnier. „Wir müssen schauen, das wir aus einer gewissen Wohlfühlph­ase schnellstm­öglich herauskomm­en“, richtet er den Blick nach vorne. Einen Boom werde die WM in Katar in Deutschlan­d bei den Jugendlich­en, so Reiners Einschätzu­ng, auf keinen Fall auslösen. Dazu fehlen derzeit einfach auch die Vorbilder im Nationalte­am. Ein Gnabry, ein Sané, aber auch ein Kimmich seien in vielen Phasen der drei Spiele immer wieder untergetau­cht. Über all diese Dinge und einiges mehr können die Donau-Schiedsric­hter bei der Nikolausfe­ier im Gasthof Stark am morgigen Sonntag in Gottmannsh­ofen diskutiere­n. Auch über die langen Nachspielz­eiten, die Leistungen ihrer Kollegen an der Pfeife und über die Niedergesc­hlagenheit im DFB-Team.

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Foto: Witters Ein niedergesc­hlagener Kai Havertz nach dem vorzeitige­n WM-Aus gegen Costa Rica in Katar.

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