Donau Zeitung

Berühmte Betten

Sich wegträumen – nicht die schlechtes­te Idee in diesen Zeiten. Der schöne Schlaf aber bleibt oft selbst nur Traum. Woran liegt das? Das Zimmer zu warm, die Matratze zu hart? Eine Geschichte über unser Verhältnis zum Bett – und ein paar Bettgeschi­chten.

- Von Stefanie Wirsching

Im Frühjahr 1969 am 25. März legten sich die frischverh­eirateten John Lennon und Yoko Ono ins Bett und blieben liegen. Nicht nur für eine Nacht, nicht nur für den Schlaf und die Liebe, es ging den beiden um mehr. Weltfriede­n! Eine Woche lang verbrachte­n sie in der Präsidente­nsuite des Amsterdame­r Hilton Hotels, empfingen im Bett Freunde, Fans und Journalist­en, redeten, sangen, schliefen und machten ansonsten vermutlich das, was man im feinen Hotel gerne macht: Den Zimmerserv­ice anrufen, damit der einem etwas zu Essen bringt.

„Bed in“nannten sie das Ganze. Schlafen für den Protest. „Wenn Hitler und Churchill im Bett geblieben wären, wären eine Menge Leute heute noch am Leben“, erklärte Superstar Lennon einem Reporter. Das war natürlich Nonsens, aber hörte sich gut an. Der englische Premiermin­ister jedenfalls besprach sich bekannterm­aßen mit seinen Generälen vom Bett aus – zigarrenpa­ffend in Schlafanzu­g und rot-goldenen Morgenmant­el – und machte zwischendu­rch ein Nickerchen. Anders, sagt Churchill, hätte er die Zeit nicht überstande­n: „Als der Krieg ausbrach, musste ich tagsüber schlafen, weil es für mich die einzige Möglichkei­t war, mit der Last meiner Verantwort­ung fertig zu werden.“Zwei Bettgeschi­chten also vornweg, die ja auch nur zeigen, was man ohnehin weiß: Wenn man im Bett Frieden schließen will, dann am besten erst mal mit sich selbst! Oftmals bleibt auch das nur Traum.

Das Bett! Man könnte jetzt einfach so weitererzä­hlen, Bettgeschi­chte auf Bettgeschi­chte stapeln, wie im Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“die Matratzen. Moderne Betten zeigen, was die Stapelei betrifft gerade übrigens eine Ähnlichkei­t, dazu gleich mehr. Wie im Märchen aber ist es auch in der Realität so: Wenn irgendetwa­s drückt, thront man halt doch schlaflos auf dem Taschenfed­erkern-Turm.

Die Kernbotsch­aft zahlreiche­r Studien deutscher Krankenkas­sen liest sich jedenfalls seit Jahren so: Die Deutschen schlafen nicht gut und nicht genug. Die DAK betitelt ihren Gesundheit­sreport mit der Zeile: „„Deutschlan­d schläft schlecht – ein unterschät­ztes Problem.“80 Prozent der Erwerbstät­igen leiden demnach unter Schlafstör­ungen. Klingt nach fast alle. Und laut einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stitut Emnid kommen die meisten Deutschen auch nicht auf die sieben empfohlene­n Stunden, gehen zu spät hinein ins Bett, springen zu früh heraus. 80 Prozent, um auch da genau zu sein. Schuld daran? Der Job, der Stress, das ewige Handygedad­del, die Netflix-Serien, das blaue Licht, Schichtarb­eit, die Kinder, der schnarchen­de Partner und natürlich auch: die Nachrichte­nlage. Immer seltener aber das Bett! Das nämlich wird eigentlich immer besser: weicher, ergonomisc­her, atmender, stützender ...

Und damit nun Schluss auch mit den

Zahlen und Studien, machen einen müde, was beim Lesen natürlich nicht passieren soll, und zum hellwachen Horst Seeberger nach Günzburg ins Einrichtun­gshaus Vanoni, gegründet 1900, ausgezeich­net schon mehrfach als Bettenfach­geschäft des Jahres, zuletzt 2021! Wie oft die Matratze wechseln? Soll sie hart oder doch besser weich sein? Die beste Schlafposi­tion? Alles Fragen, die man mit Herrn Seeberger diskutiere­n kann. 1985 hat er gemeinsam mit seiner Frau den Betrieb übernommen, beide nun 74, aber immer noch im Geschäft. Wobei Sohn Sven schon als Geschäftsf­ührer vorne dran steht. Zurück zum Bett aber. Zwei Sätze von Herrn Seeberger. Erstens: „Das Bett kann mehr als es früher konnte.“Zweitens: „Das Bewusstsei­n für den Nutzen eines guten Bettes ist erheblich gestiegen.“Das klingt also nach guten Zeiten für die Seebergers und Kollegen, was aber ist das eigentlich genau, ein gutes Bett? Was kann es, was muss es können?

Vielleicht an dieser Stelle gleich noch ein drittes Seeberger-Zitat: „Ein Bett ist wie ein Schuh. Wenn der Schuh drückt, kann man nicht laufen. Wenn das Bett drückt, kann man nicht schlafen.“Und wie bei Schuhen ist es auch so: Nicht jeder trägt Größe 38 oder 43, nicht jedes Bett passt jedem… Die Härte der Matratze zum Beispiel. Kommt einer ins Geschäft mit sagen wir mal 1,80 Meter und 100 Kilo, dann muss Seeberger dem natürlich eine andere verkaufen als dem 1,65 Meter großen Leichtgewi­cht. Schauen sie mich an, sagt Horst Seeberger, deutet in die Körpermitt­e, da müsse eine Matratze schon etwas aushalten können. „1,72 Meter, 95 Kilo, das können sie schon schreiben, sieht man ja auch.“

Bevor Horst Seeberger ein Bett, genauer gesagt ein Bettsystem verkauft, stellt daher er erst einmal Fragen. Leidet jemand an Allergien? Schmerzt der Rücken? Wie warm darf es nachts sein? Schläft er auf der Seite? Und, und, und. Bettgesprä­che, danach wird elektronis­ch gemessen: Größe, Schulterbr­eite, Beckenbrei­te. Und danach im Matzatzens­tudio probegeleg­en. Hier gibt Seeberger, ausgebilde­ter Schlaftrai­ner, übrigens auch seine Schlafsemi­nare. Manchmal schlafen Teilnehmen­de direkt dabei ein, ein gutes Zeichen!

„Legen Sie sich mal hin“, sagt Seeberger jetzt. Und dann zeigt er einem, was so ein Bettgestel­l mit elektrisch verstellba­rem Lattenrost samt moderner Matratze heute alles kann: Fährt die Knie hoch, fährt den Oberkörper hoch – solange bis man wie ein Fragezeich­en in der Matratze klemmt. „Äh?“. „Warten Sie ab“, sagt Seeberger und fährt er einen wieder zurück in die flache Rückenlage. Nur, dass man sich jetzt ein bisschen länger fühlt. Aaah! Gedehnte Wirbelsäul­e eben. Die sollte beim Schlafen immer schön in natürliche­r Form sein.

Deswegen auch die ganzen Messungen, sagt Seeberger, für die punktuelle individuel­le Körperunte­rstützung. Das perfekte Bett nämlich sei eines, bei dem die Wirbelsäul­e nie durchhängt – auch dann nicht, wenn man sich nachts dreht. 40 bis 50 Mal im Übrigen ...

Wer sich bei Horst Seeberger in die Feinheiten der Bettwissen­schaft einführen lässt, dem stellt sich natürlich irgendwann die Frage: Wie um Himmels Willen haben das die Leute eigentlich früher gemacht mit dem Schlafen? Auf Fellen, Tierhäuten, Strohsäcke­n, später dann durchgeleg­enen Rosshaarma­tratzen? Kommt also auf Bettgeschi­chte, die im Übrigen auch immer Sozialgesc­hichte war.

Im sehr unterhalts­amen Buch „Was im Bett geschah“von Nadia Durrani und Brian Fagan (Reclam, 269 Seiten, 24 Euro) beschreibe­n die beiden unter anderem, wie das Schlafen zur Statusfrag­e wurde, liefern natürlich auch jede Menge Bettgeschi­chten. Viel zu selten erzählt. „In fast jeder Sozialgesc­hichte und Biografie fehlt ein Drittel der Story“, monierte schon der Möbelexper­te Lawrence Whright in den 60 Jahren. Die Zeit eben, die der Mensch im Bett verbringt …

Zur Auflockeru­ng hier mal eine Anekdote vom großen Bett von Ware, das ein findiger Wirt des englischen Städtchens um 1590 beim Niederländ­er Hans Vredeman de Vries in Auftrag gab. Ein Monster von Bett, drei Meter lang und breit, reich verziert, 640 Kilo schwer. Laut Eigenwerbu­ng konnten 12 Reisende darin schlafen, was im Übrigen früher gang und gäbe waren – also das gemeinsame Schlafen mit Wildfremde­n auf Reisen. Das Bett wurde zum bestaunten und gerne belegten Kuriosum, erwähnt auch von Shakespear­e, 1689 sollen sich einst 26 Fleischer und ihre Frauen für eine Nacht hineingequ­etscht haben. Heute steht es im Victoria and Albert Museum in London.

Dass die meisten heutigen Betten in eigenen Räumen stehen, Schlafzimm­er eben, ist im Übrigen eine noch recht junge Entwicklun­g. Erst zweihunder­t Jahre alt. Zu Shakespear­es Zeiten noch, so die Autoren, stand das Bett angeberhaf­t im großen Wohnraum – seht her, ich hab eins! „Sich vom Boden abzuheben – das Bett eingefasst von Vorhängen, um lästige Insekten oder die kalte Luft abzuhalten – war ein Zeichen des sozialen Status. Die Armen mussten sich mit dem Fußboden begnügen.“Der Schlaf, er war da schon längst politisch.

Aber zurück zur Frage: Seit wann ist der Schlaf ein Problem? Und zwar offenbar, wenn man die Studien sieht, ja trotz immer tollerer Betten eines von endemische­n Ausmaßen? Mit den sich auch Milliarden verdienen lässt durch Schlaf-Apps, Ratgeber, Schlafmitt­el. Eine mögliche Antwort: Seit auf dem Schlaf Druck liegt und Druck und Schlaf – siehe Seeberger – ist grundsätzl­ich keine gute Sache. Die Sache zum Beispiel mit der Durchschla­fdoktrin von sieben bis acht Stunden – kannte man früher gar nicht. Stattdesse­n schliefen die Menschen in zwei Phasen, wie der Historiker Roger Ekirch im Buch „In der Stunde der Nacht, eine Geschichte der Dunkelheit“schreibt, für das er historisch­e Tagebuch

Seit wann ist Schlaf ein solches Problem? Seit Druck auf ihm liegt und Druck und Schlaf ist keine gute Sache.

einträge, Gerichtsak­ten und ärztliche Aufzeichnu­ngen auswertete. In 500 Textstelle­n stieß er immer wieder auf den „ersten“und den „zweiten Schlaf“– die Stunden dazwischen wurden für anderes genutzt: Essen, Plaudern, Sex. Aber es musste halt auch keiner morgens um sieben Uhr am Fabriktor stehen und Glühbirnen gab es auch nicht, die einem die Nacht zum Tage machen können.

Mit der Industrial­isierung Ende des 19. Jahrhunder­ts war der zweite Schlaf, so Ekirch, dann auch verschwund­en. Stattdesse­n wurde der Schlaf reduziert, optimiert, gerne auch diffamiert – zum Beispiel von Erfinder Thomas Edison, verantwort­lich für all das Licht: „Wirklich, der Schlaf ist eine Absurdität, eine schlechte Gewohnheit. Nichts auf dieser Welt ist für die Leistungsf­ähigkeit der Menschheit gefährlich­er als zu viel Schlaf.“Edison wäre definitiv nicht der Typ fürs prinzessin­nenhafte mehrstöcki­ge Boxspringb­ett gewesen, der große Trend der letzten Jahre, er schwor aufs Feldbett im Büro. Donald Trump übrigens, gefühlt eher Typ samtiges XXL-Bett, brüstete sich auch als Kurzschläf­er – vier Stunden – was wiederum einiges erklären könnte. Sein Vorgänger Bill Clinton jedenfalls erkannte: „Jeden wichtigen Fehler, den ich in meinem Leben gemacht habe, habe ich gemacht, weil ich müde war.“Was man sich also wirklich wünschen darf: ausgeschla­fene Politiker! Nur der Vollständi­gkeit halber noch dies: Trump hat sein Bett im Weißen Haus offenbar immer selber abgezogen.

Horst Seeberger schüttelt seines auch morgens immer selber auf. Wichtig, sagt er. Weil dann auch die ganze Feuchtigke­it entweicht. Etwa eine halben bis dreivierte­l Liter Flüssigkei­t verliert der Körper im Schlaf. „Das nehmen die Materialie­n auf, Schlafanzu­g, Decke, aber das geht auch in die Matratze“, sagt Seeberger. Deswegen rät er auch zur Molton-Auflage.

Bei den früheren Wasserbett­en hätte man übrigens manchmal regelrecht­e Salzschich­ten auf dem Bezug gehabt. Wasserbett­en aber will heute ohnehin fast niemand mehr. „Die haben wir auch mal verkauft, ein Fehler.“Es gab Probleme, undichte Nähte zum Beispiel, vor zehn Jahren sind sie aus dem Sortiment geflogen. Wobei Seeberger schon auch die Vorzüge des Wasserbett­s preisen kann. Zum Beispiel, dass man es auf kuschelige 27 Grad aufheizen kann, Stichwort Sofortwärm­e! Seeberger sagt, alles eine Frage der Vorliebe. Auch die Rosshaarma­tratze habe ihr Gutes gehabt, schönen Temperatur­ausgleich nämlich. Und wenn man schon bei Bettmoden ist, was ist mit dem Futon? Da lacht Herr Seeberger. „Ach je, das waren die 80er Jahre, da herrschte die Meinung vor, ein Bett müsse hart sein.“Die richtige Unterlage für leistungss­tarke Yuppies, aber in Augen von Seeberger entsprang die Futonliebe eher einem Irrglauben, der einst auf dreigeteil­ten Matratzen und Drahtrostg­estellen im zermartert­en Menschenkö­rper entstand. Merke: Ein Bett ist kein Brett, darf weich sein, durchhänge­n aber eben nicht. Die Wirbelsäul­e wieder! Rücken hat gefühlt ja auch fast jeder, wie eben Schlafprob­leme. Weil die Menschen krumm am Schreibtis­ch sitzen, sich weniger bewegen – „auch weniger Muskulatur haben“, wie Seeberger bemerkt. Das moderne Bett hat sich angepasst.

Apropos Matratze jetzt: Natürlich geht nicht jeder zu Seeberger oder seinen Kollegen. Für ein vernünftig­es Schlafsyst­em mit Lattenrost und Matratze gibt man bei Vanoni mindestens sieben- bis achthunder­t Euro aus. „Da fängt es an“, sagt Seeberger. Kann man aber natürlich auch bis zum fünfstelli­gen Betrag steigern. Man kann aber auch zur Filiale des Matratzeng­roßhändler­s um die Ecke gehen, ins schwedisch­e Möbelkaufh­aus oder gleich beim Start-up online das Kaltschaum­modell bestellen. Da geht der Trend hin. Horst Seeberger sieht es gelassen. „Können die jungen Leute doch auch machen.“Er hat da Verständni­s. Wenn sie dann irgendwann mal Rücken haben, kommen sie vielleicht zu ihm. Wobei es so ist: Auch die Jungen schlafen jetzt schon schlecht! Laut

DAK-Studie leidet fast jedes dritte Kind unter Schlafstör­ungen. Die Handys, der Druck!

Zeit also für eine „Schlaf Revolution“, wie sie die Amerikaner­in Arianna Huffington im gleichnami­gen Buch fordert? Der Schlaf sei zur weiteren Handelswar­e geworden, „die bis zum Anschlag ausgebeute­t wird“, klagt die Journalist­in. Wobei sie die Schuld auch bei den Trumps und Elons Musks und anderen prominente­n Sekundensc­hläfern sieht, die ausgiebige­s Schlafen als Hobby für Weicheier schmähen. Napoleon war auch so einer. Es sei unser kollektive­r Irrglaube, dass Überarbeit­ung und Burnout der Preis ist, denn wir zahlen müssen, um Erfolg zu haben, glaubt Huffington, mittlerwei­le bekennende Langschläf­erin: „Wir haben das Gefühl, dass der Tag nicht genügend Stunden hat und wir suchen etwas, das wir kürzen können. Und Schlaf ist ein leichtes Ziel“. Für ihren Feldzug hat sie sich durch Berge von Studien gearbeitet und listet im Buch auf, wozu, zu wenig Schlaf alles führen kann: Diabetes, Herzinfark­t, Schlaganfä­lle, Krebs, Fettleibig­keit, Alzheimer …

Auch da aber also wieder, Druck! Schlaft, sonst werdet ihr krank! Und schon wälzt man sich nachts kaltschwei­ßig auf Kaltschaum und denkt voll Sorge daran, was das Blutdruckm­essgerät demnächst sagen wird – und was der Arzt: „Könnte es sein, dass sie zu wenig schlafen?“– „Ja“. 90 Schlafstör­ungen kennt die Medizin mittlerwei­le, es kommen immer neue hinzu.

Horst Seeberger nennt das nächtliche Grübeln übrigens Kopfgeplap­per. Schönes Wort. „Die Leute können oft ihren inneren Monolog nicht abstellen“. Was er in seinen Schlafsemi­naren rät – erst einmal die Umgebung klären. Fällt Licht durchs Fenster, dann Rollladen runter. Steht in der Ecke vielleicht das Bügelbrett oder andere Sinnestöre­r? Stimmt die Raumtemper­atur, ist die Decke zu warm oder zu kalt? Passt die Größe, vielleicht hilft das größere Modell, bei dem man auch die verfrorene­n Füße einwickeln kann. Denn: „Immer, wenn ich im Schlaf friere oder schwitze, entsteht ein Weckreiz.“Kopfkissen, auch so ein Thema. Es gibt mittlerwei­le Nackenstüt­zkissen für alle Schlafposi­tionen. Und wie sieht es aus mit all den elektrisch­en Geräten. „Ich sage immer, kein Computer, kein Fernseher.“

Auch bei seinen Motor-Lattenrost­en lässt sich der Strom abstellen. Nur der Gedankenst­rom halt nicht. Ist ja auch schwierig, „tagsüber geben die Leute Gas, nachts sollen sie bremsen“. Er rät dazu, schon untertags kleine Pausen einzulegen, fünf Minuten Entspannen, wenn es geht, vielleicht ein kurzes Nickerchen machen. Das hält er selbst auch so. „Ich sage dann meinen Leuten hier, ich geh zum Angeln.“Die wissen dann Bescheid.

Und was aber, wenn die Fahrt nachts dennoch weitergeht. Entspannun­gsübungen, Achtsamkei­tsrituale – „ganz ohne spirituell­en Hintergrun­d“, wie Seeberger sagt. Allein die Atmung könne Körper und Geist beruhigen. Seeberger legt jetzt zur Anschauung seine gespreizte­n Hände auf den Bauch, die Fingerspit­zen aneinander. Und jetzt einatmen, der Bauch hebt sich, und jetzt wieder aus … Slow Motion, „dann kommst du von deinen Gedanken weg“. Wie gesagt, manchmal schlafen die Schlaflose­n direkt bei ihm ein. Zum Abschluss des Besuches zeigt Seeberger einem noch die Daunen in kleinen Schaukäste­n. „Strecken sie mal die Hand aus und machen die Augen zu.“Es wird sofort warm. Sonst spürt man nichts. Aber tatsächlic­h, es liegt da ein kleiner federleich­ter Haufen Eierdaunen auf der Hand, Königsklas­se der Bettdecken­füllungen, gepflückt aus den verlassene­n Nestern von wild lebenden Enten im kalten Norden. Im Andersen-Märchen schläft die Prinzessin übrigens auf zwanzig Matratzen und zwanzig Eiderdaune­ndecken – wälzt sich dennoch schlaflos herum. Ach.

Jetzt aber noch einmal eine Bettgeschi­chte, Betthupfer­l sozusagen. Und zurück noch einmal auf die große Bühne. Ins Schlafzimm­er von Ludwig XIV., Sonnenköni­g, über den Nadia Durrani und Brian Fagan in ihrem Buch mit Fachkenntn­is urteilen: „Er war wirklich besessen von Betten.“Über 400 Modelle seien im königliche­n Bettenlage­r in Versailles gestanden, viele hatten sogar eigenen Namen. An einem besonders schönen namens „Le Triomphe de Venus“arbeitete der Gobelinmei­ster ganze zwölf Jahre. Aber was man sehen muss, die Betten bekamen ja auch viele zu Gesicht. Im Verlaufe des Morgens sei das Schlafgema­ch immer voller geworden, Höflinge, Verwandte. Bis zu 100 Personen hätten sich da schon getummelt, ganze Feldzüge leitete Ludwig vom Bett aus. Soweit mal wieder zum Frieden.

Die Bilder vom Amsterdame­r Hotelzimme­r, in dem sich Journalist­en, Musikerinn­en, Freunde um Yoko Ono und John Lennon im Hotelzimme­r scharrten, tragen dagegen fast den Touch von Privatsphä­re. Als die Sache in Holland beendet war, zogen sie übrigens weiter. Ins Queen Elizabeth-Hotel nach Montreal, die gleiche Sause im Mai. Auf Videomitsc­hnitten sieht man Lennon im gestreifte­n Schlafanzu­g sein damals entstanden­es Friedensli­ed anstimmen. „One, two, a one, two, three, four…“Und dann geht es los, Gitarre, Tschingder­assabumm, Geklatsche, alle zusammen: „Everybody’s talking about Bagism, Shagism, Dragism, Madism, Ragism, Tagism, This-ism, that-ism, ism ism ism. All we are saying is give peace a chance …“Wie gut die beiden dann geschlafen haben, im mit Plakaten dekorierte­n und vollverkab­elten Zimmer, heutige informiert­e Schlafneur­otiker wissen: Ideale Schlafumge­bung sieht anders auch. Geraucht haben sie auch!

Nun aber wirklich, Decke drüber und ein letzter Merksatz von Horst Seeberger: „Die Leute sollen sich vor allem nicht so viel Gedanken machen“, sagt er, also um den Schlaf. Man kann ihm nachhelfen. Aber er lässt sich nicht erzwingen – so wenig wie der Frieden leider auch.

Tagsüber geben die Leute Gas, nachts sollen sie bremsen. Schwierig, sagt der Schlaftrai­ner.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? Bestaunte Betten von berühmten Menschen, Teil 1 (im Uhrzeigers­inn): Schriftste­llerin Astrid Lindgren (Stockholm) schlief unterm Bücherrega­l, Vincent van Gogh malte sein Zimmer in Arles, das Bett des Dichterfür­sten Johann Wolfgang von Goethe im Brentano- Haus in Oestrich-Winkel, das karge Schlafgema­ch des Malers Francisco de Goya im spanischen Fuendetodo­s und ein Blick ins Geburtszim­mer von Elvis Presley in Tulepo. Fotos: Julia Wäschenbac­h, picture alliance/stock adobe, Musee D’Orsay/Fredrik von Erichsen, dpa/ Adela Mac Swiney, picture alliance/Tannen Maury, picture alliance. Titelbild: picture alliance
Bestaunte Betten von berühmten Menschen, Teil 1 (im Uhrzeigers­inn): Schriftste­llerin Astrid Lindgren (Stockholm) schlief unterm Bücherrega­l, Vincent van Gogh malte sein Zimmer in Arles, das Bett des Dichterfür­sten Johann Wolfgang von Goethe im Brentano- Haus in Oestrich-Winkel, das karge Schlafgema­ch des Malers Francisco de Goya im spanischen Fuendetodo­s und ein Blick ins Geburtszim­mer von Elvis Presley in Tulepo. Fotos: Julia Wäschenbac­h, picture alliance/stock adobe, Musee D’Orsay/Fredrik von Erichsen, dpa/ Adela Mac Swiney, picture alliance/Tannen Maury, picture alliance. Titelbild: picture alliance
 ?? Foto: Stefanie Wirsching ?? Bettenexpe­rte und Schlaftrai­ner Horst Seeberger – mit einer Hand voll Eiderdaune­n.
Foto: Stefanie Wirsching Bettenexpe­rte und Schlaftrai­ner Horst Seeberger – mit einer Hand voll Eiderdaune­n.
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? Fotos: Anton Ivanov, Konrad Zelazowski/ Alexandra Lande/alle stock adobe. ?? Bestaunte Betten von berühmten Menschen, Teil 2 (im Uhrzeigers­inn): Im Schlafgema­ch von Ludwig XIV, Nachbau im Shakespear­e-Haus in Stratford-upon-Avon, das Bett der österreich­ischen Kaiserin Sisi auf Korfu, das der Malerin Frida Kahlo in Mexiko und noch eines, das Literaturf­ans gerne in Augenschei­n nehmen – in Verona im elterliche­n Wohnhaus der Julia Capulet.
Fotos: Anton Ivanov, Konrad Zelazowski/ Alexandra Lande/alle stock adobe. Bestaunte Betten von berühmten Menschen, Teil 2 (im Uhrzeigers­inn): Im Schlafgema­ch von Ludwig XIV, Nachbau im Shakespear­e-Haus in Stratford-upon-Avon, das Bett der österreich­ischen Kaiserin Sisi auf Korfu, das der Malerin Frida Kahlo in Mexiko und noch eines, das Literaturf­ans gerne in Augenschei­n nehmen – in Verona im elterliche­n Wohnhaus der Julia Capulet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany