Das Wichtigste über Plätzchen
Vanillekipferl, Zimtsterne, Spitzbuben… – im Advent gehören sie am besten alle auf den Teller. Warum eigentlich? Und welche Sorten dürfen auf keinen Fall fehlen? Eine Weihnachtsbäckerin beantwortet die dringendsten Fragen rund ums Gebäck.
Weihnachten steht vor der Tür. Zeit also, das Lebkuchengewürz aus dem Küchenschrank hervorzukramen, Teig zu kneten und Plätzchen auszustechen. Vanillekipferl, Spitzbuben, Zimtsterne – die Dosen wollen gefüllt werden. Aber was zeichnet ein perfektes Plätzchen eigentlich aus? Was gehört auf den Plätzchenteller? Und warum isst man das Gebäck nur im Winter? Annette Klingelhöfer kennt die Antworten. Sie ist Schokoladen-Sommelière und wurde 2015 zu Deutschlands bester Weihnachtsbäckerin ernannt.
Warum gibt es typische Weihnachtsgewürze?
Weihnachten, das schmeckt nach Zimt, Vanille, Nelken und Kardamon. Diese für die Adventszeit so typischen Gewürze haben eine lange Tradition und gehen auf die Kolonialzeit zurück, sagt Konditorin Klingelhöfer. Die Gewürze wurden aus fernen Ländern wie Indien oder Indonesien nach Deutschland importiert. Kardamom oder Zimt waren bereits im Mittelalter ein wichtiges Handelsgut. Die Gewürze waren teuer und wertvoll – auf dem Weg vom Orient bis nach Europa konnte der Wert um das Hundertfache steigen. Deshalb wurden sie nur zu besonderen Anlässen wie Weihnachten verwendet, weiß Klingelhöfer. In Nürnberg kreuzten sich übrigens zahlreiche Handelsrouten, auf denen die Gewürze von Venedig oder Pisa kommend transportiert wurden. Nicht umsonst hat sich in der Stadt das Traditionsgebäck, der Nürnberger Lebkuchen, bereits im 14. Jahrhundert etabliert.
Warum werden Plätzchen nicht im Sommer verspeist?
Zwar finden sich auch im Sommer Weihnachtsaromen wie Vanille. Aber an heißen Tagen haben die meisten Menschen mehr Lust auf Leichtes wie Eis. Plätzchengewürze wie Zimt oder Anis gehören wegen ihrer Schwere eher in die Winterzeit, betont Klingelhöfer. Darüber hinaus sind Plätzchen lange haltbar und enthalten viel Fett und Zucker. Das machte sie schon im Mittelalter zu perfekten Häppchen, um über den Winter zu kommen. Der Brauch, in der Adventszeit Plätzchen zu backen, entwickelte sich erst in der Biedermeierzeit.
Warum werden kaum mehr Dominosteine gebacken?
Die kleinen Schokowürfel bestehen aus drei Schichten – Gelee, Marzipan und Honigkuchen-Teig. Allein der Teig muss sechs Wochen reifen, sagt Klingelhöfer. Der gesamte Herstellungsprozess dauert mindestens drei bis vier Tage. Die Konditorin backt in ihrem Laden immer noch Dominosteine. Aber sie kann verstehen, wenn die essbaren Würfel zu Hause nur noch selten selbst gemacht auf dem Plätzchenteller landen. Denn das Rezept ist aufwendig und zeitintensiv.
Warum werden Vanillekipferl nicht überall verspeist?
Jedes Land hat seine eigenen LieblingsPlätzchen. Um die Herkunft des Vanillekipferl ranken sich verschiedene Erzählungen. Lange hielt sich die Geschichte, Wiener Bäcker hätten die Form des Kipferls kreiert aus Freude über die Befreiung Wiens nach der Türkenbelagerung. Das Kipferl als Verhöhnung des türkischen Halbmonds? Gesichert ist das nicht, klar ist aber, dass Vanillekipferl ein traditionell deutsch-österreichisch-böhmisches Gebäck sind. Beliebt sind sie vor allem im christlich geprägten, europäischen Raum, weiß Klingelhöfer. In der Türkei, wo überwiegend Muslime leben, oder in Japan, wo es keinen Feiertag für Weihnachten gibt, werden die Kipferl eher selten verspeist.
Gibt es Plätzchenrekorde?
Der größte Keks der Welt wurde 2003 in den USA hergestellt. Das überdimensionierte Gebäck wog ganze 18 Tonnen und erstreckte sich über eine Fläche von 750 Quadratmetern. Vor kurzem hatte Bäckerin Klingelhöfer auch vom längsten Stollen der Welt gelesen. Er wurde Ende November in Dresden gebacken und hatte eine Länge von rund 1000 Metern – allerdings nicht am Stück. Das Riesengebäck bestand aus 8000 je zwölf Zentimeter langen, aneinandergereihten Einzelstollen und wog sechseinhalb Tonnen.
Welche Plätzchen sollte man zuerst backen?
Butterplätzchen sind etwa vier bis sechs Wochen und damit am längsten haltbar, sagt Konditorin Klingelhöfer. Auch Spekulatius
und Vanillekipferl lassen sich relativ lange aufbewahren, wenn sie luftdicht verpackt werden. Deshalb empfiehlt Klingelhöfer, diese Plätzchen zuerst zuzubereiten. Zimtsterne sollten später und Kokosmakronen am besten zuletzt gebacken werden. Denn sie bleiben, so lecker sie auch sind, am wenigsten frisch.
Warum hat man nach Plätzchen oft Lust auf Bier oder Wurstbrot?
Darauf hat Klingelhöfer eine einfache Antwort. Bei erhöhtem Zuckerkonsum steigt das Bedürfnis nach Deftigem. Wer nachmittags mehrmals in die Plätzchendose greift, sehnt sich spätestens zum Abendessen nach einem Ausgleich auf den überzuckerten Magen. Die Konditorin kennt das Bedürfnis nur zu gut. Nach einem langen Tag in der Bäckerei beißt sie abends selbst gern in ein Käsebrot.
Welche Plätzchenkochbücher sind empfehlenswert?
Ein Buch, das die Expertin gerne empfiehlt, ist „Weihnachtshüftgold“von Martin Rößler. Von Torten und Plätzchen bis zum Lebkuchen finden sich darin sämtliche Rezepte für die Weihnachtszeit.
Was ist die perfekte Mischung auf dem Plätzchenteller?
Je mehr Geschmäcker abgedeckt werden, desto besser, sagt Klingelhöfer. Schokoladiges ist immer beliebt und sollte auf dem Plätzchenteller nicht fehlen. Zimtsterne werden ihrer Erfahrung nach am liebsten verspeist. Baumkuchenspitzen sind für die Expertin ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. Daneben sollten auch Vanillekipferl, Buttergebäck und Spritzgebäck serviert werden.
Kann man Buttergebäck auch ohne Butter, also vegan zubereiten?
Die Butter im Mürbeteig lässt sich durch vegane Back-Margarine ersetzen. In der Zubereitung und im Geschmack macht das kaum einen Unterschied, betont Klingelhöfer. Veganerinnen und Veganer müssen auf Plätzchen in der Weihnachtszeit also nicht verzichten. Auch Eischnee lässt sich vegan zubereiten – aus dem sogenannten Aquafaba. Die Flüssigkeit, die beim Kochen von Kichererbsen oder Bohnen entsteht, wirkt als Backtriebmittel und Emulgator und lässt sich gut zum Eischnee-Ersatz aufschlagen. In einigen Rezepten wird Aquafaba in der Glasur für Zimtsterne verwendet.
Warum werden heutzutage kaum noch Anisplätzchen gebacken?
Anisplätzchen stammen aus Süddeutschland. In anderen Regionen sind sie weniger verbreitet, sagt Klingelhöfer. In BadenWürttemberg wird das Gebäck auch Brödele genannt. In der Zubereitung sind sie ähnlich aufwendig wie Macarons, die feinen französischen Baiserkekse aus Mandelmehl. Anisplätzchen sollten etwa zwei Stunden ruhen, bevor sie im Ofen gebacken werden. Wie bei Dominosteinen dürfte der Zeitaufwand ein Grund sein, weshalb die Plätzchen nur noch selten gebacken werden, vermutet Klingelhöfer. Außerdem sei Anis kein sonderlich moderner Geschmack. In ihrem Rezeptbuch finden sich auch keine Plätzchen mit Anis.
Welche Plätzchen sind in Vergessenheit geraten?
Printen sind beliebte Leckereien aus Westdeutschland. Sie werden aus Honigkuchenteig und grobem Zucker hergestellt. Gerade in Aachen wurden Printen gerne verspeist, landen heutzutage aber kaum noch auf dem Plätzchenteller. Auch die talerartigen Elisen-Lebkuchen waren lange verschwunden. Aber wie Klingelhöfer betont, erlebt diese Weihnachtsleckerei gerade eine Renaissance.
Warum mögen Menschen Vanille so gern?
Vanille ist ein dezenter, blumiger und unaufdringlicher Geschmack, der auch bei Kindern beliebt ist. Im Aroma harmonisiert sie perfekt mit Zucker und landet deshalb oft im Weihnachtsgebäck.
Was ist das beste Plätzchen der Welt?
Zimtsterne sind sehr beliebt, sagt Klingelhöfer. Der nussig-süße Geschmack mit einem Hauch von Mandel macht das aus Schwaben stammende Weihnachtsgebäck auch für die Konditorin unwiderstehlich.
Was ist das internationalste Plätzchen?
Neben Vanillekipferl sieht Klingelhöfer den Spekulatius als angesagtestes Weihnachtsgebäck weltweit. Der Keks wird sowohl in England als auch in Frankreich und Belgien verspeist. Stollen und Lebkuchen sind ebenfalls weit verbreitet.