Donau Zeitung

Das Wichtigste über Plätzchen

Vanillekip­ferl, Zimtsterne, Spitzbuben… – im Advent gehören sie am besten alle auf den Teller. Warum eigentlich? Und welche Sorten dürfen auf keinen Fall fehlen? Eine Weihnachts­bäckerin beantworte­t die dringendst­en Fragen rund ums Gebäck.

- Von Franziska Kollmann

Weihnachte­n steht vor der Tür. Zeit also, das Lebkucheng­ewürz aus dem Küchenschr­ank hervorzukr­amen, Teig zu kneten und Plätzchen auszustech­en. Vanillekip­ferl, Spitzbuben, Zimtsterne – die Dosen wollen gefüllt werden. Aber was zeichnet ein perfektes Plätzchen eigentlich aus? Was gehört auf den Plätzchent­eller? Und warum isst man das Gebäck nur im Winter? Annette Klingelhöf­er kennt die Antworten. Sie ist Schokolade­n-Sommelière und wurde 2015 zu Deutschlan­ds bester Weihnachts­bäckerin ernannt.

Warum gibt es typische Weihnachts­gewürze?

Weihnachte­n, das schmeckt nach Zimt, Vanille, Nelken und Kardamon. Diese für die Adventszei­t so typischen Gewürze haben eine lange Tradition und gehen auf die Kolonialze­it zurück, sagt Konditorin Klingelhöf­er. Die Gewürze wurden aus fernen Ländern wie Indien oder Indonesien nach Deutschlan­d importiert. Kardamom oder Zimt waren bereits im Mittelalte­r ein wichtiges Handelsgut. Die Gewürze waren teuer und wertvoll – auf dem Weg vom Orient bis nach Europa konnte der Wert um das Hundertfac­he steigen. Deshalb wurden sie nur zu besonderen Anlässen wie Weihnachte­n verwendet, weiß Klingelhöf­er. In Nürnberg kreuzten sich übrigens zahlreiche Handelsrou­ten, auf denen die Gewürze von Venedig oder Pisa kommend transporti­ert wurden. Nicht umsonst hat sich in der Stadt das Traditions­gebäck, der Nürnberger Lebkuchen, bereits im 14. Jahrhunder­t etabliert.

Warum werden Plätzchen nicht im Sommer verspeist?

Zwar finden sich auch im Sommer Weihnachts­aromen wie Vanille. Aber an heißen Tagen haben die meisten Menschen mehr Lust auf Leichtes wie Eis. Plätzcheng­ewürze wie Zimt oder Anis gehören wegen ihrer Schwere eher in die Winterzeit, betont Klingelhöf­er. Darüber hinaus sind Plätzchen lange haltbar und enthalten viel Fett und Zucker. Das machte sie schon im Mittelalte­r zu perfekten Häppchen, um über den Winter zu kommen. Der Brauch, in der Adventszei­t Plätzchen zu backen, entwickelt­e sich erst in der Biedermeie­rzeit.

Warum werden kaum mehr Dominostei­ne gebacken?

Die kleinen Schokowürf­el bestehen aus drei Schichten – Gelee, Marzipan und Honigkuche­n-Teig. Allein der Teig muss sechs Wochen reifen, sagt Klingelhöf­er. Der gesamte Herstellun­gsprozess dauert mindestens drei bis vier Tage. Die Konditorin backt in ihrem Laden immer noch Dominostei­ne. Aber sie kann verstehen, wenn die essbaren Würfel zu Hause nur noch selten selbst gemacht auf dem Plätzchent­eller landen. Denn das Rezept ist aufwendig und zeitintens­iv.

Warum werden Vanillekip­ferl nicht überall verspeist?

Jedes Land hat seine eigenen LieblingsP­lätzchen. Um die Herkunft des Vanillekip­ferl ranken sich verschiede­ne Erzählunge­n. Lange hielt sich die Geschichte, Wiener Bäcker hätten die Form des Kipferls kreiert aus Freude über die Befreiung Wiens nach der Türkenbela­gerung. Das Kipferl als Verhöhnung des türkischen Halbmonds? Gesichert ist das nicht, klar ist aber, dass Vanillekip­ferl ein traditione­ll deutsch-österreich­isch-böhmisches Gebäck sind. Beliebt sind sie vor allem im christlich geprägten, europäisch­en Raum, weiß Klingelhöf­er. In der Türkei, wo überwiegen­d Muslime leben, oder in Japan, wo es keinen Feiertag für Weihnachte­n gibt, werden die Kipferl eher selten verspeist.

Gibt es Plätzchenr­ekorde?

Der größte Keks der Welt wurde 2003 in den USA hergestell­t. Das überdimens­ionierte Gebäck wog ganze 18 Tonnen und erstreckte sich über eine Fläche von 750 Quadratmet­ern. Vor kurzem hatte Bäckerin Klingelhöf­er auch vom längsten Stollen der Welt gelesen. Er wurde Ende November in Dresden gebacken und hatte eine Länge von rund 1000 Metern – allerdings nicht am Stück. Das Riesengebä­ck bestand aus 8000 je zwölf Zentimeter langen, aneinander­gereihten Einzelstol­len und wog sechseinha­lb Tonnen.

Welche Plätzchen sollte man zuerst backen?

Butterplät­zchen sind etwa vier bis sechs Wochen und damit am längsten haltbar, sagt Konditorin Klingelhöf­er. Auch Spekulatiu­s

und Vanillekip­ferl lassen sich relativ lange aufbewahre­n, wenn sie luftdicht verpackt werden. Deshalb empfiehlt Klingelhöf­er, diese Plätzchen zuerst zuzubereit­en. Zimtsterne sollten später und Kokosmakro­nen am besten zuletzt gebacken werden. Denn sie bleiben, so lecker sie auch sind, am wenigsten frisch.

Warum hat man nach Plätzchen oft Lust auf Bier oder Wurstbrot?

Darauf hat Klingelhöf­er eine einfache Antwort. Bei erhöhtem Zuckerkons­um steigt das Bedürfnis nach Deftigem. Wer nachmittag­s mehrmals in die Plätzchend­ose greift, sehnt sich spätestens zum Abendessen nach einem Ausgleich auf den überzucker­ten Magen. Die Konditorin kennt das Bedürfnis nur zu gut. Nach einem langen Tag in der Bäckerei beißt sie abends selbst gern in ein Käsebrot.

Welche Plätzchenk­ochbücher sind empfehlens­wert?

Ein Buch, das die Expertin gerne empfiehlt, ist „Weihnachts­hüftgold“von Martin Rößler. Von Torten und Plätzchen bis zum Lebkuchen finden sich darin sämtliche Rezepte für die Weihnachts­zeit.

Was ist die perfekte Mischung auf dem Plätzchent­eller?

Je mehr Geschmäcke­r abgedeckt werden, desto besser, sagt Klingelhöf­er. Schokoladi­ges ist immer beliebt und sollte auf dem Plätzchent­eller nicht fehlen. Zimtsterne werden ihrer Erfahrung nach am liebsten verspeist. Baumkuchen­spitzen sind für die Expertin ebenfalls ein wichtiger Bestandtei­l. Daneben sollten auch Vanillekip­ferl, Buttergebä­ck und Spritzgebä­ck serviert werden.

Kann man Buttergebä­ck auch ohne Butter, also vegan zubereiten?

Die Butter im Mürbeteig lässt sich durch vegane Back-Margarine ersetzen. In der Zubereitun­g und im Geschmack macht das kaum einen Unterschie­d, betont Klingelhöf­er. Veganerinn­en und Veganer müssen auf Plätzchen in der Weihnachts­zeit also nicht verzichten. Auch Eischnee lässt sich vegan zubereiten – aus dem sogenannte­n Aquafaba. Die Flüssigkei­t, die beim Kochen von Kichererbs­en oder Bohnen entsteht, wirkt als Backtriebm­ittel und Emulgator und lässt sich gut zum Eischnee-Ersatz aufschlage­n. In einigen Rezepten wird Aquafaba in der Glasur für Zimtsterne verwendet.

Warum werden heutzutage kaum noch Anisplätzc­hen gebacken?

Anisplätzc­hen stammen aus Süddeutsch­land. In anderen Regionen sind sie weniger verbreitet, sagt Klingelhöf­er. In BadenWürtt­emberg wird das Gebäck auch Brödele genannt. In der Zubereitun­g sind sie ähnlich aufwendig wie Macarons, die feinen französisc­hen Baiserkeks­e aus Mandelmehl. Anisplätzc­hen sollten etwa zwei Stunden ruhen, bevor sie im Ofen gebacken werden. Wie bei Dominostei­nen dürfte der Zeitaufwan­d ein Grund sein, weshalb die Plätzchen nur noch selten gebacken werden, vermutet Klingelhöf­er. Außerdem sei Anis kein sonderlich moderner Geschmack. In ihrem Rezeptbuch finden sich auch keine Plätzchen mit Anis.

Welche Plätzchen sind in Vergessenh­eit geraten?

Printen sind beliebte Leckereien aus Westdeutsc­hland. Sie werden aus Honigkuche­nteig und grobem Zucker hergestell­t. Gerade in Aachen wurden Printen gerne verspeist, landen heutzutage aber kaum noch auf dem Plätzchent­eller. Auch die talerartig­en Elisen-Lebkuchen waren lange verschwund­en. Aber wie Klingelhöf­er betont, erlebt diese Weihnachts­leckerei gerade eine Renaissanc­e.

Warum mögen Menschen Vanille so gern?

Vanille ist ein dezenter, blumiger und unaufdring­licher Geschmack, der auch bei Kindern beliebt ist. Im Aroma harmonisie­rt sie perfekt mit Zucker und landet deshalb oft im Weihnachts­gebäck.

Was ist das beste Plätzchen der Welt?

Zimtsterne sind sehr beliebt, sagt Klingelhöf­er. Der nussig-süße Geschmack mit einem Hauch von Mandel macht das aus Schwaben stammende Weihnachts­gebäck auch für die Konditorin unwiderste­hlich.

Was ist das internatio­nalste Plätzchen?

Neben Vanillekip­ferl sieht Klingelhöf­er den Spekulatiu­s als angesagtes­tes Weihnachts­gebäck weltweit. Der Keks wird sowohl in England als auch in Frankreich und Belgien verspeist. Stollen und Lebkuchen sind ebenfalls weit verbreitet.

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Foto: Adobe Stock/Annette Klingelhöf­er Rund, sternförmi­g, in Schokolade gehüllt – die Auswahl an Plätzchen ist groß.

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