Donau Zeitung

Fühlt sich an wie früher, nur besser

Schönheit trifft Geschwindi­gkeit: Der Audi e-tron GT mit reinem Elektroant­rieb steht einem Sportwagen mit Verbrennun­gsmotor in nichts nach. Im Gegenteil.

- Von Tobias Schaumann

Wenn die Supermarkt-Sortimente nicht täuschen, schmeckt vegetarisc­he Kost Verbrauche­rn immer dann besonders gut, wenn sie fleischlic­her besonders nahekommt, sie quasi kopiert. Wäre es zu weit hergeholt, hier eine Parallele zur Elektromob­ilität zu ziehen?

Der Eindruck drängt sich nach einigen tollen Tagen mit dem Audi e-tron GT quattro jedenfalls auf: dass hier ein Wagen all die Sinnlichke­it aus der alten Verbrenner­in die neue Stromer-Welt transferie­rt hat.

Fühlt sich also an wie früher, nur besser: Je eine E-Maschine auf der Vorder- und der Hinterachs­e mit zusammen bis zu 390 kW/ 530 PS und 630 Nm verleihen dem e-tron GT eine Performanc­e, wie sie bislang den verruchten Audi RS-Modellen vorbehalte­n war.

Mit dem Unterschie­d, dass der Stromer nicht nur brutal kann, sondern vor allem sanft. Die meiste Zeit segelt der Gran Turismo majestätis­ch dahin – und verzögert eben nicht gleich wie verrückt, wenn man den rechten Fuß lupft. Dieses Ein-Pedal-Fahren, das E-Fahrer oft schätzen, würde zu diesem Gleiter nicht passen. Das Gaspedal verhält sich wie ein Gaspedal. Gelernt so. Gut so.

Ähnliches gilt für das Bremspedal. Es ist so dosierbar wie eine herkömmlic­he Sportbrems­anlage, dabei wirken die Kräfte zunächst einmal nicht auf die Scheiben, sondern rühren von der gewaltigen Rekuperati­onsleistun­g der Generatore­n her, die maximal 265 kWh beträgt. Nicht nur bremsen, auch einlenken lässt sich der e-tron GT quattro absolut auf den Punkt. Das Fahrwerk findet die richtige Balance zwischen hart und weich. Die ganze Abstimmung ist, Pardon, fast zu gut für ein Elektroaut­o.

Wer etwas zu Nörgeln sucht, kann das wie immer in dieser Fahrzeugga­ttung beim Gewicht tun. Man sieht es ihr nicht an, aber 2,3 Tonnen bringt die Flunder auf die Waage. Aber selbst dieses konstrukti­onsbedingt­e Manko: wie weggezaube­rt. Die Hochvolt-Batterie ist so tief verbaut, dass sie den Wagen sogar eher zu stabilisie­ren

scheint. Cleveres Detail: Die Fondpassag­iere finden extra Aussparung­en in der Batterie vor, in die sie ihre Füße stellen können. Das bringt zusätzlich Tiefe und Flachheit. Nur 1,41 Meter hoch ist der e-tron GT, aber 1,96 Meter breit und 4,99 Meter lang. Die Proportion­en? Die Linien? Betörend. Da sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Gefertigt wird das zum „Signature Car“erhobene Designerst­ück

als Audis erstes Elektroaut­o in Deutschlan­d, am Standort Neckarsulm, genau gesagt in den Böllinger Höfen, einer Art Manufaktur für die edelsten Modelle der Marke mit den vier Ringen.

So läuft der e-tron auf einer gemeinsame­n Linie mit dem R8 vom Band. (Richtig, das ist der mit dem V10). Die Produktion fällt CO²-neutral aus, so Audi. Verbaut wird auch Recycling-Material,

etwa aus alten Fischernet­zen, die hier zu Teppichen und Matten verarbeite­t werden.

In Sachen Nachhaltig­keit an alles gedacht also? Die Ökobilanz hängt vor allem an der Laderei, sprich ob mit Grün- oder Kohlestrom. Spätestens nach 501 Kilometern muss der e-tron GT quattro der WLTP-Norm nach an die Strippe. Im Test schafften wir knapp 400 Kilometer. Das ist ausbaufähi­g, aber eine noch größere Batterie hätte wohl mehr Nach- als Vorteile.

Audi setzt lieber auf die Schnelligk­eit der Ladung. Mit bis zu 270 (!) kW Leistung soll der Strom in der Spitze in die 84 kWh (netto) fassende Batterie fließen. Im Alltag, wo man den Akku ja weder ganz leer fährt noch ihn pickepacke­voll lädt, geht das Prozedere in 20 Minuten über die Bühne. Ladeleistu­ngen

von mehr als 200 kW sahen wir im Test tatsächlic­h, bis zu etwa 50 Prozent Füllstand. Dann ließ die Power spürbar nach. Bei 80 Prozent Füllstand lagen noch 86 kW an.

Unter idealen Bedingunge­n genügen nach Audi-Angaben fünf Minuten Laden für 100 Kilometer Strecke; das 800-Volt-Bordnetz macht´s möglich. Für dieses Powerladen muss der Fahrer allerdings die Schnelllad­esäule rechtzeiti­g vorher im System anwählen, damit die Batterie entspreche­nd vorkonditi­oniert – gekühlt oder aufgewärmt – werden kann.

Auf einer größeren Reise, für die der Gran Turismo wie geschaffen ist, dürfte sich das recht gut managen lassen. Das Navi unterstütz­t die Tourenplan­ung samt Ladestopps auf komfortabl­e, einfach zu bedienende Weise.

Der Normalfall werden sieben, acht Stunden an der heimischen Wallbox sein, idealerwei­se gespeist aus einer eigenen Fotovoltai­k-Anlage. Daran sollte es potenziell­en Kunden nicht mangeln. Wer 100.000 Euro – und das ist nur der Basispreis ohne die zahllosen Luxus-Extras – für ein Elektroaut­o aufbringen kann, wird an der Infrastruk­tur kaum scheitern.

Natürlich ist das für Otto Normalverb­raucher außerirdis­ch. Aber jetzt, wo an der Elektromob­ilität wieder häufiger herumgemäk­elt wird, zeigen solche Referenzfa­hrzeuge eben auch, wie fasziniere­nd sie sein kann.

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Fotos: Audi Kann sich sehen lassen: Kein Wunder, dass Audi den e-tron GT zum „Signature Car“erhoben hat.
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Man sieht es ihm nicht an, aber der Audi bringt 2,3 Tonnen auf die Waage.
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Auch im Inneren weiß der e-tron GT zu überzeugen.

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