So will Berlin Preis-Abzocke verhindern
Energieversorger dürfen Tarife nur erhöhen, wenn sie die Gründe dafür beweisen können.
Berlin Die Briefe, die aktuell in vielen Haushalten eintreffen, gehören zu den unbeliebtesten in der Weihnachtszeit: Anbieter von Strom und Gas verkünden darin, dass sie zum Jahreswechsel ihre Preise erhöhen – und das massiv. Für viele Kundinnen und Kunden ist es nicht der erste Aufschlag seit Beginn der Krise, umso ärgerlicher ist der Verdacht, dass nicht jede Preiserhöhung tatsächlich durch höhere Beschaffungskosten gerechtfertigt ist. Diese Befürchtung hat auch die Bundesregierung und will per Gesetz überhöhte Tarifforderungen ausbremsen. Nur wer beweisen kann, dass die Anhebungen gerechtfertigt sind, darf sie auch erheben. Damit könnten viele Preissteigerungen hinfällig sein.
„Damit die Strom- und Gaspreisbremsen nicht für sachgrundlose Preiserhöhungen missbraucht werden, schaffen wir gesetzliche Regelungen gegen Missbrauch“, sagt Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, unserer Redaktion. In einem Gesetzentwurf, der in den Bundestag eingebracht wurde, heißt es, dass Preiserhöhungen bis Ende 2023 verboten sein sollen – es sei denn, der Versorger weist nach, „dass die Erhöhung sachlich gerechtfertigt ist“. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat jüngst einen Blick auf die Lage in NRW geworfen. Das Ergebnis: Der niedrigste Grundversorgertarif kostete im November 5,98 Cent pro Kilowattstunde Gas, der höchste dagegen 28,08 Cent. Ein Preisunterschied, der so kaum zu erklären und zu rechtfertigen sei – und zumindest Fragen aufwerfe.
Eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Energiepreis-Abzocke wird dem Bundeskartellamt zufallen. Hier soll eine BeweislastUmkehr eingeführt werden: Nicht das Amt muss beweisen, dass ein Missbrauch vorliegt, sondern das Unternehmen, dass dies nicht der Fall ist.
Die Energiebranche stellt sich hinter die geplanten Regeln. „Es darf nicht passieren, dass einzelne Unternehmen die Krise ausnutzen“, sagt die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae. Sichergestellt sein müsse aber, „dass angemessene und nach den allgemeinen Regeln zulässige Anpassungen weiterhin möglich sind“. Dazu sehe man allerdings in den Entwürfen keinen Widerspruch.
Das Wirtschaftsministerium rät allen Kundinnen und Kunden, sich bei Meinungsverschiedenheiten an die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen zu wenden oder rechtliche Beratung zu suchen.
Unterstützung findet das Vorhaben in der Union. „Die schwarzen Schafe unter den Energieversorgern dürfen sich keine goldene Nase verdienen nach dem Motto: Der Staat zahlt ja mit den Preisbremsen 80 Prozent der Erhöhung, die Kunden werden den Aufschlag auf ihre verbleibenden 20 Prozent schon irgendwie schlucken – wir schlagen zu!“, warnt Andreas Jung, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender und Sprecher der Unionsfraktion für Klimaschutz und Energie. „Das ist unanständig gegenüber Kunden und Staat und diskreditiert alle seriösen Versorger, die lediglich Kostensteigerungen aufschlagen.“Für die Gas- und Strompreisbremse würden immerhin vonseiten des Staates Milliardensummen eingesetzt, um Bürgern und Betrieben durch die Krise zu helfen. „Diese Mittel sollen genau diese Aufschläge abfedern, nicht aber die Bilanzen von Versorgern aufbessern“, mahnt Jung.
Allerdings müsse die Bundesregierung sicherstellen, dass alle Prüffälle dann auch beschleunigt entschieden werden. „Alle Beteiligten brauchen schnell Klarheit, ob eine beanstandete Preiserhöhung zulässig ist oder nicht“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. „Wenn sich die Verfahren erst einmal türmen, ist es zu spät dafür. Das muss jetzt vorbereitet werden, sonst droht Chaos.”