Sie ist einer der Köpfe der „Letzten Generation“
Porträt Einser-Abi, Oxford-Studium, Hungerstreik: Lea Bonasera und viele ihrer Mitstreiter haben bürgerliche Lebensläufe. Woher kommt der Wandel hin zu aggressivem Protest?
Die Gründerin der Bewegung, über deren Radikalität Deutschland gerade diskutiert, wirkt in Gesprächen so gar nicht radikal. Lea Bonasera spricht oft leise, ihre Stimme klingt brüchig, fast ein wenig ängstlich. Bonasera ist Mitte 20 und Gründerin der „Letzten Generation“. Die Gruppe ist so etwas wie das schwarze Schaf unter den Klimabewegungen, ein aggressiveres „Fridays for Future“.
Die Protestierenden blockieren Straßen und Flughäfen, sie kleben ihre Hände auf Asphalt oder hungern tagelang, um Gespräche mit Politikern zu erzwingen. Dass sie sich selbst verletzen? Scheint ihnen nichts auszumachen. Vorübergehende Haft? Auch nicht. Dabei haben Bonasera und ihre Mitstreiter oft bürgerliche Lebensläufe. Wann also kam der Wandel zum aggressiven Protest?
Bonasera wächst bei Gütersloh auf – in einer Stadt, die kaum bürgerlicher klingen könnte: Rheda-Wiedenbrück. Der Vater arbeitet in der IT-Branche, die Mutter im Kindergarten. Sie macht
Abitur (Schnitt:
1,6), studiert in Amsterdam und Oxford.
Nach einer Reise zur Weltklimakonferenz in Paris stellt Bonasera ihr Leben um. Sie ernährt sich vegan, geht mit „Fridays for Future“auf die Straße, trifft Aktivistinnen und Aktivisten der extremeren „Extinction Rebellion“. Die Doktorarbeit bricht sie ab. Keine Zeit für akademische Würden, der Planet will gerettet werden.
Aber bei „Fridays for Future“mitmischen? Das genügt nicht. 2021 gründet Bonasera ihre eigene Bewegung. Die Forderungen: Tempolimit 100 auf Autobahnen, Ausstieg aus der Kohle, Neun-Euro-Ticket. Auch das: überraschend wenig radikal. Ähnliche Forderungen könnten auch im Parteiprogramm der Grünen stehen.
Was Bonasera aber in der Argumentation von Baerbock oder Habeck unterscheidet: die Wortwahl. Sie sieht sich als Teil einer Generation, die als letzte noch die Chance hat, eine Katastrophe abzuwenden – Klimaprotest als Schicksalskampf. Es ist dieser Fatalismus, aus dem heraus die „Letzte Generation“ihre Hände auf die Straße klebt, statt sich in Parteien oder Vereinen zu engagieren. Und es ist auch der Grund, warum sie wohl nicht so bald damit aufhören werden.