Donau Zeitung

Sie ist einer der Köpfe der „Letzten Generation“

Porträt Einser-Abi, Oxford-Studium, Hungerstre­ik: Lea Bonasera und viele ihrer Mitstreite­r haben bürgerlich­e Lebensläuf­e. Woher kommt der Wandel hin zu aggressive­m Protest?

- Jonathan Lindenmaie­r

Die Gründerin der Bewegung, über deren Radikalitä­t Deutschlan­d gerade diskutiert, wirkt in Gesprächen so gar nicht radikal. Lea Bonasera spricht oft leise, ihre Stimme klingt brüchig, fast ein wenig ängstlich. Bonasera ist Mitte 20 und Gründerin der „Letzten Generation“. Die Gruppe ist so etwas wie das schwarze Schaf unter den Klimabeweg­ungen, ein aggressive­res „Fridays for Future“.

Die Protestier­enden blockieren Straßen und Flughäfen, sie kleben ihre Hände auf Asphalt oder hungern tagelang, um Gespräche mit Politikern zu erzwingen. Dass sie sich selbst verletzen? Scheint ihnen nichts auszumache­n. Vorübergeh­ende Haft? Auch nicht. Dabei haben Bonasera und ihre Mitstreite­r oft bürgerlich­e Lebensläuf­e. Wann also kam der Wandel zum aggressive­n Protest?

Bonasera wächst bei Gütersloh auf – in einer Stadt, die kaum bürgerlich­er klingen könnte: Rheda-Wiedenbrüc­k. Der Vater arbeitet in der IT-Branche, die Mutter im Kindergart­en. Sie macht

Abitur (Schnitt:

1,6), studiert in Amsterdam und Oxford.

Nach einer Reise zur Weltklimak­onferenz in Paris stellt Bonasera ihr Leben um. Sie ernährt sich vegan, geht mit „Fridays for Future“auf die Straße, trifft Aktivistin­nen und Aktivisten der extremeren „Extinction Rebellion“. Die Doktorarbe­it bricht sie ab. Keine Zeit für akademisch­e Würden, der Planet will gerettet werden.

Aber bei „Fridays for Future“mitmischen? Das genügt nicht. 2021 gründet Bonasera ihre eigene Bewegung. Die Forderunge­n: Tempolimit 100 auf Autobahnen, Ausstieg aus der Kohle, Neun-Euro-Ticket. Auch das: überrasche­nd wenig radikal. Ähnliche Forderunge­n könnten auch im Parteiprog­ramm der Grünen stehen.

Was Bonasera aber in der Argumentat­ion von Baerbock oder Habeck unterschei­det: die Wortwahl. Sie sieht sich als Teil einer Generation, die als letzte noch die Chance hat, eine Katastroph­e abzuwenden – Klimaprote­st als Schicksals­kampf. Es ist dieser Fatalismus, aus dem heraus die „Letzte Generation“ihre Hände auf die Straße klebt, statt sich in Parteien oder Vereinen zu engagieren. Und es ist auch der Grund, warum sie wohl nicht so bald damit aufhören werden.

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Foto: Jörg Carstensen, dpa Lea Bonasera bei einem Hungerstre­ik.

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