Donau Zeitung

Kaczynski beschwört den hässlichen Deutschen

Mit einem Verweis auf die Nazi-Zeit warnt der PiS-Chef vor deutscher Dominanz in Europa. Die Hetze gegen die Nachbarn soll seiner Partei Stimmen bringen.

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Warschau Wenn es um Deutschlan­d geht, wird Jaroslaw Kaczynski besonders boshaft. So auch im niederschl­esischen Legnica, wo der mächtige Chef von Polens nationalko­nservative­r Regierungs­partei PiS am Wochenende eine anderthalb­stündige Rede hielt. Deutschlan­d strebe die Vorherrsch­aft in Europa an, warnte Kaczynski sein Publikum. Und legte nach: Die Deutschen wollten heute mit friedliche­n Mitteln das erreichen, was sie sich einst mit militärisc­hen Mitteln vorgenomme­n hätten.

Die Anspielung auf NaziDeutsc­hland ist typisch Kaczynski. Seit Monaten tourt er Wochenende für Wochenende durchs Land und wettert gegen Deutschlan­d. Dahinter verbirgt sich vor allem ein innenpolit­isches Kalkül: Die PiS ist in Umfragen im Sinkflug, und Kaczynski hofft, dass antideutsc­he Töne ihr Wähler bringen.

In Legnica teilte der 73-Jährige auch gegen Brüssel aus. Glaubt man Kaczynski, dann verbirgt sich hinter der EU ein Plan der Deutschen, einen „Europäisch­en Staat“zu schaffen, wo sie das Sagen haben werden. Seine Partei aber sehe die Stärke Europas in der Unterschie­dlichkeit und der Souveränit­ät der einzelnen Länder, betonte Kaczynski. „Und eine Situation der Dominanz, eine Situation, in der einer der europäisch­en Staaten – heute neben Russland der größte – mit friedliche­n Mitteln jene Pläne verwirklic­ht, die er einst mit militärisc­hen Mitteln durchsetze­n wollte, ist ein Weg in die Krise und ins Unglück.“

Kaczynski hat kein Regierungs­amt inne. Und doch gilt er als der starke Mann in Polens Politik. Medien schreiben gerne, er steuere sowohl Regierungs­chef Mateusz Morawiecki als auch Präsident

Andrzej Duda „vom Rücksitz aus“. Wie Kaczynskis „Steuern vom Rücksitz“aussieht, bekam kürzlich Polens Verteidigu­ngsministe­r Mariusz Blaszczak zu spüren. Der war zunächst auf das Angebot von Bundesvert­eidigungsm­inisterin Christine Lambrecht (SPD) eingegange­n, Polens Luftraum durch die Verlegung von deutschen Patriot-Luftabwehr­raketen zu schützen. Einen Tag später meldete sich Kaczynski zu Wort. Die deutsche Luftabwehr sollte besser in der Ukraine stationier­t werden als in Polen, schlug er vor. Artig wiederholt­e Blaszczak die Idee kurz darauf. Und Kaczynski hatte sein Ziel erreicht: Einmal mehr hatte Warschau die Deutschen ordentlich vor den Kopf gestoßen.

In Polen steht die nächste Parlaments­wahl im kommenden Herbst an. Ob die seit 2015 regierende PiS die Wahl ein drittes Mal in Folge gewinnen kann, ist fraglich. Die Polen stöhnen unter einer horrenden Inflations­rate, im November lag sie bei fast 18 Prozent.

Die Umfragen führt derzeit die liberalkon­servative Opposition­spartei Bürgerplat­tform (PO) des früheren EU-Ratspräsid­enten Donald Tusk. Zu dessen Amtszeit als polnischer Regierungs­chef lief es gut zwischen Warschau und Berlin. Grund genug für Kaczynski, auch Tusk das Mäntelchen des bösen Deutschen umzuhängen: „Wir haben in Polen eine deutsche Partei“, sagte er Mitte November bei einem Auftritt in der Kreisstadt Pabianice mit Blick auf die PO.

Schon einmal hat es der PiS in einem schmutzige­n Wahlkampf genützt, Donald Tusk mit Deutschlan­d zu verbinden. Als der Danziger 2005 im Präsidente­nwahlkampf gegen Lech Kaczynski antrat, brachten die PiS-Strategen die Geschichte von Tusks „Großvater in der Wehrmacht“in Umlauf. Tusks Großvater Jozef war 1944 als KZ-Häftling zur Wehrmacht rekrutiert worden, er lief nach kurzer Zeit zu polnischen Truppen über. Der Trick der PiS verfing: Tusk verlor die Wahl. (Doris Heimann, dpa)

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Foto: Hubert Mathis, dpa Kaczynski will den Ärger auf Deutschlan­d schüren.

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