Donau Zeitung

Trump sorgt abermals für Empörung

Kurz vor der Stichwahl in Georgia ruft der Ex-Präsident zur Aufhebung der Verfassung auf. Die Spitze der Republikan­er schweigt. Doch das Ergebnis des Urnengangs dürfte Hinweise auf die Stimmung an der Basis geben.

- Von Karl Doemens

Washington Sieben Minuten lang hatte sich David Joyce im Politmagaz­in „This Week“des US-Senders ABC als moderater Republikan­er präsentier­t, dem es vor allem darum gehe, pragmatisc­he Politik zu machen. Doch als der Moderator den Abgeordnet­en aus Ohio fragte, ob er Donald Trump wählen würde, verweigert­e der 65-Jährige dreimal die Antwort. Selbstvers­tändlich werde er jeden Präsidents­chaftskand­idaten unterstütz­en, den die Republikan­er nominieren, räumte er schließlic­h ein. „Auch einen Verfassung­sfeind?“, hakte der Moderator nach. „Trump sagt eine Menge Dinge“, wiegelte Joyce ab: „Aber er meint nicht, dass das wirklich passieren soll.“

Die Reaktion des freundlich­en Ex-Staatsanwa­lts, der kürzlich mit den Demokraten für den Schutz der gleichgesc­hlechtlich­en Ehe stimmte, ist typisch für die Republikan­er. Auch nach dem jüngsten Ausfall des Ex-Präsidente­n gegen die amerikanis­che Verfassung gibt es – wie schon nach dessen Treffen mit den Antisemite­n und Neo-Nazis Kanye West und Nick Fuentes – nur vereinzelt­e Kritik an dem ExPräsiden­ten. Dieser hatte am Wochenende auf seiner Propaganda­plattform „Truth Social“mit Hinweis auf die von ihm verbreitet­e Wahlbetrug-Lüge gepostet: „Ein

massiver Betrug dieser Art und Größenordn­ung ermöglicht die Aufhebung von allen Regeln, Verordnung­en und Paragrafen, selbst jenen, die sich in der Verfassung finden.“

Trump verbreitet seit seiner Niederlage vielfach widerlegte Verschwöru­ngslegende­n über die Wahl vor zwei Jahren. Hintergrun­d

seines jüngsten Ausfalls ist die Veröffentl­ichung von Unterlagen durch den neuen Twitter-Eigentümer Elon Musk, die interne Abstimmung­en des Unternehme­ns zu einem Artikel über Hunter Biden, den Sohn des heutigen Präsidente­n darlegen. Das rechte Boulevardb­latt New York Post hatte kurz vor der Wahl E-Mails und intime

Fotos von Hunter Bidens Laptop veröffentl­icht. Twitter sperrte damals den Link zu dem Artikel, da die Verantwort­lichen davon ausgingen, das Material stamme von einem Hackerangr­iff. Die Unterlagen liefern jedoch keine Belege für Trumps Behauptung, dass die Demokraten die Sperre durchgeset­zt hätten.

Nach der Attacke des Präsidente­n gegen die Verfassung blieb der republikan­ische Kongressab­geordnete Mike Turner zunächst der prominente­ste parteiinte­rne Kritiker. Er widersprac­h den Äußerungen „vehement“und verurteilt­e sie „absolut“. Doch weder der künftige Sprecher des Repräsenta­ntenhauses, Kevin McCarthy, noch der republikan­ische Minderheit­sführer im Senat, Mitch McConnell, distanzier­ten sich von Trumps verfassung­sfeindlich­em Post.

Schon nach Trumps Abendessen mit den Antisemite­n West und Fuentes hatte es allenfalls lauwarme Kritik aus dessen Partei gegeben. Aktuell dürfte das Schweigen noch durch die bevorstehe­nde Stichwahl im Bundesstaa­t Georgia an diesem Dienstag verstärkt werden. Dort tritt der von Trump unterstütz­te Ex-Footballst­ar Herschel Walker gegen den Amtsinhabe­r Raphael Warnock an. In letzten Umfragen liegt der Demokrat Warnock knapp vorne.

Sollte es den Demokraten gelingen, das Mandat zu verteidige­n, würden sie ihre Mehrheit im Senat um einen auf 51 Sitze ausbauen. Das würde das Regieren für Präsident Biden tendenziel­l leichter machen, da er nicht jedes Mal sämtliche Stimmen seiner Partei bräuchte. Mindestens so wichtig ist die Stichwahl aber als Stimmungst­est für die Republikan­er.

Herschel Walker, der von mehreren Frauen der häuslichen Gewalt bezichtigt wird und zwei ExFreundin­nen zu Abtreibung­en gedrängt haben soll, während er politisch für ein Verbot von Schwangers­chaftsabbr­üchen kämpft, gilt allgemein als extrem schlechter Kandidat. Nur 27 Prozent aller Wähler in Georgia halten ihn als Senator für qualifizie­rt. Dass er trotzdem in Umfragen fast gleichauf mit Warnock liegt, illustrier­t die überwiegen­d konservati­ve Struktur der Wählerscha­ft in dem Südstaat.

Bei den Wahlen am 8. November war der republikan­ische Gouverneur Brian Kemp, der sich von Trump distanzier­t hat, klar im Amt bestätigt worden. Walker erhielt damals 200.000 Stimmen weniger als Kemp. Das Abschneide­n von Walker bei der jetzigen Stichwahl sagt also auch etwas darüber aus, wie stark die Wähler der Republikan­er trotz der Trump-Ausfälle weiter zu ihrer Partei stehen. Vorsorglic­h hat Walker auf Auftritte des Ex-Präsidente­n während seiner Kampagne verzichtet.

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Foto: Todd Mcinturf, dpa Trump sieht sich nach wie vor als der rechtmäßig­e Präsident.

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