Donau Zeitung

Auf einer Stufe mit Cristiano Ronaldo

Der Schweizer Nationalsp­ieler Xherdan Shaqiri spielt meist ein bisschen unter dem Radar. Dabei ist er bei Turnieren genauso effektiv wie der Weltstar, auf den er im Achtelfina­le gegen Portugal trifft.

- Von Frank Hellmann

Doha Da kratzt sich Xherdan Shaqiri dann doch kurz an der Stirn und fährt sich verlegen durch die Haare. Dann senkt er leicht den Kopf und sagt: „Ich denke schon!“Ein großer Pulk von Reportern hatte sich vor dem Schweizer Nationalsp­ieler in einem kleinen Container auf dem Universitä­tsgelände von Doha am Absperrgit­ter gedrängelt, als den bei Chicago Fire unter Vertrag stehenden Profi die Frage erreichte, ob er sich zu den Topspieler­n dieser Weltmeiste­rschaft zähle. Wenn der 31-Jährige also nach kurzem Zögern versichert, er gehöre in diese Kategorie, dann liegt er nicht völlig falsch.

Den Vergleich mit dem nicht an Strahl-, dafür aber an Durchschla­gskraft einbüßende­n Cristiano Ronaldo muss der Schweizer vor dem Achtelfina­le gegen Portugal im Lusail Stadium (20 Uhr/ ARD) nicht scheuen. Klar, „CR7“hält den Rekord mit bislang 118 Länderspie­ltoren vielleicht für die

Ewigkeit, aber wer hat in den vergangene­n fünf großen Turnieren, WM 2014, 2018 und 2022, EM 2016 und 2021, immer getroffen? Eben der 1,65 Meter große Eidgenosse, der ein bisschen unter dem Radar hindurchst­ürmt. Der 111-fache Nationalsp­ieler war an der Hälfte der vergangene­n 24 Schweizer Treffer bei WM- und EM-Spielen direkt beteiligt. Acht Tore schoss er selbst, viermal gab er die Vorlage.

Die Nummer 23 sticht nicht nur wegen des kompakten Körperbaus hervor. Nationaltr­ainer Murat Yakin lehrt einen systematis­chen Ansatz mit zentralen Ankern: Die Abwehr dirigiert Manuel Akanji, das Mittelfeld orchestrie­rt Granit Xhaka und vorne organisier­t Breel Embolo als erste Anspielsta­tion die Spielzüge, die oft wie am Reißbrett geplant wirken.

Überraschu­ngsmomente entstehen dann, wenn Shaqiri mit Verve seine Eins-zu-eins-Situatione­n über den Flügel sucht. So entstand das Führungsto­r gegen Serbien (3:2), als der Fußballer mit kosovarisc­hen Wurzeln vor dem

pfeifenden Fanblock den Finger auf die Lippen presste. „Es waren halt viele Emotionen im Spiel.“Thema abgehakt.

In seinem persönlich­en Ranking steht die WM 2014 bislang ganz oben. Ganz einfach, „weil es meine beste WM war“. Ottmar Hitzfeld trainierte damals die „Nati“und setzte den ein Jahr zuvor vom FC Basel zum FC Bayern gewechselt­en Draufgänge­r stets in der Startelf ein. Zweimal war Shaqiri „Man of the Match“, beim 3:0 gegen Honduras gelangen ihm alle drei Treffer. Seine zackigen Bewegungen bewunderte­n selbst die Brasiliane­r. Die Schweiz scheiterte danach unglücklic­h im Achtelfina­le. 0:1 gegen Argentinie­n nach Verlängeru­ng. Shaqiri erinnert sich ungern. „Dieses Spiel kommt immer wieder in mir hoch, weil wir die Chance hatten, da weiterzuko­mmen.“Würde das jetzt gelingen, stände die Schweiz erstmals seit 1954 wieder in einem WM-Viertelfin­ale.

Nach der WM 2014, das weiß Shaqiri selbst, ist er einige Male falsch abgebogen. In München blockierte­n Franck Ribéry und Arjen Robben seine Lieblingsp­ositionen, er wechselte 2015 zu Inter Mailand, zog weiter zu Stoke City und drehte dort noch mal so auf, dass Jürgen Klopp ihn 2018 zum FC Liverpool

lotste. Seit Anfang des Jahres kickt Shaqiri nun in der Major League Soccer in den USA.

Die WM in Katar bietet ihm die Bühne, um noch mal ein bisschen was geradezurü­cken. Um beispielsw­eise Vorbehalte gegen sein angeblich nachlässig­es Defensivve­rhalten zu entkräften.

Auch wenn Granit Xhaka und er durch ihren Doppeladle­r-Jubel vor vier Jahren in den Mittelpunk­t einer Debatte rückten, in der es irgendwann auch um die Identifika­tion mit ihrem Heimatland ging, stellt er klar: „Ich bin bodenständ­ig. In guten wie in schlechten Zeiten.“Das sagt er in bestem Schwyzerde­utsch, aber wie die Kollegen spricht er auf Knopfdruck gegenüber den Medien auch in Hochdeutsc­h oder Englisch.

Der internatio­nalen Runde wird übermittel­t, dass es in dieser Phase einer WM auf Spieler ankommt, „die mit einer Aktion ein Spiel drehen“. Lionel Messi oder Kylian Mbappé haben es gerade vorgemacht. Xherdan Shaqiri will folgen.

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Foto: Egerton, dpa Der Mann für das Überrasche­nde: Xherdan Shaqiri.

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