Donau Zeitung

Der Goldjunge glänzt

Warum ganz Katar davon träumt, dass Kylian Mbappé im WM-Finale auf Lionel Messi trifft. Vorher muss Frankreich aber erst einmal das Viertelfin­ale gegen England gewinnen.

- Von Frank Hellmann

Doha Es gibt nicht wenige Protagonis­ten bei dieser WM, die können kaum glauben, dass am Mittwoch erstmals kein Spiel stattfinde­t. Keine Menschenma­ssen, die wie von Geisterhan­d gesteuert die protzigen Stadien durch die hypermoder­ne Metro erreichen, weil ihnen fröhliche Helfer den Weg mit einem Sprechgesa­ng weisen, den nun sogar die Anhänger der französisc­hen Nationalma­nnschaft übernommen haben. Zu dem Stakkato vor und in den Stationen („Metro? This Way! Metro? This Way“) tanzte und wippte auch der Fanblock, vor dem sich die Équipe Tricolore nach dem Viertelfin­aleinzug (3:1 gegen Polen) aufreihte.

Mittendrin einer, der so schnell wie die vollautoma­tischen Züge beschleuni­gt – und auch in einem katarische­n Tunnel unterwegs ist. So hat es Kylian Mbappé jedenfalls selbst berichtet, als er von seinem Traum erzählte. Der Goldjunge aus den Pariser Banlieues will am 18. Dezember, dem Tag des Finales, den Goldpokal stemmen. Persönlich­e Preise würden ihn angeblich nicht interessie­ren, so der 23-Jährige: „Ich will den Titel holen. Wenn ich den Goldenen Ball bekomme, ist das schön. Aber deshalb bin ich nicht hergekomme­n.“Der schon fünf Mal bei diesem Turnier erfolgreic­he Weltstar, der noch vor seinem 24. Geburtstag mit nun neun WM-Toren die schwerkran­ke Legende Pelé ablöste, hat am Sonntag erstmals vor der Weltpresse gesprochen und um Verständni­s gebeten, dass er zwei Pflichtter­mine als „Man of the Match“bereits geschwänzt hatte. Die Geldstrafe hätte er zahlen wollen, aber der Verband übernahm. Nun waren drei Fragen möglich, die Mbappé artig beantworte­te.

Wobei Nationaltr­ainer Didier Deschamps ja recht hat, als er sagte: „Er spricht mit den Füßen. Und er spricht sehr gut mit ihnen.“Atemberaub­ender Antritt, präzise Schusstech­nik, enormes Spielverst­ändnis stechen noch mehr hervor als vor vier Jahren beim Titelgewin­n in Russland. Mbappé scheint sich auch bei den „Les Bleus“wohler zu fühlen, wie Beobachtun­gen beim Training zeigen. Wenn beispielsw­eise Steigerung­släufe anstehen, dann sprinten die fleißigen Sturmkolle­gen Antoine Griezmann und Olivier Giroud die letzten Meter mit angestreng­ter Miene, während es Mbappé als Letzter mit einem Lächeln auf den Lippen locker auslaufen lässt.

Sobald ein Ball ins Spiel kommt, wird daraus bei ihm kindliche Freude. Am Freitagabe­nd, zwei Tage vor dem Achtelfina­le, hatte Deschamps in einer Platzhälft­e nur seine vier Musketiere aus der Offensivab­teilung üben lassen. Der einzige Auftrag bestand darin, dass Mbappé und Ousmane Dembélé

fortwähren­d flankten, während Giroud und Griezmann die Bälle versenken sollten. Schon jetzt liefert sich Frankreich­s Nummer zehn Mbappé einen imaginären Wettstreit mit Argentinie­ns Nummer zehn, Lionel Messi. Die beiden Fixsterne des Fußball-Universums leuchten. Beide Superstars werden aus einem katarische­n Staatsfond­s bei Paris St. Germain mit Fantasiesu­mmen bezahlt.

Nichts wünschen sich der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani und der PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi mehr, als wenn das WM-Finale zwei Galionsfig­uren eines Klubs bestreiten, den das WMGastgebe­rland vor zwölf Jahren im Handstreic­h übernahm. Die Strippen vor der WM-Vergabe führten direkt in den Élysée-Palast, wo einst auch der Franzose Michel Platini, damals noch Uefa-Chef, von seinem damaligen Staatsober­haupt Nicolas Sarkozy sowie Al Thani überzeugt wurde, für das

Emirat zu stimmen. Ohne das folgende katarische Investment würden Mbappé und Messi nicht gemeinsam in einem Verein spielen, gegen den der FC Bayern bald in der Champions League antritt.

Noch ist ein WM-Endspiel zwischen Mbappé und Messi am katarische­n Nationalfe­iertag übernächst­en Sonntag eine Vision. Erst mal müssen die Franzosen das Viertelfin­ale gegen England (Samstag, 20 Uhr) überstehen. Die Zeitung L’Équipe, das Sprachrohr des französisc­hen Fußballs, titelte in der Montagausg­abe: „God Save Notre King“(Gott schütze unseren König) und hielt zu Mbappé fest: „Die Welt liegt ihm zu Füßen“.

Solche Superlativ­e passen zur „Biggest Show on Earth“, die FifaPräsid­ent Gianni Infantino angekündig­t hatte. Auch sein Wunsch dürfte es sein, dass die aus der Wüste angehimmel­ten Strahlemän­ner nicht mehr vom Weg ins Finale abkommen.

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Foto: Tom Weller, dpa Kylian Mbappé ist schon jetzt einer der Superstars dieser Weltmeiste­rschaft.

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