Donau Zeitung

Schmatzer auf die Wange

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In Spanien geboren, in Marokko ein Held: Achraf Hakimi ist der auffälligs­te Spieler in dem bislang so starken Team. Nicht nur von der Mutter bekommt er bisweilen einen Kuss auf die Wange.

Doha Zumindest einige Reporter aus Marokko erleben bei der Fußball-WM gerade die Zeit ihres Lebens. Sie tragen auch ein Trikot der Nationalma­nnschaft, wenn sie den Spielern ihre Fragen stellen. Und manchmal gibt es vor der Frage noch einen Schmatzer auf die Wange. Bei Achraf Hakimi allerdings stößt dieser Enthusiasm­us an seine Grenzen. Der frühere Spieler von Borussia Dortmund gibt seine Interviews in Katar auf Spanisch. Ausgerechn­et den besten Spieler ihrer Mannschaft können die Reporter kaum verstehen.

Hakimi wurde vor 24 Jahren in Madrid geboren und von seinem 8. bis zum 20. Lebensjahr bei Real ausgebilde­t. Wenn die WM-Überraschu­ng Marokko am Dienstag (16.00 Uhr/ARD und Magenta TV) im Achtelfina­le auf Spanien trifft, kennt er zumindest einige Spieler des Gegners deutlich länger und vermutlich auch besser als die eigenen. Tauschen möchte er trotzdem nicht. „Unser Team ist mehr als ein Team, wir sind eine Familie. Unsere Generation ist da, um Geschichte zu schreiben“, sagte Hakimi. Der überzeugen­de Gruppensie­g vor dem WM-Zweiten Kroatien und dem WM-Dritten Belgien bedeutete für Marokko bereits die erste Achtelfina­l-Teilnahme bei einer Weltmeiste­rschaft seit 36 Jahren.

Doch das ist dieser Mannschaft noch nicht genug. „Ich sage nicht: Wir werden das Turnier gewinnen. Aber wir können es gewinnen“, meinte der Bayern-Profi Noussair Mazraoui nach dem 2:1 gegen Kanada im letzten Vorrunden-Spiel. Mazraoui und Hakimi stehen gleich in doppelter Hinsicht für Marokkos Erfolg bei dieser WM.

Dem Kader gehören Spieler von Bayern München (Mazraoui), Paris Saint-Germain (Hakimi), FC Chelsea (Hakim Ziyech) und dem FC Sevilla (Bono und Youssef En-Nesyri) an. Die individuel­le Klasse der Marokkaner übersteigt die der anderen afrikanisc­hen Teams in Katar bei weitem. Und dann ist da noch das Leitmotiv dieser WMKampagne, über nichts redet

Marokkos Trainer Walid Regragui bei seinen Pressekonf­erenzen häufiger und lieber. „Wir müssen das Spiel der Europäer kopieren und unsere eigenen Werte einbringen.

Wenn wir das machen, gewinnen wir“, sagte der 47-Jährige. Genau wie Hakimi oder Mazraoui wurde Regragui nicht in Marokko geboren. Er kam in einer Vorstadt von

Paris zur Welt und spielte als Profi unter anderem für den FC Toulouse und AJ Ajaccio in Frankreich sowie für Racing Santander in Spanien. Wenn er in Katar ständig von „Europäisch­em State of Mind“oder „Europäisch­er Haltung“spricht, dann meint er damit das Ergebnisde­nken und die Druckresis­tenz, die Spieler wie Hakimi bei PSG jede Woche brauchen.

Der Abwehrspie­ler verließ seinen Heimatklub Real Madrid einst, weil er dort ausgerechn­et an Spaniens Rechtsvert­eidiger Daniel Carvajal nicht vorbeikam. Erst wechselte Hakimi von 2018 bis 2020 zu Borussia Dortmund, dann für eine Saison zu Inter Mailand, ehe Paris Saint-Germain ihn vor anderthalb Jahren für eine Ablösesumm­e von rund 68 Millionen Euro in sein Starensemb­le einreihte.

„Unsere Generation ist da, um Geschichte zu schreiben.“

Achraf Hakimi

Jeder seiner Ex-Klubs kann bei dieser WM noch einmal sehen, was er an Hakimi hatte. Der Marokkaner kombiniert Schnelligk­eit und Technik in einem Maße, wie das selbst auf diesem Niveau nur selten zu finden ist. Die Dortmunder holten einst den belgischen WMSpieler Thomas Meunier als Ersatz und Inter den Niederländ­er Denzel Dumfries. Beide Klubs trauern Hakimi noch immer hinterher.

Selbst die Spanier wären mittlerwei­le wohl froh, wenn er sich in seiner Jugendzeit für ihr Land und nicht für Marokko entschiede­n hätte. Sein ehemaliger Konkurrent Carvajal jedenfalls verlor nach einem schwachen Auftritt beim 1:1 gegen Deutschlan­d seinen Platz im Team. Für Hakimi stand das aber nie ernsthaft zur Debatte. „Ich hatte Kontakt mit dem spanischen Verband, aber immer vor, für Marokko zu spielen“, sagte er schon vor der WM. „Ich bin ein Produkt der marokkanis­chen Kultur, meine Mutter hat immer arabisch gekocht und ich bin ein praktizier­ender Moslem.“Vielleicht gibt er nach einem Sieg gegen Spanien ja sogar auch ein Interview auf Arabisch. (dpa)

 ?? Foto: Simon, Stacpoole, Witters ?? Schlussjub­el auf der Tribüne: Achraf Hakimi bekommt einen Kuss von seiner Mutter auf die Wange. Manchmal küssen auch marokkanis­che Reporter so die Nationalsp­ieler.
Foto: Simon, Stacpoole, Witters Schlussjub­el auf der Tribüne: Achraf Hakimi bekommt einen Kuss von seiner Mutter auf die Wange. Manchmal küssen auch marokkanis­che Reporter so die Nationalsp­ieler.

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