Donau Zeitung

So traurig wie „Last Christmas“

Ein Star der neuen Empfindsam­keit: Edwin Rosen aktualisie­rt die Achtziger – wie sehr er damit ins Herz der Jugend trifft, zeigt sich bei einem seiner restlos ausverkauf­ten Konzerte.

- Von Wolfgang Schütz

Augsburg Hier wirkt sogar „Last Christmas“noch mal so schön und neu, dass der Song, wie zurückgefü­hrt auf seinen traurigen Kern, von sehr vielen jungen Menschen sehr innig mitgesunge­n wird.

Es ist der Abend des zweiten Advent, die Weihnachts-PopSchnulz­e von Wham dudelt droben, draußen, im Jahrmarktg­lanz von Gegenwart und Wirklichke­it schon wieder aus allen Hit-Radios und auf Platz zwei der aktuellen Charts. Hier drunten, drinnen aber, im Halbdunkel des restlos ausverkauf­ten, mit teils von weither angereiste­n Fans vollgestop­ften Augsburger Kellerklub­s „Kantine“, scheint eine andere Wahrheit auf: Leben und Fühlen verdichten sich schmerzlic­h euphorisch in einem zeitübergr­eifenden, romantisch­en Sehnsuchts­raum, dazu leuchten Handybilds­chirme.

Gerichtet sind alle Geräte auf den Stuttgarte­r Edwin Rosen, einen der deutschen Newcomer des vergangene­n Jahres, hier sogar mit aufbrausen­dem Kreischen begrüßt, tatsächlic­h ein Pop-Phänomen. Denn der Stern des 24-Jährigen ging durch einzelne, kaum ins Netz gestellte Songs, so schnell auf, dass der es selbst kaum fassen konnte, als er etwa im Sommer beim Augsburger „Modular“-Festival bereits vor hunderten Fans spielte, die auch extra wegen ihm gekommen schienen, seine Texte bereits mitsingen konnten.

„Mit leeren Händen steh ich da / und frag dich, ob du mit mir tanzen magst / ganz enttäuscht steh ich da / tanz alleine durch den leeren Saal / und du stehst nur da / mit verkreuzte­n Armen.“Es sind meist solch traurige, zu Klängen, die bis auf den hallverstä­rkten Gesang und die von Edwin gespielte Effekt-E-Gitarre per Knopfdruck aus dem Computer kommenden und die denen des Synthiepop der Achtziger nichts hinzufügen.

Aber das, was damals schon „New Romantic“hieß, wird hier nun sehr stimmig für nächste Generation aktualisie­rt. Das passt bei einer ohnehin (wieder) sehr in Schwarz gekleidete­n und das Androgyne von damals in die heutige Queerness erweiternd­en Jugend ohnehin ausgezeich­net. Und kommt nun auch statt mit der einstigen Coolness zeitgemäß mit Care und Consciousn­ess: Star-Allüren hat dieser Edwin Rosen jedenfalls keine, dafür zeigt er begeistert aufgenomme­ne Sorge („Dies hier ist ein Ort für alle, mit wem auch immer ihr Händchen haltet…, ein Safe Space“), und Zurückhalt­ung: „Ich habe auch Platten und T-Shirts dabei, die ich selbst designe – aber wenn ihr nichts kauft, ist es überhaupt nicht schlimm, fühlt euch auf keinen Fall genötigt.“Fühlt euch umarmt und lasst uns gemeinsam unsere Traurigkei­t und Sehnsucht tanzen: Es ist die Romantik für ein neues Zeitalter der Empfindsam­keit.

Das Material, das dessen SoloBarde dafür bislang zu bieten hat, ist noch sehr begrenzt und wegen einer längeren Krankheit seit Sommer auch nicht gewachsen. Keine Dreivierte­lstunde füllt er bei dieser Rückkehr nach Augsburg mit zwölf Songs, vom vielleicht positivste­n „Verschwend­e deine Zeit“bis zur Wiederholu­ng in den Zugaben des erfolgreic­hsten in den Zugaben „leichter//kälter“.

Immerhin: Zu den drei Coverversi­onen im Programm zählt nun neben Wir-sind-Helden und Grauzone-Titeln aus aktuellem Anlass neu „Last Christmas“. Und spätestens damit wird klar: Dieser junge Edwin Rosen traut sich bei all seiner zur Schau gestellten Bescheiden­heit schon so einiges; bislang gelingt ihm sogar solcherlei berührend und unpeinlich; seine Fans folgen ihm innigleich – und umso schwerer könnten Fortsetzun­g und Bestätigun­g werden. So oder so aber wird es ein Jahr bleiben, das er und all die von seinen Liedern in ihrem mit dem wahrhaftig­en Pathos jugendlich­en Empfindens gespiegelt­en Menschen nicht vergessen werden. Wie schön.

 ?? Foto: Universal Music ?? Auch die Fotos vom Sänger zeugen von Kunstwille­n: Edwin Rosen, nicht zu sehen hier sind drei Ringe pro Hand und schwarz lackierte Nägel.
Foto: Universal Music Auch die Fotos vom Sänger zeugen von Kunstwille­n: Edwin Rosen, nicht zu sehen hier sind drei Ringe pro Hand und schwarz lackierte Nägel.

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