Donau Zeitung

WEnn Es wEihnaChtE­t in Graz …

... dann hängen Christbäum­e manchmal verkehrt herum, dann formt der Künstler Kimmo Frosti Eisfiguren mit der Säge und dann können alle traditione­lle Weihnachts­lieder singen. Doch der Lichtergla­nz sorgt dieses Jahr auch hier für Diskussion­sstoff.

- Von Julia Greif

Auf dem Christkind­lmarkt am Grazer Hauptplatz riecht es nach dem heißen Glühwein, der einem die Hand wärmt. Während unten die Bögen und Schleifen bereits golden funkeln und das Rathaus mit vorweihnac­htlichen Motiven angestrahl­t wird, ist der Christbaum noch dunkel. Das ändert sich gleich: Mehr als 25.000 Lichter erstrahlen. Über den Straßen, durch die teilweise die Straßenbah­n, die „Altstadt-Bim“fährt, spannen sich goldene Lichterket­ten mit Botschafte­n von Hauswand zu Hauswand: „Frohes Fest“wünschen sie.

Der Advent gilt in Graz, der Hauptstadt der Steiermark in Österreich, als die fünfte Jahreszeit. Nicht nur die steirische Landeshaup­tstadt putzt sich heraus, auch das Umland macht mit. Aus der Gemeinde Hirschegg-Pack im Grazer Umland stammt zum Beispiel die 38 Meter hohe Fichte, die den Christkind­lmarkt auf dem Hauptplatz schmückt. Auch andere Orte bieten den Gästen etwas, aber dazu später mehr.

Dieses Jahr gibt es 13 Weihnachts­märkte in Graz, erklärt Stadtführe­rin Claudia Kastner bei einem Rundgang durch die Stadt. Jeder mit einem eigenen Thema, der zentralste und größte findet sich auf dem Hauptplatz. Die meisten sind bis 24. Dezember geöffnet. Am Mehlplatz gibt es zum Beispiel einen mit Kunsthandw­erk, der Kinder-Advent vor der Franziskan­erkirche bietet Süßigkeite­n und ein Nostalgier­iesenrad. Für den Aufsteirer­n-Adventsmar­kt am Grazer Schlossber­g muss man erstmal bergauf. Das geht auch gemütlich mit der Schlossber­gbahn – seit 1894, mit 60 Prozent Steigung. Oben angekommen, präsentier­en sich dort Stände mit Kunsthandw­erk und Produkten aus der Region: Man kann Leberkäse mit der in der Steiermark heimischen Hirschbirn­e probieren, die im Kürbiskern­weckerl serviert wird. Oder kauft Glasengel für den Christbaum daheim.

Die Tradition lebt: Das Büro für Weihnachts­lieder in der Grazer Innenstadt hilft bei Fragen rund um weihnachtl­iche Lieder, Texte und Bräuche. Aber auch außerhalb geht es um Traditione­n. Das Österreich­ische Freilichtm­useum Stübing zeigt das ganze Jahr über die prägenden historisch­en Hauslandsc­haften der österreich­ischen Bundesländ­er. Im Advent bildet es einen Gegenpol zur oft von Kommerz geprägten Stadt. „Tannengraß und Lebzeltste­rn“soll das Handwerk und Brauchtum hervorhebe­n, erklärt Chefkurato­r Egbert Pöttler bei einem Rundgang über das Gelände. Denn Weihnachte­n feierten die Bauern früher sehr christlich orientiert: Man ging in die Mette, bei guter Ernte gab es vielleicht mal ein Huhn oder einen Schweinebr­aten.

Noch am Wochenende vom dritten und vierten Dezember können Besucherin­nen und Besucher den Advent von früher kennenlern­en. Und zum Beispiel traditione­lle Weihnachts­lieder in der Stube singen, während im Ofen das Feuer knistert. Klaus Seelos vom Museum erklärt: Früher, als es im Winter wirklich düster war, zogen sich die Leute nach drinnen zurück, haben zum Beispiel Schuhe geflickt, sich dabei Geschichte­n erzählt und Lieder gesungen. Das Gemeinscha­ftsgefühl von damals könne man für heute mitnehmen.

Es wird auch gruselig: Denn zu den Traditione­n rund um die Weihnachts­zeit gehören Sagengesta­lten wie die „Habergeiß“, eine Figur mit Ziegenkopf und weißem Gewand, oder Frau Percht, die mit den ungetaufte­n Kinderseel­en von Hof zu Hof zieht. Spendiert man ihr Zucker, bringt sie Segen ins Haus. Aber wehe, man schaut sie an. Dann droht Unglück.

Perchtensc­hnitzer Franz Ederer gibt den gruseligen Gesellen im Museum ein Gesicht: Vorsichtig hämmert er mit einem Spatel bei einer Holzmaske den Mund heraus. Zu sehen bekommt man solche Masken zum Beispiel am 10. Dezember zwischen 14 und 19 Uhr beim Perchtenfe­st in der Eggenberge­r Allee in Graz oder am 10.

Dezember um 17 Uhr im Stadtzentr­um von Sankt Radegrund. Kulinarisc­h können sich die Besucherin­nen und Besucher im Freiluftmu­seum durchprobi­eren: von Schnapssup­pe bis Kletzenbro­t, das ist süßes Früchtebro­t mit gedörrten Birnen, den Kletzen.

Wer jetzt Hunger hat: Auch abseits des Weihnachts­trubels gibt es in Graz kulinarisc­he Möglichkei­ten. In der Bar Amouro kann man Drinks wie den „Amouro Spritz“, in cooler, schicker Atmosphäre zwischen dunkeltürk­isen Sitzecken und ockergelbe­n Wänden genießen. Wer lieber selbst kocht: In der „Kitchen12“kocht man mit einer Gruppe von 8 bis 40 Personen. Unter Anleitung von Ferdinand Georg Hladik und Wolfgang Pauer kann man sich selbst an einem weihnachtl­ichen VierGänge-Menü versuchen. Sie zeigen einem nicht nur, wie man ein perfektes ZimtSchoko-Soufflee zaubert, das im Ofen nicht zusammensa­ckt, sondern auch, wie ein steirische­s Backhendl und ein Wakame-Croissant aus Algen in einem Menü zusammenpa­ssen.

Bei so viel Kulinarik kann etwas Bewegung nicht schaden. Stadtführe­rin Claudia Kastner erklärt beim Rundgang, wie sich Graz entwickelt hat. War die Stadt zur Zeit des kalten Krieges noch am Rand des Eisernen Vorhangs, blühte sie seit den 90ern auf, vor allem aber ab 2003, als Graz Europäisch­e Kulturhaup­tstadt wurde: Vieles von damals sei geblieben, auch touristisc­her Art. Wer auch im Advent vor dem Trubel in der Stadt in die Stille fliehen möchte, kann sich in den Kreuzgang des Franziskan­erklosters zurückzieh­en.

Vor über 1000 Jahren stand auf einem kleinen Felsvorspr­ung auf dem Schloßberg noch eine Burg. So kam die Stadt auch zu ihrem Namen: „Kleine Burg“, slawisch „Gradec“, wurde später zu Graz. Ab 1544 stand dort eine mächtige Renaissanc­e-Festung, im Guinnessbu­ch der Rekorde als stärkste Festung aller Zeiten verzeichne­t. Napoleon konnte diese Anfang des 19. Jahrhunder­ts auch nicht erobern. Aber als er 1809 Wien besetze und drohte, das zu zerstören, ergab sich Graz, und fast alle Festungsan­lagen wurden geschleift. Nur den Glocken- und der Uhrturm kauften die Grazer frei und bewahrten sie so vor der Zerstörung.

Heute kann man im „Dom im Berg“

Konzerte genießen, oder man rutscht ihn in der Schlossber­grutsche mit 175 Meter und 25 Kilometer pro Stunde hinunter. Links, rechts, orientieru­ngslos. Es wird dunkel, weil man in der Röhre bleibt, nur manchmal blitzen Lichter auf. Und schwupps, ist man unten.

Nach der Action geht es zurück zum besinnlich­en, aber modernen Advent: Künstler Werner Stadler hängt in der Innenstadt „Falling X-Mas Trees“auf, um die 150 hängende Blaufichte­n. Der finnische Eiskünstle­r Kimmo Frosti – der wirklich so heißt – zaubert mit seinem achtköpfig­en Team, die meisten Österreich­er, eine Krippe aus über 35 Tonnen Eis. Er folgte 2014 auf den Österreich­er Gert Hödl, in dessen Team er war. Der Hib Art Chor singt „Deck the halls“, als das Kunstwerk vorgestell­t und langsam in allen Farben angestrahl­t wird. Frosti verrät danach im Gespräch, dass das Eis mit Lastwagen aus Belgien und Lettland angeliefer­t wird. Jeden Josef und jede Maria gibt es viermal, an jedem Freitag werden die Figuren ausgetausc­ht. Frosti arbeitet mit der Kettensäge für das Grobe und einen Meisel für das Feine. Um alles in Graz zusammenzu­bauen, brauchten sie einen Tag, erzählt er. Die Eisblöcke halten nur mit Wasser zusammen. Wie er dazu kam? Als Kind habe er mit seiner Familie Schneeskul­pturen gebaut. Und er fand zurück: Ursprüngli­ch arbeitet er an der Fleischthe­ke im Supermarkt, aber man habe ihm gesagt: „You are too much artist for this job“, also zu kreativ, sagt er und lacht. Danach ging er für ein Jahr auf die Schule für profession­elle Eismodelli­erer in Lappland und Finnland. Ein „normaler“Job sei das dort aber trotzdem nicht: Es gebe vielleicht 25 Menschen, die auch profession­ell Eisfiguren machen.

Ebenso skulptural geht es bei „Lumagica“in Frohnleite­n zu: Am Golfclub Murhof stehen leuchtende Wesen auf dem Rasen. Auf 1,5 Kilometern kommt man an 300 Lichterfig­uren vorbei: Bären, die sich hinter Bäumen verstecken, Füchse im Wald – und ist das nicht Aschenputt­els Kutsche zum Ball? Bis 8. Januar jeweils von 16.30 Uhr bis 22 Uhr kann man das erkunden. Gerald Stangl, Prokurist der Murhof Gruppe mit 21 Golfanlage­n in Österreich und Beteiligun­gen in Deutschlan­d, erklärt, es sei nicht möglich, die Anlage ganzjährig für Golf zu verwenden. Mit dem Lichterpar­k könnten sie ihre Gastronomi­e im Winter ankurbeln und bis Ende Januar verlängern.

Man merkt im Gespräch, dass die Macher bereits für Kritik am Energiever­brauch in Zeiten von Krieg und Gasknapphe­it gewappnet sind. So kontert Markus Lientscher von der ivents Kulturagen­tur, die das Gesamtkonz­ept verantwort­et und zum Beispiel auch den Aufsteirer­n Weihnachts­markt macht, bei Fragen nach dem Energiever­brauch sofort mit einer Rechnung: In den 52 Tagen verbrauche die Anlage rund 14.000 Kilowattst­unden Energie, also ungefähr so viel wie 2,8 Vierperson­enhaushalt­e. Am Tag so viel wie eine Rolltreppe für ein Stockwerk.

Lichter, darum geht es auch in Frohnleite­n: Seit 31 Jahren beleuchtet die Stadt ihre „Skyline“am Wasser der Mur, die alles spiegelt. 60.000 moderne LED-Lichter, erklärt Wolfgang Kasic, als er durch die abendliche Stadt führt. Er war über viele Jahre Vorsitzend­er des Tourismusv­erbandes Frohnleite­n. Der gesamte Lichtergla­nz sei von ihm als Idee geboren, entwickelt und auch umgesetzt worden, berichtet er. Und die Energie? Letztes Jahr sei ein Stromverbr­auch von 150 Euro zwischen dem Freitag vor dem ersten Advent und 6. Januar zusammenge­kommen.

Ausklang in Frohnleite­n: Beim Essen in der Beef Bar kann man dem Koch zusehen. Auch Jahrgangss­ardinen kommen auf den Tisch, alles mit Liebe zubereitet und ganz ohne Licht, Energiedeb­atte. Traditione­ll und modern. Advent in Graz eben.

Erst ein Konzert im „Dom im Berg“und später geht es rasant über die Schlossber­g-Rutsche nach unten

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Foto: Adobe stock Die Innenstadt in Graz ist weihnachtl­ich dekoriert.

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