So steht es um die Windkraft
Die 10H-Regel wurde kürzlich deutlich aufgeweicht, zur Freude der Windkraft-Branche und der Klimaschützer. Doch das Gesetz hat im Landkreis Dillingen große Spuren hinterlassen.
Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Nie stand mehr auf dem Spiel, nie drängte die Zeit mehr. Ihre Folgen sind auf dem ganzen Planeten zu spüren: in der Antarktis, durch die Buschbrände in Australien oder auf den Gletschern der Alpen. Aber auch in unserer Heimat, dem Landkreis Dillingen. Immer dienstags berichten wir über verschiedene Facetten. Dieses Mal geht es um erneuerbare Energien.
Landkreis Dillingen Windkraft ist ein wichtiger Baustein für die Energiewende, darüber herrscht mittlerweile Einigkeit. Die Bayerische Staatsregierung bezeichnet die Windenergie als – neben der Wasserkraft – kostengünstigste Form regenerativer Stromerzeugung. Außerdem sei von Vorteil, dass sie den meisten Strom im Winter produziere, wenn der Bedarf am höchsten sei.
Im Landkreis Dillingen drehen jedoch derzeit nur insgesamt bei zwölf Windkraftanlagen die Rotorblätter ihre Runden, acht bei Zöschingen, drei bei Wortelstetten und eines bei Glött. Dass es in den vergangenen Jahren nicht mehr geworden sind, liegt vor allem an der 10H-Regelung. Diese gilt im Freistaat seit 2014 und besagt, dass Windkraftanlagen mindestens den zehnfachen Abstand im Vergleich zu ihrer Höhe zur nächsten Wohnbebauung einhalten mussten, um eine Genehmigung zu erhalten. Für Windkraft-Investoren war es den vergangenen Jahren schwer, Standorte im Landkreis Dillingen zu finden. Denn die Region ist vergleichsweise dicht besiedelt. Gleichzeitig erreicht die Windhöffigkeit – also die Windstärke über das Jahr verteilt – keine überragenden Werte. Windräder kämen eigentlich nur auf Anhöhen für wirtschaftliche Nutzung infrage. Zum 16. November wurden in Bayern die Regeln so weit gelockert, dass der Abstand zur Wohnbebauung nur noch mindestens 1000 Meter betragen muss, neben weiteren Änderungen. Nun hofft die Branche auf einen neuen Aufschwung. Doch zunächst eine Bestandsaufnahme: Wie sieht die Lage in den Kommunen im Landkreis Dillingen aus?
Zuerst ein Blick auf den offiziellen Energieatlas, auf dem Vorrangflächen
für den Regionalen Planungsverbands Augsburg eingezeichnet sind. Für den Landkreis Dillingen fällt es leicht, den Überblick zu gewinnen – es gibt hier nämlich keine Vorrangflächen. Auch in benachbarten Landkreisen sieht es nur marginal besser aus. Die nächste größere Vorrangfläche befindet sich westlich von Zusmarshausen. Im Landkreis DonauRies ist ein kleines Gebiet nahe Sulzdorf (nördlich von Donauwörth) als eine solche Fläche gekennzeichnet.
Dabei war die Aussicht schon einmal vielversprechend für die Windkraftbranche. Spannend war etwa die Geschichte in Dillingen. Es gab es laut Auskunft der Stadtverwaltung die Empfehlung von Fachleuten, bei der Regionalplan-Fortschreibung den Standort „DL1“als Vorranggebiet für die Windenergienutzung vorzuschlagen. Dieser liegt südlich des „Tiergartens“an der südlichen Grenze des Stadtgebiets in Richtung Holzheim. Auch bei den Dillinger Bürgerinnen und Bürgern war das Echo auf das Vorhaben wohlwollend, und so wurde der Standort „DL1“im Juni 2012 als
Vorranggebiet für die Windenergienutzung festgelegt. Vom Ortsteil Fristingen wäre es etwa 1,1 Kilometer entfernt gewesen.
Unmittelbar angrenzend an die angedachte Vorrangfläche ist jedoch ein EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen, und innerhalb dieses potenziellen Vorranggebiets verlaufe das FFH-Gebiet „Gräben im Donauried nördlich Eppisburg“, worauf die Regierung von Schwaben die Stadt 2017 hinwies. Ergo wurde es nichts mit der Festschreibung des Vorranggebiets im Regionalplan.Ähnlich lief es in Bissingen: Ende Juni 2012 teilte die Marktgemeinde dem Regionalen Planungsverband Augsburg mit, dass man in Absprache mit den Gemeinden Amerdingen und Finningen beabsichtige, das sogenannte „Gebiet der drei Steine“als gemeinsame Konzentrationsfläche für Windkraftanlagen auszuweisen und einen gemeinsamen Teilflächennutzungsplan aufzustellen. Diesem Vorhaben erteilte das LRA aber 2014 eine Absage. Der Grund auch hier: Es hätte in einem Vogelschutzgebiet gelegen und an ein FFH-Gebiet angegrenzt.
Die Stadt Wertingen schrieb 2013 insgesamt 44 Hektar an Konzentrationsflächen für Windkraft aus, diese erstreckten sich nördlich von Hohenreichen über Possenried bis Hirschbach. Nach kontroversen Diskussionen löste der Stadtrat diese Flächen aber wieder auf. Hauptargument der Windkraftgegner war eben die 10H-Regelung: Die Bürgerinnen und Bürger der Dörfer sollten das gleiche Anrecht auf Abstand von Windkraftanlagen besitzen wie der Rest der bayerischen Bevölkerung.
So viel zum Status quo. Doch das Interesse für Windkraft ist nach wie vor da, und es dürfte durch die neuen Spielregeln für die Branche noch deutlich zunehmen. So meldet etwa die Stadt Lauingen, dass grundsätzliches Interesse von Investoren an Projekten mit regenerativen Energien – auch der Windkraft – durchaus vorhanden sei.
In Holzheim diskutierten die Gemeinde und die Bürgerinnen und Bürger bereits gemeinsam über Windräder. Sechs davon könnten sich in ein paar Jahren im Weisinger Forst drehen. Vorgesehen ist bisher eine drei Hektar große Fläche, die
teils bayerischer Staatswald und Privatbesitz ist. Bürgermeister Simon Peter sagte bei einem öffentlichen Termin im Oktober: „Die erneuerbaren Energien beschäftigen uns alle. Wir wollen an das Thema aufgeschlossen herangehen und auch das Bestmögliche für die Region beschließen.“Und aus der Verwaltung von Buttenwiesen kommt auf Anfrage eine interessante Antwort: Es gebe ein Projekt, dass interkommunal umgesetzt werden soll. Die vorhandenen Windkraftanlagen seien nicht von örtlichen Betreibern errichtet. Das heißt, dass weder die Kommune noch die Bürger vor Ort von diesen Anlagen profitierten. Deshalb würden sie von der Bevölkerung negativ beurteilt. „Das soll zukünftig in jedem Fall anders gehandhabt werden“, so Achim Frank. Sowohl Gemeinde als auch Bürger sollen von den Anlagen profitieren. Erst dann steige die Akzeptanz für solche Anlagen.
Mehr zu den Entwicklungsmöglichkeiten und Hürden für die Windkraft im Landkreis Dillingen lesen Sie in einem der nächsten Teile der Klima-Serie der und