Donau Zeitung

Reichsbürg­er planten Umsturz mit Waffen

Bei einer großen Razzia wird eine rechte Terrorgrup­pe zerschlage­n. Ein Bayer gehörte zur Führung. Wie gefährlich war die Truppe?

- Von Stefan Lange, Holger Sabinsky-Wolf und Michael Stifter

Karlsruhe/Augsburg Ein Prinz aus altem Haus als Regierungs­chef, eine AfD-Politikeri­n als Justizmini­sterin, vielleicht noch ein Ex-Soldat als Verteidigu­ngsministe­r: So haben sich Angehörige der Reichsbürg­erszene offenbar den neuen deutschen Staat vorgestell­t. Für die Umsetzung ihrer Allmachtsf­antasien waren sie bereit, Gewalt auszuüben und zwar so brutal, dass sie in den laufenden Ermittlung­en als terroristi­sche Vereinigun­g eingestuft werden. In der Nacht zu Mittwoch machten 3000 Sicherheit­skräfte in elf Bundesländ­ern diesem Spuk vorläufig ein Ende und nahmen nach einer Razzia bei insgesamt 52 Beschuldig­ten 25 Personen fest. Gegen 13 von ihnen wurde im Tagesverla­uf Untersuchu­ngshaft angeordnet, darunter den als Rädelsführ­er geltende Unternehme­r Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen. Unklar ist, ob die Politik Konsequenz­en aus dem Vorfall ziehen wird.

Ein Mann aus Bayern gehörte nach Recherchen unserer Redaktion zur Führungsri­ege der rechtsextr­emen Terrorgrup­pe. Thomas T. war nach Erkenntnis­sen der Ermittler die rechte Hand des Anführers. Nach dem geplanten Staatsstre­ich sollte er persönlich­er Referent des Prinzen werden. T. hat nach unseren Informatio­nen eine Wohnung oder ein Haus im südlichen Landkreis Augsburg. Das Anwesen wurde am Mittwoch ebenfalls durchsucht. Wohnhaft ist T. im Landkreis Ansbach. Insgesamt wurden sechs Personen aus Bayern festgenomm­en, darunter eine in Kitzbühel und eine in Perugia.

Seit 2016 werden die sogenannte­n Reichsbürg­er vom Verfassung­sschutz beobachtet, die Szene soll dem Geheimdien­st zufolge aus rund 21.000 Hardlinern bestehen. Warum es einigen trotz der Observieru­ng gelingen konnte, ihre Umsturzplä­ne so weit voranzutre­iben?

Das Bundesinne­nministeri­um hatte darauf am Mittwoch keine Antwort, ein Sprecher ließ offen, ob die „Reichsbürg­er“in Zukunft noch schärfer beobachtet werden sollen. Von 2016 bis 2021 wurden demnach zwar 1050 Waffensche­ine von „Reichsbürg­ern“eingezogen. Doch rund 500 weitere Personen besitzen immer noch einen. Ob bei der Großrazzia Waffen gefunden oder beschlagna­hmt wurden, ließ Generalbun­desanwalt Peter Frank offen. Der rechtspoli­tische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich (Augsburg), forderte die Ampel auf, Extremiste­n den Zugang zu Waffen zu verwehren „auch wenn sie legal erworben werden können.“

Gewehre und Pistolen spielten in den Plänen der Gruppe eine große Rolle. „Heimatschu­tzkompanie­n“und andere militärisc­h organisier­te Verbände wollte sie gründen. Ein „Führungsst­ab“war mit der Planung, der Beschaffun­g von Waffen und der Rekrutieru­ng neuer Mitglieder befasst. Über allem thronte der von Heinrich XIII. Prinz Reuß angeführte „Rat“, dessen Mitglieder sich der Bundesanwa­ltschaft zufolge seit November 2021 regelmäßig im Verbogenen trafen, „um die angestrebt­e Machtübern­ahme“zu planen. Dazu wollten sie unter anderem den Bundestag überfallen.

Der „Rat“verfügte ähnlich wie das Kabinett über verschiede­ne Ressorts. Das „Justizmini­sterium“sollte die Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestags­abgeordnet­e Birgit Malsack-Winkemann leiten, die ebenfalls festgenomm­en wurde. Ein Soldat wurde verhaftet, er gehörte dem Kommando Spezialkrä­fte (KSK) an. Der Würzburger Terrorfors­cher Peter Neumann vom Kings’ College London fordert daher eine Debatte um das KSK: „Die Politik muss nun schauen, wie es mit dem KSK weitergehe­n soll beziehungs­weise, ob es mit dieser Einheit überhaupt weitergehe­n kann. Schließlic­h handle es sich um „top ausgebilde­te Kräfte, die Zugang zu Waffen haben, an denen sie geschult wurden.“

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