Donau Zeitung

Wie Angela Merkel ihr eigenes Ansehen beschädigt

Vertrauen ist eines der höchsten Güter, das Politikeri­nnen und Politikern geschenkt wird. Doch es ist kein Präsent für die Ewigkeit. Das erfährt gerade auch die Ex-Kanzlerin.

- Von Margit Hufnagel

Es ist ein paar Wochen her. Der amerikanis­che Ex-Präsident und Wüterich Donald Trump hatte gerade einen seiner Wahlkampfa­uftritte, als er ins Publikum fragte: „Erinnert ihr euch an Angela?“Die Antwort gab er sich zur Sicherheit gleich selbst: „Niemand erinnert sich mehr an sie.“Es war das typisch Trump’sche Zurechtzim­mern seiner eigenen Welt, die sich meist im scharfen Kontrast zur Wirklichke­it bewegt. 16 Jahre lang hat Angela Merkel die Geschicke Deutschlan­ds gelenkt, ihr außenpolit­ischer Einfluss war gewaltig. Und auch heute noch horcht die Republik hin, wenn die Ex-Kanzlerin das Wort ergreift. Nur: Der Respekt, den viele vor ihr hatten, ist einem seltsamen Staunen gewichen. Das Bild, das sie der Nachwelt hinterläss­t, beginnt sich zu wandeln.

Ungewohnt beschwingt ist Merkel bei ihren öffentlich­en Terminen. Nun ist ihr die gute Laune kaum zu verübeln, immerhin ist ihr mit ihrem Amtsende vor einem Jahr eine Last von den Schultern gefallen, die kaum zu bemessen ist. Und doch passt ihre Haltung nicht so ganz in eine Zeit, in der

Deutschlan­d das zwischen den Fingern zerrinnt, worauf es besonders stolz war: seinen Wohlstand. Tief verunsiche­rt sind Wirtschaft und Gesellscha­ft. Je länger Putins Krieg in der Ukraine dauert, umso klarer wird, welche gigantisch­en Herausford­erungen vor unserem Land liegen. Und umso klarer wird auch, dass viele dieser Probleme ihren Ursprung in der Vergangenh­eit haben und es Jahrzehnte dauern wird, sie anzugehen. Jahrzehnte, die wir nicht haben.

Nun ist es mühselig, in alten Kisten herumzukra­men, wenn eigentlich die Zukunft uns beschäftig­en sollte. Doch zum Wesen von guter Politik gehört es eben auch, aus neuen Erkenntnis­sen zu lernen, sich weiterzuen­twickeln. Fehler nicht um einer „mea-culpa“-Folklore willen anzuerkenn­en, sondern um Lehren daraus zu ziehen. Und genau dem verschließ­t sich die Ex-Kanzlerin mit ihrer fast schon bockigen Verweigeru­ng, eigene Irrwege anzuerkenn­en und die auch auszusprec­hen. Dass sie vieles von dem, was in diesem Jahr geschehen ist, geahnt haben will, wirkt dann fast schon grotesk. Es ist eine Tatsache, dass die Russlandpo­litik ihrer Regierunge­n es war, die Deutschlan­d dahin geführt hat, wo es steht.

Ein Jahr nach ihrem Auszug aus dem Kanzleramt erlebt Merkel deshalb, wie ihr Ansehen in hoher Geschwindi­gkeit Schaden nimmt – und das nicht einmal hauptsächl­ich für Dinge, die sie getan hat, sondern für Dinge, die sie nicht getan hat: die Energieabh­ängigkeit von Russland zu reduzieren, die erneuerbar­en Energien ausbauen, die Digitalisi­erung vorantreib­en, die Bundeswehr angemessen ausrüsten. Am Ende rächt sich das, wofür viele Menschen sie am meisten geschätzt haben: Dass sie Zumutungen von ihnen ferngehalt­en hat. Ob das gerecht ist? Vielleicht nicht. Doch darum geht es nicht. Eher darum: Politische Entscheidu­ngen lassen sich nicht aussitzen, höchstens in die Zukunft vertagen – angenehmer werden sie dadurch nicht.

Umso eindringli­cher möchte man Merkels Nachfolger Olaf Scholz warnen zu glauben, er könne ihren Politiksti­l des Nicht-erklären-Wollens und des Pragmatism­us einfach fortsetzen. Der Weg von Scholz wird weitaus steiniger sein als der von Merkel. Die Staatskass­en leeren sich, die Menschen halten mehr an dem fest, was sie haben, das Zeitalter der Globalisie­rung neigt sich dem Ende entgegen. Ohne das Vertrauen der Bevölkerun­g wird das nicht zu bewältigen sein.

Das, was viele an ihr geschätzt haben, wird nun zur Last

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