Mister Hubschrauber geht
Wolfgang Schoder scheidet als Deutschland-Chef von Airbus Helicopters aus. Mit 60 will er sich mehr dem Privatleben widmen. Zum Abschied steigt die Beschäftigtenzahl in Donauwörth wieder über 7000.
Donauwörth Manchmal ist ein Manager am Ende zufrieden damit, wenn er sich verschätzt hat. So sagte Wolfgang Schoder als Deutschland-Chef des Hubschrauberherstellers Airbus Helicopters einst: „Mit gut 5000 Beschäftigten stoßen wir in Donauwörth an unsere Grenze.“Doch schon als die Schallmauer von 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dem nordschwäbischen Standort durchbrochen wurde, gab es mit dem Betriebsrat Diskussionen, ob nicht Schluss sein müsse mit dem Personalaufbau. Schließlich könne das Werk für zivile und militärische Hubschrauber nicht ewig ausgebaut werden. Am Ende taten sich immer neue, so erst mal nicht absehbare Erweiterungsmöglichkeiten, eben neue Flächen auf. Aus 5000 sollten 6000 und schließlich 7000 Angestellte werden.
Doch während der Pandemie baute das Unternehmen rund 350 Arbeitsplätze für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ab. Die Zahl der Beschäftigten rutschte unter die Rekordmarke auf etwa 6500 Stellen. Als das Geschäft wieder anzog, verkündete Schoder, 200 neue Jobs zu schaffen, wobei schon rund 150 entstanden sind. Auch wurden zusätzlich gut 300 Leiharbeiter eingestellt. „Jetzt ist die Personalzahl wieder über 7000 gestiegen“, sagt der Manager in einem Gespräch mit unserer Redaktion.
Es ist ein Abschieds-Interview. Schoder wird Ende Dezember 60. Er legt sein Amt am 7. Dezember nieder und zieht sich ins Privatleben zurück. Und das habe nur positive Gründe. Er wolle einfach mehr Zeit für die Familie und seine Hobbys, also etwa für Sport und Reisen, haben. Über die Wahl seines Nachfolgers ist Schoder sehr zufrieden: „Stefan Thomé ist genau der richtige Mann.“Der 50-jährige Manager ist wie er Ingenieur und war bisher Entwicklungsschef des deutsch-französisch-spanischen HubschrauberProduzenten. Der Deutsche arbeitet seit 2002 für Airbus. Zuvor war er für den einstigen Flugzeugbauer Fairchild Dornier tätig.
Schoder fand 1995 zu dem Luftfahrt-Konzern, der damals noch Dasa hieß. Zunächst beschäftigte er sich mit Militärflugzeugen wie dem noch in der Planung befindlichen Eurofighter. Dass er einmal in die Luftfahrtbranche einsteigt, sei seit seiner Kindheit vorgezeichnet gewesen, als er mit dem Bau von
Flugzeugmodellen begann. Die Begeisterung für die Fliegerei geht auch auf seinen einstigen Skisprung-Trainer im Allgäuer Heimatort Scheidegg zurück: „Wenn ich mich besonders gut angestellt habe, lud er mich zu einer Runde mit seinem Motorsegler über den Ort ein. Das war faszinierend.“
Als der Manager jüngst bei einer Betriebsversammlung in Donauwörth seinen Abgang verkündete, zeigten sich viele betrübt über die Entscheidung. Doch die Beschäftigten applaudierten ihm dann doch ausgiebig. Dass er in Mitarbeiterkreisen derart Anerkennung erfährt, verwundert den Gewerkschafter Jürgen Kerner nicht. Das Vorstandsmitglied der IG Metall ist innerhalb der Organisation für Luftfahrt zuständig und kennt Schoder lange, auch noch als er Chef der Arbeitnehmervereinigung in Augsburg war. Kerner sagt: „Ohne Schoder hätte sich der Standort in Donauwörth nicht so positiv entwickelt.“Sein Nachfolger Thomé sei auch aus Arbeitnehmersicht die beste denkbare Lösung: „Als früherer Entwicklungschef der Gruppe kann er den Standort in die Zukunft führen.“
Nach 16 Jahren als Deutschland-Chef übergibt Schoder das Amt an seinen Nachfolger in wieder wirtschaftlich besseren Zeiten für das Unternehmen. Nachdem das zivile Geschäft schon im vergangenen Jahr nach einem rund zehnjährigen, stetig leichten Rückgang etwas zulegen konnte, zog es 2022 stärker an. Das Unternehmen
geht davon aus, dass sich die positive Entwicklung fortsetzt. Vor allem in den USA, aber auch in Europa ist die Nachfrage wieder größer, während in China auch wegen der Corona-Politik Zurückhaltung zu spüren ist. Da auch das militärische Geschäft stabil ist, steht Airbus Helicopters insgesamt gut da.
Schoder wirkt zuversichtlich, dass Airbus Helicopters am Modernisierungsprogramm von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr beteiligt wird. Hier ist das Unternehmen mit dem leichten militärischen Transport-Hubschrauber H145M im Rennen, den die Bundeswehr schon früher bestellt hat und pünktlich geliefert bekam. Dem Vernehmen nach sind die Militärs mit dem Produkt sehr zufrieden. Beim in Donauwörth gebauten Kampfhubschrauber Tiger kam es immer wieder zu Problemen, auch wenn sich die Situation zuletzt etwas entspannt haben soll.
Der bayerische Standort profitiert davon, dass er auf mehreren Beinen steht, wofür Schoder stets gekämpft hat. Neben der Hubschrauber-Produktion werden in dem Werk von rund 800 Beschäftigten Türen und Tore für Airbus-Flugzeuge gebaut.
Zu all den Sparten ist eine weitere hinzugekommen, die für die Zukunft interessant werden könnte: In Donauwörth wird der CityAirbus, also eine Art Flug-Taxi, wei- ter mit Hochdruck entwickelt. Schoder ist sich sicher: „Das elektrische Fluggerät kommt. Der Trend geht klar zum emissionsfreien Fliegen.“
Inzwischen hat Airbus einen neuen Prototyp vorgestellt. „Die Tests mit dieser Variante des CityAirbus sollen Ende kommenden Jahres in Donauwörth beginnen“, kündigt Schoder an. Zunächst wird das Fluggerät in der eigens gebauten Testhalle auf Herz und Nieren geprüft, bevor dann die Flugeigenschaften des Modells schwebend in Bodennähe untersucht werden und Versuche auf dem Flugfeld in Donauwörth stattfinden. In das jetzige – CityAirbus NextGen genannte – Modell sind zwei Entwicklungen eingeflossen: So war der erste CityAirbus stark im Schweben, während der von Airbus in den USA ausgetüftelte Vahana schnell fliegen konnte.
Mit der Zeit waren sich die Entwickler einig: „Wir brauchen etwas dazwischen.“Der CityAirbus NextGen schwebt gut und kommt rasch voran. Das Luft-Taxi solle erst zu einem späteren Zeitpunkt voll autonom abheben, sagt Schoder. „Anfangs wird ein Pilot an Bord sein, das macht die Zertifizierung einfacher.“Auch beim Antrieb ist eine Weiterentwicklung wahrscheinlich. Zu Beginn wird das Flug-Gerät mit Batterien angetrieben. Airbus untersucht aber auch die Möglichkeit, später Wasserstoff einzusetzen.
Vielleicht wird der CityAirbus einmal ein Hit. Dann könnte es sein, dass der neue DeutschlandChef mit dem Betriebsrat diskutiert, ob der Standort für 8000 und mehr Beschäftigte geeignet ist.