Aufatmen nach Chinas neuem Corona-Kurs
Peking ändert unter großem Druck Null-Covid-Strategie
Chinas pandemischer Paradigmenwechsel ließ sich bereits seit Tagen erahnen, doch am Mittwoch hat die Staatsführung das landesweite Ende von „Null Covid“besiegelt: In einem neuen ZehnPunkte-Plan werden nahezu sämtliche der drakonischen CoronaMaßnahmen entweder deutlich aufgeweicht oder ganz über Bord geworfen. Die Öffnung ist beachtlich: Infizierte, die bisher unter Zwang in Quarantänespitäler transferiert wurden, dürfen sich nun in den eigenen vier Wänden auskurieren.
Flächendeckende Lockdowns, die oft über Nacht ganze Stadtviertel lahmlegten, sind fortan verboten. Und auch die stadtweiten Massentests sind aufgehoben: Nur bestimmte Einrichtungen wie Pflegeheime, Schulen oder große Firmen können noch den Nachweis eines aktuellen PCR-Tests verlangen. Für etliche Chinesen dürften die neuen Maßnahmen für ein tiefes Durchatmen sorgen, macht das neue Regelwerk wieder eine zuverlässige Alltagsplanung möglich. Doch gleichzeitig ist auch nach knapp drei Jahren „Null Covid“die Unsicherheit darüber zu spüren, wie das „Leben mit dem Virus“konkret ausschauen wird.
Ganz offensichtlich ist die pandemische Strategie Xi Jinpings vorzeitiger gescheitert, als es sich die Staatsführung noch vor kurzem
einzugestehen bereit war. Doch der zuletzt überkochende Volkszorn ließ der Parteiführung keine Wahl mehr. Ende November gipfelte der Frust der Leute in der wohl größten Protestwelle seit Jahrzehnten: In dutzenden Städten sind die Menschen gegen die ausufernden Lockdowns auf die Straße gezogen. Die jetzigen Lockerungen sind vor allem als Versuch zu verstehen, die öffentliche Meinung wieder zu besänftigen.
Gleichzeitig hat auch der wirtschaftliche Druck eine entscheidende Rolle gespielt. Erst am Mittwochmorgen lieferte das Pekinger Zollamt desaströse Zahlen: Im Vormonat ist Chinas Außenhandel um satte 9,5 Prozent zurückgegangen - und damit noch stärker eingebrochen als zu Beginn der Pandemie. Auch die Exporte, der bislang zuverlässigste Grundpfeiler der chinesischen Volkswirtschaft, gingen um 8,7 Prozent zurück.
Die ökonomische Misere ist zu weiten Teilen der rigiden „Null Covid“-Strategie geschuldet, doch manche Gründe greifen tiefer: Auch die anhaltende Immobilienkrise sowie die global schwache Nachfrage haben Chinas Wirtschaftsmotor ins Stocken geraten lassen. Die Weltbank erwartet nur mehr ein Wachstum von 2,8 Prozent für das laufende Jahr, was gemessen am chinesischen Entwicklungsstadium bei weitem nicht genug ist.