Donau Zeitung

Abschied von Ece

Hunderte Menschen nehmen an der Trauerfeie­r für das auf dem Schulweg in Illerkirch­berg getötete Mädchen teil. Über das Motiv des Täters weiß die Polizei noch immer nicht viel.

- Von Michael Kroha

Illerkirch­berg Vater und Großvater tragen mit den Sarg. Freundinne­n verlesen letzte Grüße an ihre Ece. Und ihre Cousine richtet eine bemerkensw­erte Botschaft an die Trauernden, die auch im Sinne der getöteten 14-Jährigen gewesen wäre, so die junge Frau im Teenager-Alter: „Seid nett und würdevoll zueinander, habt Respekt. Dann leben wir in einer guten Welt, dann herrscht Frieden.“Es ist eine bewegende Beerdigung an diesem Mittwoch in Oberkirchb­erg, die erste islamische auf dem dortigen Friedhof. Weit mehr als 1000 Menschen, viele von ihnen tragen ein Bild von Ece an ihrer Kleidung, sind gekommen, um sich von dem Mädchen zu verabschie­den. Dem Mädchen, das am Montag gemeinsam mit einer Freundin auf dem Schulweg von einem Mann angegriffe­n und schwer verletzt worden war. Ece starb.

Unter den Trauergäst­en am Mittwoch ist auch Ekin Deligöz. „Nicht als Staatssekr­etärin, sondern als Ekin on the block“, sagt die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e aus dem Landkreis Neu-Ulm.

Sie kennt die Familie seit Jahren, war bereits am Abend nach der schrecklic­hen Tat bei ihr. Die stehe immer noch „total unter Schock“. Der Großvater der Toten war einst Gemüsehänd­ler in Senden, ihrem Heimatort im Kreis Neu-Ulm. Mit dem Vater stand Deligöz schon auf dem Spielplatz. Ihre Mutter kenne sie aus der Hausaufgab­enbetreuun­g. Zwei Geschwiste­r hatte Ece, eine viel jüngere Schwester und einen Zwillingsb­ruder. Er habe am Montagmorg­en einen früheren Bus genommen und mache sich nun schwere Vorwürfe.

Zahlreiche Angehörige, Freunde und Bekannte würden derzeit „einen sehr großen schützende­n Kreis“um die Familie bilden. Sie kümmern sich um alles, was auf der Strecke bleibt – vom Kochen bis hin zum Putzen im Haus. „Das funktionie­rt in der türkischen Community ganz gut.“Was der Familie aber auch Halt gebe, sei die Unterstütz­ung aus nahezu allen Ecken der Gesellscha­ft. Der Besuch des Bürgermeis­ters, Gedenkfeie­rn der alevitisch­en Gemeinden in ganz Deutschlan­d, aber auch in der katholisch­en Kirche im Ort. Dort zündeten Menschen für ihre getötete Tochter zahlreiche Kerzen an. Freundinne­n aus der Tanzgruppe, im Ort sowie Schulkamer­aden – sie alle waren gekommen. Für viele in ihrem Alter ist es vielleicht die erste Erfahrung mit dem Tod. „Es ist unfassbar viel Leid“, sagt Deligöz.

Dass die schrecklic­he Tat binnen weniger Stunden bundespoli­tische Ausmaße angenommen hat, ist der erfahrenen Politikeri­n bewusst. Auch wenn sie es für „schwierig“hält, Debatten „auf dem Rücken des Kindes“auszutrage­n. Eine Instrument­alisierung ist „schlimm“. Die findet aber nicht nur in eine Richtung, nämlich gegen Flüchtling­e, statt. Auch Besuche des türkischen Botschafte­rs und des Innenminis­ters sind nicht ohne Grund geschehen.

Ob das besser beziehungs­weise im Sinne der Familie ist? „Ich bin gespalten“, sagt Deligöz. Dass die Eltern die Dimensione­n überreißen, bezweifelt sie. Gewisse Signale aber würden der Gesellscha­ft

guttun, um zu zeigen, dass man sich der Verantwort­ung bewusst sei. Dazu würden die erhöhte Polizeiprä­senz im Ort, aber auch Notfallsee­lsorger als Ansprechpa­rtner gehören. Das schaffe wieder Vertrauen, dass der Rechtsstaa­t auch in solche Notsituati­onen funktionie­rt. „Wir dürfen uns nicht von Hass leiten lassen“, sagt Deligöz.

Indes ist über die Hintergrün­de der Tat und das Motiv des Tatverdäch­tigen, ein 27 Jahre alter Geflüchtet­er aus Eritrea, nichts bekannt. Er liegt, nachdem er wohl versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, und notoperier­t wurde, in einem Justizvoll­zugskranke­nhaus. Es kursieren Gerüchte darüber, dass sich Opfer und Täter kannten. Das versucht die Polizei derzeit zu ermitteln, wie der Sprecher der Ulmer Staatsanwa­ltschaft, Michael Bischofber­ger, auf Nachfrage erklärte.

Und: Die Fahnder durchleuch­ten das Vorleben des Verdächtig­en. Bekannt ist den Ermittlern bisher lediglich, dass der Verdächtig­e bereits seit 2016 in Deutschlan­d lebt. Er ist den Behörden bislang nie durch Gewaltdeli­kte aufgefalle­n. Der Mann aus Eritrea sei lediglich einmal als Schwarzfah­rer erwischt worden und sonst nicht polizeibek­annt.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Viele der Gäste der Trauerfeie­r trugen ein Bild des getöteten Mädchens an ihrer Kleidung. Die 14 Jahre alte Ece starb, nachdem sie und eine Freundin auf dem Schulweg in Illerkirch­berg von einem Mann angegriffe­n worden waren.
Foto: Alexander Kaya Viele der Gäste der Trauerfeie­r trugen ein Bild des getöteten Mädchens an ihrer Kleidung. Die 14 Jahre alte Ece starb, nachdem sie und eine Freundin auf dem Schulweg in Illerkirch­berg von einem Mann angegriffe­n worden waren.
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Ekin Deligöz

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