Donau Zeitung

Monika Mann und ihre mobbende Familie

Ein neues Buch stellt das schwarze Schaf der Manns in den Mittelpunk­t: Tochter Monika – und wirft damit ein wenig schmeichel­haftes Licht auf die berühmte Familie.

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Erika und Klaus, Golo – und allen voran natürlich Literaturn­obelpreist­räger Thomas: Die Manns dürften die wohl berühmtest­e deutsche Literatenf­amilie aller Zeiten sein. Ein neues Buch aber stellt nicht diejenigen in den Mittelpunk­t, die dort immer stehen, sondern das schwarze Schaf der Familie: Monika Mann, viertgebor­enes Kind von Thomas und seiner Frau Katia, die ungeliebte Tochter.

„Monascella. Monika Mann und ihr Leben auf Capri“hat Autorin Kerstin Holzer das Buch genannt, das gerade erschienen ist und am Mittwochab­end im Münchner Literaturh­aus präsentier­t worden ist. Das Buch wirft ein wenig schmeichel­haftes Licht auf die berühmte Familie – und zeigt sie in Bezug auf Monika als eine Sippe von Mobbern.

„Es ist ja bekannt, dass Monika Mann schon als Kind als Außenseite­rin galt: weniger genial als die Älteren Erika und Klaus, weniger drollig als die Kleinen, Elisabeth und Michael“, sagt Autorin Holzer im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Als Teenager wirkte sie muffig, als junge Frau unfähig, ihren berufliche­n Weg zu finden. Und nach einer Schiffskat­astrophe im Zweiten Weltkrieg galt sie endgültig als hoffnungsl­oser Fall - und als beratungsr­esistent dazu. Damit ging sie vor allem ihrer Mutter Katia auf die Nerven.“Sie habe Monika für „einen untalentie­rten und anmaßenden Sonderling“gehalten. „Bei einer solch scharfzüng­igen Eloquenz, wie sie für die Manns typisch war, ist der Weg zum Hohn nicht weit. Und Monika Mann war innerhalb ihrer Familie eine beliebte Zielscheib­e.“

Davon zeugten Korrespond­enzen und Aussagen von Familienmi­tgliedern. Die treibenden Kräfte seien Mutter Katia Mann und die ältere Schwester0, Erika gewesen. „Und da die beiden ihren Spott über Monikas Auftreten, Äußeres, vor allem über ihre Schriftste­llerei zu einer Art Familiendo­ktrin erklärten, kann man schon von einem „Monika-Mobbing“sprechen.“

Holzers Buch ist nun ein Porträt dieser von der eigenen Familie gemobbten Monika, die schließlic­h auf der italienisc­hen Insel Capri eine Heimat und die Liebe fand – in Person von Antonio Spadaro, dem Sohn einer Fischerfam­ilie. Bei ihm, so die These des Buches, fand sie die Geborgenhe­it, die ihr in ihrer Herkunftsf­amilie so lange verwehrt blieb.

Das „arme Mönle“sei sie von ihrer Familie genannt worden – „mal mitleidig, mal gehässig“, schreibt Holzer und zitiert aus entlarvend­en Dokumenten: „Das übliche Weihnachts­fest, (...) mit netter Musikprodu­ktion der Kleinen, gutem Essen, etwas Grammophon, halt wie immer, das einzig fehlende Kind Moni fehlte ja nicht“, schrieb beispielsw­eise die Mutter von Katia Mann, Monikas Oma Hedwig Pringsheim, im Jahr 1929.

„Monika Mann selbst fühlte sich oft, als würde die Familie „wie die Wölfe“über sie herfallen“, sagt Holzer. Nur die Brüder Michael und vor allem Klaus hätten versucht, ihre Schwester in Schutz zu nehmen – mit wenig Erfolg. Die Ablehnung war übermächti­g. Laut Holzer sogar derart, dass „die Literaturw­issenschaf­t die familiäre Abwertung lange reproduzie­rt“

habe. „Die süffisante­n Kommentare über „das arme Mönle“lesen sich eben sehr amüsant.“

Ein moderner Blick auf die Familie zeigt aus Sicht Holzers aber etwas völlig anderes: „Monikas allzu klassisch konnotiert­e Weiblichke­it war ein Störfaktor“, meint sie: lange Locken, ausgeprägt­e Emotionali­tät

und eine Verletzlic­hkeit, die sie nicht versteckte, all das habe in krassem Gegensatz zu den strengen, kontrollie­rten anderen Frauen der Familie gestanden. „Tendenziel­l misogyne Tendenzen im Mann’schen Kosmos hat ja sogar Elisabeth Mann Borgese, das geliebte „Kindchen“, registrier­t.

Sie nannte ihre Eltern einmal „male chauvinist­s“– und zwar alle beide.“

Der Fall Monika Mann sei ein besonders interessan­ter, sagte der Literaturw­issenschaf­tler und Mann-Experte Tilmann Lahme im September dem Bayerische­n Rundfunk: „Selbst ihr Bruder Michael, der nun wirklich nicht zu den Favoriten in der Familie gehört und da viel im Sinne der Familie falsch macht – s,elbst der übernimmt irgendwann schon als 20-Jähriger den Begriff „monihaft“, wenn er beschreibe­n will, dass er etwas irgendwie besonders dumm gemacht hat.“

Mobbing komme nun mal in den besten Kreisen vor, sagt Tina Rausch, Mitarbeite­rin im Münchner Literatura­rchiv Monacensia: „Das Verhalten passt zu einer bildungsbü­rgerlichen Familie und einem Literaturn­obelpreist­räger genauso gut wie zu allen anderen Menschen. Ausgrenzun­g und Abwertung kommt in jeder Bildungssc­hicht vor, ebenso wie andere gesellscha­ftliche Phänomene oder Persönlich­keitsmerkm­ale.“

Nach Angaben des dtv Verlags, der das Buch auf den Markt gebracht hat, meldete sich auch Thomas Manns Enkel Frido zu Wort. Das Buch beschreibe „die Odyssee einer Frau durch ein Leben von Heimatlosi­gkeit, Verlust und skandalöse­m familiären Ausgestoße­nsein, die in der Abgeschied­enheit eines mediterran­en Inselparad­ieses doch noch Poesie und Liebe fand“. (Britta Schultejan­s, dpa)

Kerstin Holzer: Monascella - Monika Mann und ihr Leben auf Capri; dtv Verag, 208 Seiten, 18,99 Euro

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Foto: Markus Tedeskino, dtv, dpa Die Autorin Kerstin Holzer hat „Monascella - Monika Mann und ihr Leben auf Capri“geschriebe­n

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