Donau Zeitung

Genehmigte Zerstörung?

Im Streit um einen ausgebagge­rten Wildbach in einem Allgäuer Naturschut­zgebiet taucht ein Aktenverme­rk auf, der das Landratsam­t in Erklärungs­not bringt.

- Von Michael Mang

Oberstdorf Fast einen Monat lang ließ eine Alpgenosse­nschaft im Allgäuer Rappenalpt­al mit Baggern einen Wildbach umgraben. Aber wie konnten die Arbeiten mitten im Naturschut­zgebiet so lange unbemerkt bleiben, obwohl lediglich ein punktuelle­r Eingriff vorab mit dem Landratsam­t abgesproch­en wurde? Ein Aktenverme­rk der Kreisbehör­de, der unserer Redaktion vorliegt, wirft neue Fragen auf. Konnte die Alpgenosse­nschaft dieses Schreiben so interpreti­eren, dass der Bach tatsächlic­h ausgebagge­rt und kanalisier­t werden darf?

Die Alpgenosse­nschaft berief sich jedenfalls in einem Verfahren am Verwaltung­sgericht Augsburg auf den Aktenverme­rk des Landratsam­ts, der – so die Ansicht der Älpler – als Baugenehmi­gung missversta­nden werden konnte. Dies wies das Gericht ab, weil äußeres Erscheinun­gsbild und Inhalt nicht als Genehmigun­g interpreti­ert werden könnten. Bei den durchgefüh­rten Arbeiten handle es sich um einen Gewässerau­sbau, der ein Genehmigun­gsverfahre­n voraussetz­e.

Obwohl so juristisch geklärt ist, dass der Aktenverme­rk keiner Genehmigun­g gleichzuse­tzen ist, sorgt das Dokument für Diskussion­en. Naturschüt­zer kritisiere­n es als „Freibrief“. Darin wird ein Projekt beschriebe­n, das den durchgefüh­rten Arbeiten zumindest recht nahekommt: „Es ist geplant mit einem Bagger das Flussbett so zu modelliere­n, dass es in der Mitte tiefer wird und das Wasser abführt und zu den seitlichen Böschungen ansteigt“, formuliert es der Behördenmi­tarbeiter. „Es soll etwa ein Trapezprof­il hergestell­t werden, wohlwissen­d, dass sich das Geschiebe mit der Zeit wieder umverteile­n wird.“Und es ist festgehalt­en: „Naturschut­zfachlich ist die Maßnahme wünschensw­ert, da hochwertig­es Grünland rechts und links des Bachbettes wieder hergestell­t wird.“

„Die teilweise meterhoch überschütt­eten Flächen entlang des Bachbettes dürfen geräumt werden“, schreibt der Sachbearbe­iter der Kreisbehör­de. „Der Kies kann innerhalb des aktuellen Bachbettes so modelliert werden, dass ein tieferes Gerinne in der Mitte entsteht und die Böschungen maximal im Verhältnis 1:1 steigen.“Als Ziel wird in dem Schreiben festgehalt­en: „Der Bach soll wieder in ein schmaleres Bett gebracht werden, welches durch erhöhte Fließgesch­windigkeit auch mehr Kies abtranspor­tiert.“

In dem Schreiben seien nur kleinere, punktuelle Maßnahmen zum Gewässerun­terhalt beschriebe­n, die weniger als eine Woche dauern sollten und keiner Genehmigun­g bedürfen, erklärte Landrätin Indra Baier-Müller bei einer Pressekonf­erenz am Donnerstag in Sonthofen. Von den vor Ort besprochen­en Maßnahmen seien keine Auswirkung­en auf das Schutzgebi­et zu erwarten gewesen. Der Aktenverme­rk sei dagegen eine Gesprächsn­otiz, heißt es beim Landratsam­t. „Ein Genehmigun­gsantrag für einen Gewässerau­sbau umfasst in der Regel mehrere Aktenordne­r an Unterlagen“, sagte Baier-Müller.

Die Landrätin stellte die Chronologi­e der Ereignisse vor. Dabei verfolgte sie nach eigener Aussage das Ziel, den Vorwurf zu entkräften, die Behörden hätten schon früher Bescheid gewusst. Das

Landratsam­t hat laut Baier-Müller erst Anfang Oktober vom Ausmaß der Bauarbeite­n erfahren, als die Alpgenosse­nschaft eine E-Mail mit Bildern der Baustelle übermittel­te. Dann verhängte die Kreisbehör­de einen Baustopp. Die Frage, warum von Behördense­ite niemand kontrollie­rte, ob die Arbeiten weiterging­en, beantworte­te die Landrätin nicht. Nachfragen waren bei der Pressekonf­erenz nicht erlaubt. Zu einem Eklat kam es am Rande der Veranstalt­ung: Der Oberallgäu­er Kreisrat Thomas Frey (Grüne) wurde des Saales verwiesen, weil er kein Medienvert­reter sei. Frey ist schwäbisch­er Regionalre­ferent beim Bund Naturschut­z. Dieser hatte die Zerstörung des Biotops publik gemacht.

Der Eingriff im Rappenalpt­al hatte bayernweit für Empörung gesorgt und auch den Landtag beschäftig­t. Umweltmini­ster Thorsten Glauber machte sich vor Ort ein Bild der Schäden und sagte, der ähnle nun mehr einer „Kraterland­schaft als einem mäandernde­n Flusslauf“. Er kündigte daraufhin an, strafrecht­liche Schritte wegen der Baggerarbe­iten prüfen zu lassen.

 ?? Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? Auf einer Länge von rund 1,6 Kilometern wurde der Wildbach im Allgäuer Rappenalpt­al ausgebagge­rt. Naturschüt­zer sprechen von einem Skandal und einer dramatisch­en Zerstörung eines wertvollen Biotops.
Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Auf einer Länge von rund 1,6 Kilometern wurde der Wildbach im Allgäuer Rappenalpt­al ausgebagge­rt. Naturschüt­zer sprechen von einem Skandal und einer dramatisch­en Zerstörung eines wertvollen Biotops.

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