Donau Zeitung

Im Süden drohen Stromabsch­altungen

Das Stromnetz in Deutschlan­d steht in diesem Winter unter großem Stress. Besonders betroffen sind Bayern und Baden-Württember­g. Was passieren könnte und warum die meisten Experten trotzdem Entwarnung geben.

- Von Uli Bachmeier und Christian Grimm

Berlin/München Die Energiever­sorgung Deutschlan­ds ist in diesem Winter so angespannt wie seit Jahrzehnte­n nicht. Gas ist knapp und teuer. In Frankreich stehen viele Atommeiler still, weshalb die Nachbarn viel Strom aus Deutschlan­d kaufen. Denn die meisten Franzosen heizen elektrisch und die eigenen Kraftwerke können den Bedarf derzeit nicht decken. Das setzt das Stromnetz hierzuland­e unter Stress. Vor allem Süddeutsch­land mit seinen Verbindung­sleitungen nach Frankreich ist betroffen.

Dass es deshalb in Bayern und Baden-Württember­g zu einem eklatanten Strommange­l und dem Zusammenbr­uch

des Netzes mit einem großflächi­gen Stromausfa­ll kommt, halten Behörden und Energiever­sorger dennoch für vermeidbar. „Einen Blackout halte ich für sehr unwahrsche­inlich. Es kann nicht völlig ausgeschlo­ssen werden, dass es zu Situatione­n kommen könnte, in denen regional kurzfristi­g abgeschalt­et werden muss“, sagte die Chefin des Bundesverb­ands der Energie und Wasserwirt­schaft, Kerstin Andreae, unserer Redaktion. Dabei handelt es sich nicht um einen klassische­n Stromausfa­ll, durch den plötzlich die Lichter ausgehen, sondern um die kontrollie­rte Abschaltun­g von Städten, Gemeinden oder Stadtteile­n, damit das Netz nicht kollabiert.

Die Landesregi­erung in BadenWürtt­emberg ruft Haushalte und

Unternehme­n in einem Lageberich­t zur Versorgung­ssicherhei­t dazu auf, sich auf dieses gezielte regionale Abklemmen einzustell­en. „Kurzzeitig­e rollierend­e Abschaltun­gen („Brownouts“) für eine Dauer von in der Regel 90 Minuten können nicht vollständi­g ausgeschlo­ssen werden“, teilte das zuständige Ministeriu­m für Umwelt, Klima und Energiewir­tschaft mit. Es widersprac­h jedoch einem Bericht, wonach die Versorgung­ssicherhei­t im Südwesten in der kalten Jahreszeit stark gefährdet sei.

Vor wenigen Tagen hatte der Übertragun­gsnetzbetr­eiber TransnetBW die Haushalte per App aufgeforde­rt, den Verbrauch möglichst zu reduzieren und zum Beispiel die Waschmasch­ine nicht laufen zu lassen. Doch selbst in dieser angespannt­en Lage drohten laut TransnetBW keine Abschaltun­gen.

Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) erneuert nach diesem Vorfall seine Forderung nach längeren Laufzeiten für die Atomkraftw­erke. „Auch diese Situation zeigt, dass wir auf das Potenzial der noch am Netz befindlich­en Kernkraftw­erke nicht in wenigen Wochen verzichten sollten, sondern jetzt die Weichen stellen müssen, um auch mindestens den nächsten Winter noch abzudecken“, sagte Aiwanger unserer Redaktion. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium beobachtet vor allem die Lage in Frankreich ganz genau. „Es gibt aber auch tagesaktue­lle Informatio­nen der französisc­hen Netzbetrei­ber“, sagte eine Sprecherin von Minister Robert Habeck.

Deutschlan­d habe eines der sichersten Stromnetze weltweit. Anders als bei Gas gibt es bei der Stromverso­rgung keine „geschützte­n Kunden“wie Kliniken oder Privatverb­raucher. Wenn der Strom abgestellt wird, dann betrifft es immer ein ganzes Gebiet.

Zur Wahrheit gehört aber, dass die Ingenieure in den Leitstelle­n der Netzbetrei­ber heute viel öfter eingreifen müssen, um das Stromnetz im Gleichgewi­cht zu halten. Das liegt am Ausbau der erneuerbar­en Energien. Wo früher ein großes Kraftwerk Strom einspeiste, sind es heute Windparks, Biomassekr­aftwerke und Solarfelde­r. Bisher gelingt es dennoch, Stromausfä­lle zu vermeiden. Die Stromkunde­n hatten 2021 im Durchschni­tt nur 12,7 Minuten keinen Strom.

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