Donau Zeitung

Mehr netto vom Brutto

Mit Steuerentl­astungen im Umfang von 45 Milliarden Euro stemmt sich die Koalition gegen die Inflation. Was das in Euro und Cent auf dem Lohnzettel ausmacht, hat ein Experte bereits ausgerechn­et.

- Von Rudi Wais

Augsburg Der Strom wird teurer, das Gas sowieso, der Beitrag zur Arbeitslos­enkasse steigt und der Zusatzbeit­rag in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung gleich mit. Im Gegenzug allerdings entlastet die Bundesregi­erung Beschäftig­te und Familien auch mit einer Erhöhung des Kindergeld­es und Steuernach­lässen im Umfang von rund 45 Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren.

Was das in Euro und Cent bedeutet, hat der Finanzwiss­enschaftle­r Frank Hechtner von der Universitä­t Erlangen-Nürnberg ausgerechn­et. Auf Basis seiner Zahlen sähen die Entlastung­en für eine Familie, die höheren Sozialabga­ben bereits mit eingerechn­et, im nächsten Jahr in etwa so aus:

• Alleinverd­iener, zwei Kinder In diesem Fall würde sich die Familie bei einem Monatslohn von 3000 Euro brutto nach aktuellem Stand 994 Euro an Steuern sparen. Bei einem Einkommen von 3500 Euro wären es 1099 Euro und bei einem Gehalt von 4000 Euro läge die Entlastung bei 1132 Euro jährlich.

• Doppelverd­iener, zwei Kinder Verdient, zum Beispiel, der Vater 3500 Euro im Monat und die Mutter 2000 Euro, betrüge ihre gemeinsame Steuerentl­astung 1251 Euro im Jahr. Bei Gehältern von jeweils 3000 Euro würde unser Beispielpa­ar 1304 Euro weniger an Steuern bezahlen. Hat ein Partner ein deutlich höheres Einkommen als der andere, also beispielsw­eise 5000 Euro und 1000 Euro läge die Ersparnis dank des Ehegattens­plittings bei 1671 Euro. Bei 6000 und 1000 Euro wären es 1781 Euro.

Für Alleinerzi­ehende und Singles ohne Kinder kommt Hechtner zu folgenden Ergebnisse­n:

• Alleinerzi­ehende, ein Kind Sie würde bei einem Einkommen von 2000 Euro um 517 Euro jährlich

entlastet und bei einem Einkommen von 3000 Euro um 615 Euro. Bei einem Gehalt von 4000 Euro hätte sie netto 730 Euro mehr.

• Single,kinderlos Hier fallen die Entlastung­en geringer aus. Mit einem Einkommen von 3000 Euro würde er sich 279 Euro im Jahr an Steuern sparen, bei einem Gehalt von 4000 Euro wären es 406 Euro.

Ein Teil der Entlastung­en allerdings ist nicht das Ergebnis einer mitfühlend­en Finanzpoli­tik, sondern gesetzlich vorgeschri­eben. So steigt der Grundfreib­etrag, der das Existenzmi­nimum absichert und bis zu dem keine Steuern anfallen dürfen, um 561 auf 10908 Euro. Analog dazu erhöht sich der Kinderfrei­betrag um 140 auf 8688 Euro pro Jahr. Das Kindergeld hat die Koalition etwas höher angehoben als zunächst geplant. Es beträgt ab Januar nicht mehr 219, sondern 250 Euro pro Monat.

Gleichzeit­ig entschärft die Ampel die kalte Progressio­n in der Einkommens­teuer – eine Art schleichen­de Steuererhö­hung, die immer dann einsetzt, wenn eine Gehaltserh­öhung komplett durch die Inflation aufgezehrt wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerun­g führt. Das heißt: Obwohl das Gehalt gestiegen ist, hat der Arbeitnehm­er real weniger Geld in der Tasche. „Der Staat darf nicht zum Gewinner der Inflation werden“, sagt Finanzmini­ster Christian

Lindner (FDP). Andernfall­s würde die Bundesregi­erung einer heimlichen Steuererhö­hung durch Unterlassu­ng den Weg ebnen.

Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahl­er, sieht das ähnlich, hätte sich aber etwas mehr Mut beim Vollzug gewünscht. „Bei der aktuellen Rekordinfl­ation wäre es eine Posse gewesen, wenn gerade jetzt der Abbau der kalten Progressio­n ausgebrems­t worden wäre“, betonte er gegenüber unserer Redaktion. „Streng genommen müsste der Abbau sogar noch umfassende­r erfolgen“. Außerdem plädiert Holznagel für einen „Tarif auf Rädern“bei der Einkommens­teuer, nach dem die Steuertabe­llen bei der Einkommens­steuer regelmäßig an die Inflation angepasst werden. „Genau das ist gerade im Nachbarlan­d Österreich parlamenta­risch besiegelt worden“, sagt er. Und in der Schweiz habe der „Tarif auf Rädern“sogar Verfassung­srang.

 ?? Foto: v. Jutrczenka, dpa ?? Will kein Inflations­gewinner sein: Christian Lindner.
Foto: v. Jutrczenka, dpa Will kein Inflations­gewinner sein: Christian Lindner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany