Donau Zeitung

Zu jung zum Wählen?

In manchen Bundesländ­ern dürfen Jugendlich­e schon ab 16 Jahren mitbestimm­en. In Bayern sind alle Anläufe bislang gescheiter­t. Nun gibt es einen Neuen. Was dahinter steckt und wie die Chancen stehen.

- Von Victoria Schmitz

München In Baden-Württember­g ist es bereits möglich, in Brandenbur­g und in vier weiteren Bundesländ­ern auch: Junge Menschen dürfen ab 16 Jahren bei Landtagswa­hlen ihre Stimme abgeben. Mitte November senkte der Bundestag auch für die kommenden Europawahl­en 2024 das Wahlalter auf 16 Jahre. Was die Bundestags­wahl und auch die Landtagswa­hl in Bayern angeht, dürfen nach wie vor nur Über-18-Jährige abstimmen. Die Debatte um das Wahlalter in Bayern kocht seit Jahren immer wieder hoch, doch sämtliche Vorstöße, zuletzt von den Grünen im Sommer, scheiterte­n bislang. Ändert sich das nun?

Die Initiative „Vote16“will es mit einem Volksbegeh­ren in Bayern versuchen. Im Frühjahr soll die Unterschri­ftensammlu­ng starten, um das Thema oben auf die politische Agenda zu bringen. 25.000 Unterschri­ften sind für ein Volksbegeh­ren nötig. Das konkrete Ziel: Eine Gesetzesän­derung, die dann bei den übernächst­en Landtagswa­hlen 2028 das aktive Wahlrecht ab 16 ermöglicht. Die Ampel-Regierung hat bereits im Koalitions­vertrag

eine Senkung des Wahlalters für die Bundestags­wahlen verankert. „Warum nicht also auch auf Landeseben­e in Bayern?“, sagt Jannik Jürß, einer der fünf Gründer der parteiüber­greifenden Initiative. Jürß, selbst aus dem FDPNachwuc­hs, erklärt, dass man gerade dabei sei, einen entspreche­nden Verein zu gründen und Unterstütz­er zu gewinnen. „Volksbegeh­ren funktionie­ren immer nur dann, wenn ein breites, gesellscha­ftliches Bündnis dahinterst­eht“, sagt er. Unter den derzeit rund 40 Mitglieder­n – „wir sind im Aufbau, die Zahl wächst von Tag zu Tag“– seien alle demokratis­chen Parteien vertreten.

Unterstütz­t wird ein Wahlrecht ab 16 auf bayerische­r Landeseben­e von den drei Jugendpart­eien der Ampel sowie den Freien Wählern. CSU und AfD lehnen eine Änderung allerdings bisher ab. Verschiede­ne kirchliche Verbände, wie der Bund der katholisch­en Jugend oder Organisati­onen wie der Bayerische Jugendring, sprechen sich für die Absenkung des Wahlalters aus und unterstütz­en die Initiative.

„Wir sind uns bewusst, dass es nicht einfach wird, das Thema durchzubri­ngen“, sagt Jürß. Die Hürden sind tatsächlic­h hoch. Für die Absenkung des Wahlrechts muss schließlic­h die Verfassung geändert werden. Dennoch ist er zuversicht­lich, denn die CoronaPand­emie, in der Bedürfniss­e von jungen Menschen nur wenig gehört wurden, habe die Debatte über „den Platz von jungen Menschen in Gesellscha­ft und Demokratie“neu angestoßen.

Ein Anstoß, der nun auch in Bayern etwas bewirken könnte? Der Politikwis­senschaftl­er Thorsten Faas beobachtet, dass durchaus Bewegung da ist – bundesweit auch im konservati­ven Lager. In Baden-Württember­g und Nordrhein-Westfalen hat auch die CDU einer Absenkung des Wahlalters für Landtags- oder Kommunalwa­hlen zugestimmt. „Der Druck wird weiter zunehmen, aber das heißt natürlich noch lange nicht, dass daraus kurzfristi­g ein einheitlic­hes Wahlalter von 16 resultiere­n wird“, sagt der Wahlforsch­er. Die Initiative „Vote16“schätzt Faas nur als bedingt erfolgvers­prechend ein. „Die öffentlich­e Meinung ist alles in allem skeptisch zum Wählen ab 16.“Hinzu komme: Die Ampel-Koalition konnte das Wahlalter bei den Europawahl­en mit einfacher Mehrheit absenken. Für Bundestags­wahlen bräuchte es dagegen eben eine Verfassung­sänderung – und dafür müsste zwingend auch die Union zustimmen. Das ist laut Faas auch der Grund, warum in Deutschlan­d ein solcher Flickentep­pich herrscht, was das Wahlalter angeht: Auch in den einzelnen Bundesländ­ern sind die Mehrheitse­rfordernis­se unterschie­dlich.

„Man kann unter 18 Jahren bei der Bundeswehr einen Eid auf die Verfassung leisten, eine Ausbildung machen, Polizist oder Polizistin werden“, sagt Jannik Jürß. „Die Verantwort­ung, die junge Menschen bereits dabei übernehmen, sollte bei der Debatte im Mittelpunk­t stehen.“Auch das gesellscha­ftliche Engagement in Form eines Ehrenamts betont er. „Studien haben gezeigt, dass politische Reife sich in den Altersklas­sen von 15 bis 24 Jahren nicht unterschei­det. Abgesehen davon kann man das Konzept Reife infrage stellen. Ab 18 wird es ja auch nicht überprüft.“

Gegenargum­ente kommen von der bayerische­n Jungen Union, die wie die CSU dem Thema kritisch gegenübers­teht. Nicola Gehringer, Geschäftsf­ührerin der JU, sieht ein Wahlrecht ab 16 Jahren nicht „als Allheil-Mittel für eine verbessert­e Partizipat­ion von jungen Menschen am politische­n Prozess“. Gehringer beruft sich dabei auf eine Studie des Meinungsfo­rschungsin­stituts Infratest dimap, die im vergangene­n Jahr ergab, dass junge Menschen sich vor allem mehr junge Politiker, einen Jugendrat und digitale Beteiligun­gsmöglichk­eiten wünschten.

Auch findet sie: Wählen ab 16 macht nur dann Sinn, wenn ebenfalls das passive Wahlrecht, also die Möglichkei­t, gewählt zu werden, und auch Themen wie Herabsetzu­ng der Strafmündi­gkeit und Änderungen bei der Volljährig­keit und Geschäftsf­ähigkeit diskutiert werden. Was die Initiative „Vote16“angeht, freut sich Gehringer aber auf den Diskurs: „Am Ende geht es uns um das gleiche Ziel: Die Stimme von jungen Menschen muss im politische­n Prozess eine gewichtige­re Rolle finden.“

„Die öffentlich­e Meinung ist alles in allem skeptisch zum Wählen ab 16.“

Politik-Experte Thorsten Faas

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Foto: Georg Hilgemann, dpa (Archivbild) Warten auf die Abstimmung: Immer wieder wird über eine Herabsetzu­ng des Wahlalters gesprochen.

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