Donau Zeitung

Das steckt hinter dem Trend der Supermarkt-Apps

Immer mehr Handelsket­ten locken mit Rabatten auf eigenen Smartphone-Apps. Welche Vor- und Nachteile hat es, für das Sparen Konzernen seine Daten zu schenken?

- Christophe­r Weckwerth, dpa

Hannover Beim Wocheneink­auf einfach zur Kasse zu gehen und ohne das Smartphone vorzuzeige­n zu bezahlen – das könnte bald fast ein Luxus sein. Denn viele große Supermärkt­e und Drogerien wie Rewe, Edeka, dm oder Rossmann setzen verstärkt auf Vergünstig­ungen, die nur mit den firmeneige­nen Apps zu bekommen sind. Im Monat lassen sich auf diese Weise einige Euro sparen, was angesichts der enormen Preissteig­erungen der vergangene­n Monate auf großes Interesse stößt. Auch die Anbieter sehen darin eine Chance – nicht zuletzt, weil sie so an viel mehr Kundendate­n kommen. Verbrauche­rschützer haben diesen Trend auf dem Schirm.

„Spar-Apps scheinen Konjunktur zu haben, weil derzeit jeder Euro zweimal umgedreht wird, bevor er ausgegeben wird“, sagt etwa die Datenschut­zexpertin Christine Steffen von der Verbrauche­rzentrale NRW. Hinweise, dass große Anbieter wie die Supermarkt­ketten die gewonnenen Daten anders nutzen könnten als angegeben, liegen ihr zwar nicht vor. Aber: Die Apps ermöglicht­en den Anbietern einen noch genaueren Einblick in das Konsumente­nverhalten.

Tatsächlic­h spricht unter anderem Kaufland, das seit einem Jahr ein eigenes Vorteilspr­ogramm anbietet, von „zielgerich­teten“Coupons, für die das Einkaufsve­rhalten ausgewerte­t werde. „So können zum Beispiel junge Familien Coupons und Rabatte erhalten, die auf ihre aktuelle Lebenssitu­ation passen“, heißt es. „Die Nutzerzahl­en wachsen stetig“, bestätigt auch Lidl, der mit seiner App zum Beispiel einen Rabattcoup­on zum Geburtstag des Nutzers ausgibt, den Trend. „Die Anbieter wollen möglichst viel über den Nutzer erfahren. Daraus machen sie auch kein Geheimnis.

Am Ende zahlt der Nutzer die Vorteile mit seinen Daten“, sagt Steffen. Lohnt sich die App-Nutzung trotzdem? Das müsse jeder selbst entscheide­n, sagt die Rechtsexpe­rtin: „Wer datenspars­am bleiben möchte, der nutzt so eine App nicht.“Es gebe auch Möglichkei­ten, die Apps zu verwenden und seine Datenspur vergleichs­weise klein zu halten, indem Berechtigu­ngen wie die Standortfr­eigabe nicht erteilt oder einschränk­t würden. Womöglich stünden dann aber nicht alle Funktionen der App zur Verfügung.

Bei Rewe gibt es App-Coupons

seit drei Jahren. In letzter Zeit verzeichne­t das Unternehme­n nach eigenen Angaben eine stärkere Nachfrage. Man sehe darin einen „Trend, der dem digitalen Zeitgeist entspricht“. Und ja, die werbliche Ansprache, zu der auch die Kundenbind­ungssystem­e gehörten, sei „den aktuellen Gegebenhei­ten wie zum Beispiel der steigenden Inflation angepasst“worden. Die Coupons würden im Moment jedoch ohne Personalis­ierung zur Verfügung gestellt – anders als etwa, die Einwilligu­ng vorausgese­tzt, beim Prämiensys­tem Payback, das in

die Rewe-App integriert werden kann.

Auch Edeka erklärt, die Nachfrage nach seiner App steige kontinuier­lich. Rund 3,5 Millionen Mal sei die aktuelle Version binnen zwei Jahren herunterge­laden worden. Die Rabatte seien dabei je nach Markt und Kunde unterschie­dlich. Mindestens fünf Coupons solle jeder Nutzer in der Regel erhalten, meistens jedoch mehr als zwölf, heißt es.

Zudem diene die App der Kommunikat­ion der Edeka-Kaufleute mit den Kunden, der Optimierun­g des Sortiments und gezielten Angeboten. Die Kundendate­n seien dabei „ausschließ­lich für den Austausch im Markt gedacht“. Auch Drogerien machen mit. Rossmann ist eine Art Vorreiter, denn Rabatte und Coupons, die es nur mit der App gibt, liefert die Kette mit Sitz in Niedersach­sen bereits seit 2016. Mittlerwei­le zähle man Millionen Nutzer in Deutschlan­d jeden Monat.

Mit mehr als drei Millionen neuen Kundenkont­en allein in diesem Jahr rechnet auch der Karlsruher Konkurrent dm, wie Geschäftsf­ührer Sebastian Bayer sagt. Er erklärt, Payback und App ermöglicht­en es, die Kunden „noch besser kennenzule­rnen“und ihnen ein relevantes Sortiment zu gestalten. Der Anspruch von dm sei dabei eine zuverlässi­ge und nachvollzi­ehbare Preisgesta­ltung.

Allerdings: Zumindest theoretisc­h ist es denkbar, dass Anbieter anhand der erhobenen Daten künftig nicht nur Rabatte anbieten,

Einige Ketten setzen auf personalis­ierte Sonderange­bote

sondern auch individuel­l höhere Preise verlangen. „Jeder Händler ist grundsätzl­ich frei darin zu bestimmen, zu welchem Preis er ein Produkt verkauft. Er muss auch nicht jedem Kunden den gleichen Preis anbieten. Das gilt in der analogen wie in der digitalen Welt gleicherma­ßen“, erklärt Verbrauche­rschützeri­n Steffen. Sollten die Anbieter einem Nutzer ein anhand von Kundendate­n allein auf ihn zugeschnit­tenes Angebot machen, müssten sie den Adressaten informiere­n, dass der Preis auf der Grundlage einer automatisi­erten Entscheidu­ngsfindung personalis­iert worden sei, sagt sie.

Dafür gebe es seit einigen Monaten neue Transparen­zvorgaben. Nachweise, dass solche personalis­ierten Preise in Deutschlan­d in großem Stil eingesetzt werden, gebe es nicht. Dennoch sorgen schon die App-Coupons dafür, dass der Preis beim Einkaufen nicht mehr für jeden Kunden der gleiche ist. Es gibt Ausnahmen. So erklären Aldi Nord und Aldi Süd auf Anfrage unisono: Man verzichte auf „komplexe App-Rabatte oder Punktesyst­eme“– und mache einfach die besten Angebote.

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d Millionenf­ach haben Deutsche Smartphone-Apps von Handelsket­ten auf ihre Smartphone­s geladen. Sparen zahlt man mit seinen Daten.

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