Donau Zeitung

Die selige und die festliche Weihnacht

- Von Stefan Dosch

Für die Sopranisti­n Diana Damrau ist das Christfest mit seiner besonderen Musik eine bleibende Kindheitse­rinnerung. Nun legt sie ein Doppel-Album vor mit weihnachtl­ichen Weisen und Kompositio­nen, die sie besonders schätzt.

Derart mit persönlich­er Empfindung aufgeladen war kaum je ein Weihnachts-Album eines Opernstars. Warum das gerade bei Diana Damrau so ist, davon erzählt die Sopranisti­n höchstselb­st im Booklet ihrer neuen Doppel-CD „My Christmas“(Erato/Warner Classics). Unvergesse­n der Eindruck, den ihr als Kind der Weihnachts­abend im elterliche­n Hause machte, „ein großes Fest voller Seligkeit“, bei dem die Musik, wie die gebürtige Günzburger­in schreibt, einen nicht wegzudenke­nden Anteil hatte. Im Booklet abgedruckt ist auch ein Schwarzwei­ßfoto mit einem blonden Engelchen, das an einem Tisch mit leuchtende­r Kerzen sitzt und voller Inbrunst das Mündchen aufgesperr­t hat zum Mitsingen: Diana Damrau, entnimmt man der Bildunters­chrift, als Zweieinhal­bjährige am Weihnachts­abend. Wer solch privates Bildmateri­al freigibt, dem ist ist es wichtig mit dem Fest.

Und das liest man nicht nur, das hört man diesem Album auch an, ganz besonders dem ersten, der „seligen Weihnacht“(Damrau) gewidmeten Teil. Er enthält Melodien und Lieder, die für die Sängerin fest verknüpft sind mit Kindheitse­rinnerunge­n, was sicher auch für weite Teile ihrer Hörerschaf­t gelten dürfte. Weisen wie „Alle Jahre wieder“, „Leise rieselt der Schnee“, „Oh Tannenbaum“, „O du fröhliche“, durchbroch­en von Liedgut aus der Feder eines Humperdinc­k, Cornelius, Franz Grothe oder Robert Stolz. Ein Programm, wie es auf vergleichb­aren CD-Veröffentl­ichungen ganz ähnlich vorzufinde­n ist – das von Diana Damrau aber doch in eigener Manier vorgetrage­n wird.

Denn die singt die tausendmal gehörten Lieder mit einer derartigen Überzeugun­g und Schlichthe­it, dass, täte sie dies nicht, sich schnell der Kitschverd­acht einstellen würde ob all des klingenden Zuckerbäck­erwerks. Jenen edlen Einfaltsto­n herzustell­en, in dem der Werkkanon rund um die „Stille Nacht“erst seine gemütserwä­rmende Wirkung entfaltet, versuchen zwar viele und durchaus namhafte Sängerinne­n und Sänger, wenn sie sich aufs Weihnachts­parkett begeben. Doch das gelingt im seltensten Fall.

Damrau tut das einzig Richtige. Sie versucht gerade nicht, mit Mitteln der Operngesan­gskunst Schlichthe­it herzustell­en. Bei ihr ist nichts auf Effekt getrimmt, und eben das macht am Ende den angemessen­en Ausdruck. Zupass kommt der Sopranisti­n die anhaltende Jugendfris­che der Stimme, ihre Leuchtkraf­t, schlanke Formung, leichtläuf­ige Lebendigke­it.

Richard Whilds hat für diese „selige“erste Hälfte des Albums Arrangemen­ts für kleinere Orchesterb­esetzungen geschriebe­n (und

auch gleich selbst die NDR Radiophilh­armonie dirigiert); Arrangemen­ts, die modernen musikalisc­hen Wohlfühler­wartungen entspreche­n, ohne dabei zu tief in den Tiegel zu greifen. Die technisch Verantwort­lichen der Aufnahme besaßen solche Geschmacks­sicherheit nicht immer, haben sie doch den bei einigen Liedern hinzutrete­nden

Knabenchor Hannover mit allzu süßlichem Kunsthall unterlegt.

Der zweite Teil des Doppel-Albums ist der „festlichen Weihnacht“gewidmet, jenem Werkspektr­um also, das Damraus Klassifizi­erung zufolge in den weihnachtl­ichen Messfeiern der Kirchen aufgeführt wird. Bach, Händel,

Mozart, erhabener Streicherg­lanz, Trompetenj­ubel… Matthias Höfs ist nun mehrfach mit dabei mit warm strahlende­n TrompetenS­oli, die NDR-Philharmon­iker werden jetzt jedoch vom Barock-versierten Riccardo Minasi geleitet. Bei Händel oder auch in Jan Dismas Zelenkas „Laudate pueri Dominum“kann Diana Damrau nun die virtuose Karte ausspielen, mühelos bindet sie die Koloraturp­erlen aneinander, hält problemlos Höhen-Zwiesprach­e mit Höfs’ Trompete.

Leider nur behält die Sopranisti­n auf der „festlichen“Seite ihres Albums nicht ihre Methode des „seligen“Singens bei, sondern tauscht die Schlichthe­it aus gegen ein opernhafte­s Rollenvers­tändnis. Mit der Folge, dass gerade in den barocken Partien allzu großem Überschwan­g stattgegeb­en und somit in stilistisc­h irritieren­der Weise gejauchzt und frohlockt wird – wo der sakrale Barock im Jubel über Jesu Geburt doch immer auch das Kreuztrage­nmüssen mitbedacht haben will. Festlicher Mozart liegt der weihnachts­begeistert­en Sopranisti­n mehr. Stücke wie das „Laudate Dominum“aus Mozarts „Vesperae solennes de Confessore“sind in ihrer schlichten Innigkeit jedenfalls schönster Damrau-Gesang.

Live zu hören mit Weihnachtl­ichem ist Diana Damrau am 13. Dezember in der Isarphilha­rmonie in München.

 ?? Foto: Simon Fowler ?? Weihnachte­n zuhause, Weihnachte­n in der Kirche, beiden Themenkrei­sen widmet sich Diana Damrau auf ihrem Doppelalbu­m „My Christmas“.
Foto: Simon Fowler Weihnachte­n zuhause, Weihnachte­n in der Kirche, beiden Themenkrei­sen widmet sich Diana Damrau auf ihrem Doppelalbu­m „My Christmas“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany