Die selige und die festliche Weihnacht
Für die Sopranistin Diana Damrau ist das Christfest mit seiner besonderen Musik eine bleibende Kindheitserinnerung. Nun legt sie ein Doppel-Album vor mit weihnachtlichen Weisen und Kompositionen, die sie besonders schätzt.
Derart mit persönlicher Empfindung aufgeladen war kaum je ein Weihnachts-Album eines Opernstars. Warum das gerade bei Diana Damrau so ist, davon erzählt die Sopranistin höchstselbst im Booklet ihrer neuen Doppel-CD „My Christmas“(Erato/Warner Classics). Unvergessen der Eindruck, den ihr als Kind der Weihnachtsabend im elterlichen Hause machte, „ein großes Fest voller Seligkeit“, bei dem die Musik, wie die gebürtige Günzburgerin schreibt, einen nicht wegzudenkenden Anteil hatte. Im Booklet abgedruckt ist auch ein Schwarzweißfoto mit einem blonden Engelchen, das an einem Tisch mit leuchtender Kerzen sitzt und voller Inbrunst das Mündchen aufgesperrt hat zum Mitsingen: Diana Damrau, entnimmt man der Bildunterschrift, als Zweieinhalbjährige am Weihnachtsabend. Wer solch privates Bildmaterial freigibt, dem ist ist es wichtig mit dem Fest.
Und das liest man nicht nur, das hört man diesem Album auch an, ganz besonders dem ersten, der „seligen Weihnacht“(Damrau) gewidmeten Teil. Er enthält Melodien und Lieder, die für die Sängerin fest verknüpft sind mit Kindheitserinnerungen, was sicher auch für weite Teile ihrer Hörerschaft gelten dürfte. Weisen wie „Alle Jahre wieder“, „Leise rieselt der Schnee“, „Oh Tannenbaum“, „O du fröhliche“, durchbrochen von Liedgut aus der Feder eines Humperdinck, Cornelius, Franz Grothe oder Robert Stolz. Ein Programm, wie es auf vergleichbaren CD-Veröffentlichungen ganz ähnlich vorzufinden ist – das von Diana Damrau aber doch in eigener Manier vorgetragen wird.
Denn die singt die tausendmal gehörten Lieder mit einer derartigen Überzeugung und Schlichtheit, dass, täte sie dies nicht, sich schnell der Kitschverdacht einstellen würde ob all des klingenden Zuckerbäckerwerks. Jenen edlen Einfaltston herzustellen, in dem der Werkkanon rund um die „Stille Nacht“erst seine gemütserwärmende Wirkung entfaltet, versuchen zwar viele und durchaus namhafte Sängerinnen und Sänger, wenn sie sich aufs Weihnachtsparkett begeben. Doch das gelingt im seltensten Fall.
Damrau tut das einzig Richtige. Sie versucht gerade nicht, mit Mitteln der Operngesangskunst Schlichtheit herzustellen. Bei ihr ist nichts auf Effekt getrimmt, und eben das macht am Ende den angemessenen Ausdruck. Zupass kommt der Sopranistin die anhaltende Jugendfrische der Stimme, ihre Leuchtkraft, schlanke Formung, leichtläufige Lebendigkeit.
Richard Whilds hat für diese „selige“erste Hälfte des Albums Arrangements für kleinere Orchesterbesetzungen geschrieben (und
auch gleich selbst die NDR Radiophilharmonie dirigiert); Arrangements, die modernen musikalischen Wohlfühlerwartungen entsprechen, ohne dabei zu tief in den Tiegel zu greifen. Die technisch Verantwortlichen der Aufnahme besaßen solche Geschmackssicherheit nicht immer, haben sie doch den bei einigen Liedern hinzutretenden
Knabenchor Hannover mit allzu süßlichem Kunsthall unterlegt.
Der zweite Teil des Doppel-Albums ist der „festlichen Weihnacht“gewidmet, jenem Werkspektrum also, das Damraus Klassifizierung zufolge in den weihnachtlichen Messfeiern der Kirchen aufgeführt wird. Bach, Händel,
Mozart, erhabener Streicherglanz, Trompetenjubel… Matthias Höfs ist nun mehrfach mit dabei mit warm strahlenden TrompetenSoli, die NDR-Philharmoniker werden jetzt jedoch vom Barock-versierten Riccardo Minasi geleitet. Bei Händel oder auch in Jan Dismas Zelenkas „Laudate pueri Dominum“kann Diana Damrau nun die virtuose Karte ausspielen, mühelos bindet sie die Koloraturperlen aneinander, hält problemlos Höhen-Zwiesprache mit Höfs’ Trompete.
Leider nur behält die Sopranistin auf der „festlichen“Seite ihres Albums nicht ihre Methode des „seligen“Singens bei, sondern tauscht die Schlichtheit aus gegen ein opernhaftes Rollenverständnis. Mit der Folge, dass gerade in den barocken Partien allzu großem Überschwang stattgegeben und somit in stilistisch irritierender Weise gejauchzt und frohlockt wird – wo der sakrale Barock im Jubel über Jesu Geburt doch immer auch das Kreuztragenmüssen mitbedacht haben will. Festlicher Mozart liegt der weihnachtsbegeisterten Sopranistin mehr. Stücke wie das „Laudate Dominum“aus Mozarts „Vesperae solennes de Confessore“sind in ihrer schlichten Innigkeit jedenfalls schönster Damrau-Gesang.
Live zu hören mit Weihnachtlichem ist Diana Damrau am 13. Dezember in der Isarphilharmonie in München.