Menschen im Landkreis sind gesünder
In der Auswertung einer Krankenkasse schneidet unsere Region in Sachen Krankheitslast besonders gut ab. Wie passt das zusammen mit dem Ärztemangel in der Region?
Landkreis Dillingen Einen Datenschatz will die Krankenkasse Barmer gehoben haben. Der Schatz betrifft die Gesundheit der Menschen in ganz Deutschland, die Daten lassen sich aber auch auf Landkreisebene eingrenzen. Das Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (Bifg) hat die Krankheitsfälle in Deutschland analysiert, wegen derer ihre Versicherten in einem bestimmten Zeitraum einen Arzt aufgesucht haben. Anhand dieser Daten könne man schließen, wie „gesund“welche Region in Deutschland sei, so die Kasse in ihrer Pressemitteilung. Der daraus entstandene „Morbiditäts- und Sozialatlas“zeigt etwa, dass manche Krankheiten in manchen Regionen gehäuft vorkommen. Er zeigt für den Kreis Dillingen vor allen Dingen einen erfreulichen Trend, der jedoch einen kleinen Haken haben könnte.
Wie misst man, wie gesund ein Landkreis ist? Die Herangehensweise des Bifg sieht folgendermaßen aus: Alle Versicherten der Krankenkasse
in Deutschland bilden die Grundgesamtheit. Auf dieser basiert je nach Krankheitsbild ein sogenannter „Gesamtmorbiditätsindex“, eine Zahl, die aussagt, wie häufig Menschen in Deutschland pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohnern mit einer bestimmten Krankheit zum Arzt gegangen sind. Wird eine Krankheit in einer Region öfter diagnostiziert als anderswo, ist der Index größer 1.
Im Kreis Dillingen etwa liegt der Wert aller Krankheiten bei 0,72. Das bedeutet, dass die Menschen hier im deutschlandweiten Vergleich „gesünder“sind. Die Daten stammen aus dem Jahr 2020, die Barmer analysiert diese jedoch schon seit 2018. Und schon da schnitt der Kreis Dillingen im Vergleich gut ab. Die Zahl der Tumorerkrankungen ist etwa um 20 Prozent niedriger als im Bundesdurchschnitt, die Zahl der Schlaganfälle um 27 Prozent. Die Zahl der Bluthochdruckerkrankungen ist um 23 Prozent niedriger als in ganz Deutschland. Da die Barmer-Versicherten nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind, wurden die Daten mithilfe statistischer Verfahren hochgerechnet, schreibt die Krankenkasse in ihrer Studiendokumentation.
Beim Drogen- und Alkoholmissbrauch bewegt sich der Kreis jedoch ziemlich nah am deutschen Durchschnitt. Die Zahl der Fälle ist hier nur drei Prozent niedriger als im Schnitt. Doch was kann man aus diesen Daten schließen? In der jüngeren Vergangenheit gab es im Kreis immer wieder Beschwerden über die Hausarzt-Situation. Erst kürzlich wandten sich erneut Hausärzte an unsere Redaktion, die wiederholt die schlechte Bedarfsplanung beklagten (wir berichteten). Sie kritisieren, dass sich von politischer Seite nichts an der Bedarfsplanung ändere. Die Ärzte sprachen davon, dass das System nahe dem Zusammenbruch sei.
Der Kreis Dillingen gilt in Sachen Hausarztdichte als regelversorgt, doch sind viele der Mediziner bereits schon nahe dem Rentenalter oder darüber hinaus. In manchen Praxen gebe es laut den Medizinern bereits einen Aufnahmestopp. Wie passen die Zahlen der Barmer mit dem Ärztemangel zusammen?
Der „gesunde Landkreis Dillingen“, so erfreulich diese Nachricht auch ist, es gibt einen kleinen Haken: „Solche Morbiditätsfaktoren gehen seit 2019 in die Bedarfsplanung für kassenärztliche Sitze ein“, sagt die Chefin des Dillinger Gesundheitsamtes Uta-Maria Kastner. Zwar gebe es noch weitere Faktoren, wie etwa die Altersstruktur. Doch je gesünder ein Kreis, desto weniger Ärzte könnten ihm auf Basis einer bundesweit geltenden Richtlinie dafür zugestanden werden.
Die allgemeine Verhältniszahl für Bayern liege bei 1609 Patientinnen und Patienten pro Hausarzt. Hier bei uns versorge im Planungsbereich Dillingen ein Hausarzt oder eine Ärztin 1748 und in Lauingen 1696 Menschen. „Das bedeutet eine Mehrbelastung von durchschnittlich über 100 Menschen pro Arzt im Vergleich zur allgemeinen Verhältniszahl.
Für die Gesundheitspolitik des Landkreises sieht Kastner die Statistik jedoch zunächst einmal als erfreulich. Im Jahr 1998 und 2008 hatten Sozialberichte gezeigt, dass der Kreis in Sachen Sterblichkeit schlechter abschnitt als andere in Bayern. „Wir waren da ziemlich am Ende der Skala“, sagt Kastner. Die Menschen hier hatten also eine geringere Lebenserwartung als anderswo.
Inzwischen ist die Lebenserwartung im Kreis laut dem aktuellen Gesundheitsbericht des Landkreises genauso hoch wie im bayerischen Durchschnitt. Bei Männern sind es 79,3 Jahre, bei Frauen 84,1. Diese Entwicklung gepaart mit den Daten der Krankenkasse sieht Kastner als gutes Zeichen, dass sich in der Region etwas in die richtige Richtung entwickelt.
Man habe viel unternommen, um beim Thema Gesundheit voranzukommen. Gesundheitskonferenzen wurden einberufen, die Region zur „Gesundheitsregion Plus“erkoren. „Uns ist es natürlich wichtig, dass die Menschen lange leben, doch ebenso wichtig ist es auch, dass dieses Leben gesund gestaltet werden kann“, sagt Kastner. Deshalb setze man im Kreis schon früh auf vorbeugende Maßnahmen, etwa bei den Kleinsten. „Die Kinder sollen gesund aufwachsen.“