Dahin, wo Trauer und Schock herrschen
Annette Zoller ist seit 15 Jahren beim Kriseninterventionsdienst des Bayerischen Roten Kreuzes im Landkreis Dillingen tätig. Für sie gibt es nun ein besonderes Dankeschön.
Dillingen Eigene Wege gehen – bewusst, mit Freude und Elan. Wie sich Menschen damit individuell verwirklichen und womöglich lichtvoll auf andere und unsere Gesellschaft wirken, wollen wir mit dieser Serie aufzeigen.
Diese Stunden vergisst Annette Zoller nie. Sie war zu einigen Jugendlichen gefahren, deren Freund bei einem Unfall tödlich verunglückt war. „In den drei Stunden habe ich vielleicht drei Sätze gesagt“, berichtet sie. Und genau das sei der Kern ihrer Arbeit. Da sein, zuhören und Hilfe anbieten. „Es geht um das Mitfühlen, nicht um das Mitleiden“, sagt Zoller. „Man muss es aushalten können – die Trauer und das Schweigen.“
Seit 15 Jahren gehört die 50-Jährige aus Schretzheim dem Kriseninterventionsdienst (KID) des Bayerischen Roten Kreuzes im Landkreis Dillingen an. Seit einigen Jahren leitet sie dieses Team, das nach einem Notfallereignis dorthin geht, wo Trauer, Schock und Bestürzung herrschen. Sie und ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen halten Situationen aus, in denen für Familien, Ehepartner oder Angehörige eine Welt zusammenbricht. Der Kriseninterventionsdienst wird immer dann über die Leitstelle informiert, wenn körperlich unversehrte Menschen unter akutem psychischem Schock stehen oder unter einer starken seelischen Belastung leiden. Der KID arbeitet dabei eng mit der Seelsorge, sprich den kirchlichen Helfern zusammen.
Für diesen Einsatz erhielt Annette Zoller kürzlich erst ein besonderes Dankeschön. Sie wurde zu einem Empfang für verdiente Bürger und Bürgerinnen in den Goldenen Saal in Augsburg eingeladen. Mit dabei war auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der in seiner launigen Ansprache erklärte, dass an diesem Abend „die Crème de la Crème“gekommen sei: die Männer und Frauen, die sich ehrenamtlich engagieren.
Dass es durchaus viel Herzblut und Engagement braucht, um ein solches Amt auszuüben, wird auch im Gespräch mit Annette Zoller deutlich. Sie erhalte weder Fahrtkosten noch sonst eine Entschädigung für ihren Einsatz, erklärt sie. Für die 50-Jährige, die zwei Kinder hat, ist die Arbeit im Kriseninterventionsteam eine Herzensangelegenheit. Sie weiß, dass jeder
Mensch auf eine andere Art und Weise trauert. „Einige schreien und weinen, andere erstarren oder laufen umher.“Annette Zoller bewertet das nicht. Sie versucht, den Betroffenen in deren Gefühlschaos weiterzuhelfen, und schaut, dass jemand aus dem Freundes- oder Familienkreis als Beistand da ist, wenn sie die Trauernde oder den Trauernden verlässt. Gleichzeitig ist es ihr Ziel, einige Strukturen weiterzugeben. Dabei geht es beispielsweise um die Fragen, was für Aufgaben und Telefonate anstehen.
Annette Zoller und ihr Team haben einen Dienstplan. Es wird aber niemand verpflichtet. Jeder aus dem Team kann sich eintragen, wann er Zeit hat. „Wenn der Piepser geht, dann ist immer jemand einsatzbereit“, erklärt sie. „Im Normalfall fahren wir derzeit immer alleine raus.“Vor Ort werde dann entschieden, ob nachalarmiert wird, sprich ein weiterer Helfer aus dem Kriseninterventionsteam nötig ist. Auf ihr Team ist Zoller besonders stolz. „Es ist einfach toll“, schwärmt sie.
Doch natürlich gibt es Situationen, die schlimm für Annette Zoller sind. „Wenn es einen Suizid in einer Familie gab und die Angehörigen wie erstarrt sind.“Oder wenn Kinder sterben, egal welchen Alters. Die Frauen und Männer im Kriseninterventionsdienst
werden auf die Situationen und Notfälle vorbereitet. Annette Zoller hat entsprechende Kurse und Lehrgänge besucht. Dabei habe sich gleich beim Grundlehrgang gezeigt, wer für diese Einsätze geeignet sei. „Entweder man kann es machen oder nicht. Dazwischen gibt es nichts“, sagt sie. Für Zoller, die zuvor schon als Hospizhelferin gearbeitet hatte, steht fest: „Die Arbeit im Kriseninterventionsdienst macht mich unendlich stolz und ich freue mich, dass ich ein Teil davon sein darf. Das ist genau meins, das möchte ich auch weiterhin machen.“
Weitere Informationen zum Kriseninterventionsdienst gibt es beim Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes unter der Telefonnummer 09071/79300.
Jemand aus der Familie als Beistand