Donau Zeitung

Der Gipfel der Hüttengenü­sse

Der junge Allgäuer Simon Schlachter ist hoch oben auf König Ludwigs Lieblingsb­erg Falkenstei­n nicht nur Deutschlan­ds höchster Sternekoch. Er serviert seine Menüs wie in der Hütte in der Mitte auf dem Tisch. Nun verrät der Spitzenkoc­h seine Geheimniss­e.

- Von Michael Pohl

Ungebroche­ner Spaß am Kochen spiegelt sich in Simon Schlachter­s Gesichtsau­sdruck wider, wenn er mit einem schelmisch­en Grinsen gespannt beobachtet, wie sein Gast eine seiner neuesten Kreationen probiert. Und hätte es der junge Sternekoch nicht schon vorher verraten, rätselten selbst geübte Gaumen darüber, was sich hinter dem kleinen Nocken tiefroten Eises verbirgt. Passend zur Jahreszeit serviert Schlachter in seinem aktuellen Menü ein Sorbet aus Roter Bete, auf einem Gelee aus Gelatine, Aperol und Rosmarin. Doch Schlachter befreit den roten Rübensaft durch mehrmalige­s Einkochen gänzlich von jenem erdigen Geschmack, der das Gemüse so oft in Fans und Gegner spaltet.

Und selbst in kleinen Würfelchen hat er die Rote Bete in einem Zuckersud mit einem kleinen Spritzer speziellen Safts in eine scheinbar geheimnisv­olle Zitrusfruc­ht verwandelt: „Das kommt vom Yuzu-Saft. Das ist eine japanische Frucht mit einem sehr besonderen, komplexen und intensiven Zitrusarom­a“, erklärt der 30-Jährige. „So ein kleines Fläschchen kostet 15 Euro, aber es lohnt sich, weil man nur sehr wenig davon braucht. Aber das haben heute auch sehr viele Hobbyköche zu Hause.“

Als Simon Schlachter vor drei Jahren erstmals einen Michelin-Stern bekam, war er der jüngste Sternekoch Bayerns. Und nach wie vor ist der junge Allgäuer aus Pfronten, geografisc­h gesehen, der höchste Sternekoch. Sein Restaurant „Pavo“im Burghotel Falkenstei­n befindet sich auf 1250 Metern Höhe knapp unter dem Gipfel der berühmten mittelalte­rlichen Burgruine bei Pfronten im Allgäu. König Ludwig II. wollte hier oben auf dem Gipfel sein viertes Märchensch­loss bauen: Einen kleineren Zwilling von Schloss Neuschwans­tein, das Gäste von hier oben bei klarer Sicht Richtung Füssen erspähen können.

Hohes Niveau im doppelten Sinne also. Denn Schlachter war nicht nur einer der jüngsten, sondern auch der erste Koch in Deutschlan­d, der einen Stern für ein Konzept bekam, das in immer mehr Ländern der Welt die Spitzengas­tronomie erobert. Seine Sterne-Menüs serviert er nicht Gang für Gang jeweils auf einem kunstvoll malerisch angerichte­ten Teller, sondern in der Mitte des Tisches, wie beim Familienes­sen oder auf der Berghütte. Die hippe internatio­nale Gastroszen­e feiert diese gesellige Art des Teilens heute trendig unter dem Begriff „Sharing Experience“.

Für Simon Schlachter lag das Konzept von Anfang an aus vielerlei Gründen nahe. Als seine Eltern das traditions­reiche Hotel auf dem Berg übernahmen, träumte der junge Koch, der seine Ausbildung in zahlreiche­n Sternerest­aurants veredelte, von einem Restaurant im Restaurant. Sein „Pavo“– der Name bedeutet „Pfau“und ist eine Hommage an das Lieblingst­ier des Märchenkön­igs Ludwig II. – ist im Grunde genommen ein Nebenraum des Hotelresta­urants. Donnerstag­s bis sonntags tischt Schlachter hier seine Sterne-Menüs auf.

Doch alles kommt aus einer Küche – vom gleichen Köche- und Service-Team, das sich auch um die anderen Gäste kümmert und deshalb kaum Gang für Gang unzählige einzeln drapierte Teller anserviere­n kann. Vor allem aber fremdelte der junge Allgäuer in seinen Jahren als Jungkoch ein bisschen mit der kathedrale­nhaften Ernsthafti­gkeit in vielen Sterne dekorierte­n Feinschmec­ker-Tempeln. „Wenn dort ein Gang serviert wurde, herrschte plötzlich am Tisch ehrfurchts­volles Schweigen“, erzählt Schlachter. „Aber Genießen ist doch etwas Geselliges, da will man darüber reden, probieren und das alles gemeinsam erleben.“

Ohnehin ist man auch auf der deutschen Seite der Alpen ab tausend Meter Höhe schnell per Du. Im Winter liegt auf dem Falkenstei­n früher Schnee als im Tal, im Sommer ist die Burgruine beliebtes Wanderziel. Ein gewisses Luxus-Hüttenfeel­ing lässt sich in Schlachter­s Wellness-Hotel nicht bestreiten, seitdem dort die gehobene Küche eingezogen ist.

So ist das Rote-Bete-Eis in Schlachter­s Menü nur eine von 18 Kreationen, die er in seinem Menü in fünf Etappen im „Pavo“auf die runden Tische bringt. Unter den vier Desserts ist es das erfrischen­de Element. Zum Hauptgang gibt es Reh und Schwein, unter anderem als Schwarzwur­st-Krokette. Zuvor zwei Vorspeisen­Gänge aus jeweils vier bis fünf einzelnen Gerichten. Überall versteckt Schlachter seine kleinen fasziniere­nden AromenTric­ks, ebenso wie in seinen normalen Restaurant-Gerichten. Seine herbstlich­e Kürbiscrem­esuppe begleiten beispielsw­eise nicht nur bekannte Noten von Curry und Ingwer. Schlachter schnippelt auch noch einen halben Stängel Zitronengr­as hinein, ebenso wie eine halbe Vanillesch­ote, gießt dem Gemüsefond­s reichlich mit Weißwein, Orangen- und Apfelsaft auf und spendiert dem knappen Pfund Hokkaidokü­rbis noch einen Sternanis. Nachdem er alles 20 Minuten gekocht und durch ein Sieb passiert hat, veredeln Mascarpone, Kokosmilch und

In seinem neuen Kochbuch erklärt der Aromenküns­tler seine Geschmacks­tricks

So kocht ein moderner junger Sternekoch im Allgäu zu Hause seine Kässpätzle

Sweet-Chili-Sauce eine unaufdring­liche asiatische Note für die Klassikers­uppe.

Die vielen Tricks und Geheimniss­e seiner Aromen-Kunst verrät Simon Schlachter nun in seinem ersten, opulent und passend modern gestaltete­n Kochbuch „Gipfelgenu­ss“. Wie oben auf dem Falkenstei­n gibt es eine Mischung aus Bodenständ­igem der Allgäuer Heimat und aufwendig verspielte­n kreativen Kunstwerke­n, aus denen sich Hobbyköchi­nnen und -köche reichlich Anregungen holen können, selbst wenn sie den Aufwand vieler Sterne-Top-Level-Gerichte in der heimischen Küche trotz Hilfe von Thermomix & Co. kaum oft alleine nachzelebr­ieren wollen. Doch der Allgäuer Koch verrät auch die Rezepte seiner GipfelKlas­siker, wie seinen reschen Schweineba­uchbraten mit Selleriepü­ree oder geschmorte Rinderback­en.

Spannend für fast jeden ist es natürlich, beim Lesen und Nachkochen zu erfahren, wie ein junger, moderner Allgäuer Sternekoch zu Hause seine Kässpätzle macht. Sehr klassisch mit besten Zutaten. Einem Pfund Mehl spendiert Schlachter sieben Eier, ein Spritzer Essig und drei Esslöffel Wasser machen den Teig geschmeidi­g, Salz und Muskat schmecken ihn ab. Frisch aus dem Kochwasser schichtet Schlachter in einem vorgewärmt­en Gusseisent­opf wie eine Lasagne die Spätzle mit seiner Käsemischu­ng: 150 Gramm ein Jahr, 120 Gramm ein halbes Jahr gereifter Bergkäse, 100 Gramm Emmentaler und 50 Gramm Romadur. Zum Abschluss gießt der Koch 0,1 Liter Spätzlekoc­hwasser darüber und mischt vorsichtig alles durch, damit sich die Fäden ziehen. Die Krönung besteht aus 250 Gramm ButterSchm­elzwiebeln, 100 Gramm mit etwas Mehl und Paprikapul­ver bestäubten und dann frisch frittierte­n Röstzwiebe­ln, etwas brauner Butter und Schnittlau­ch. Serviert wird der Topf natürlich in der Tischmitte. Zum geselligen Teilen und Genießen.

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Foto: A. Schoenherr Eine typische Vorspeisen­variation in Simon Schlachter­s „Pavo“wird, wie alle Gänge, zum Teilen serviert.

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