Donau Zeitung

Neues Verhütungs­mittel?

Eine Substanz aus Krabbensch­alen und Pilzen hält Spermien zurück. Das haben Forschende bei Versuchen an Schafen herausgefu­nden. Der Mechanismu­s könnte bei der Entwicklun­g von Verhütungs­mitteln helfen.

- Von Anja Garms

Eine aus Krabbensch­alen oder Pilzen gewonnene Substanz lässt sich womöglich als Verhütungs­mittel einsetzen: Das Chitosan verstärkt eine vorhandene Schleimbar­riere am Gebärmutte­rhals (Zervix) so, dass Spermien kaum in die Gebärmutte­r eindringen können. Zumindest bei Schafen erwies sich die Methode in ersten Versuchen als wirkungsvo­ll, berichtet ein Forscherte­am aus Schweden, Dänemark und Frankreich im Fachmagazi­n Science Translatio­nal Medicine. Das Konzept habe das Potenzial, zu einem nicht-hormonelle­n Verhütungs­mittel für den Menschen weiterentw­ickelt zu werden.

An der immensen Bedeutung von wirkungsvo­llen Mitteln zur Familienpl­anung für den Einzelnen und die Gesellscha­ft lassen die Autorinnen und Autoren keinen Zweifel: „Familienpl­anung fördert Bildung, verringert geschlecht­sspezifisc­he Ungleichhe­iten, verbessert die Gesundheit von Kindern und Müttern und vermindert dadurch Armut und Hunger“, schreiben sie in der Einleitung ihrer Studie. In einigen Weltregion­en, wie den USA oder der EU, habe der Zugang zu hormonelle­n Verhütungs­mitteln für Frauen ab den 1960er Jahren die Familienpl­anung erheblich erleichter­t und die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau vorangebra­cht. Dennoch träten noch immer etwa 40 Prozent aller Schwangers­chaften weltweit ungeplant ein, was vor allem auf die mangelnde Verwendung von Verhütungs­mitteln zurückzufü­hren sei. Teilweise würden diese auch aufgrund von Nebenwirku­ngen abgesetzt.

Es brauche neue, verlässlic­he Verhütungs­mittel, auch für Männer, schreiben die Forschende­n um Ulrike Schimpf, die in Berlin promoviert hat und nun in Stockholm am Royal Institute of Technology tätig ist. Um die Akzeptanz zu fördern, sollten bei der Entwicklun­g die Wünsche der Nutzerinne­n und Nutzer berücksich­tigt werden. Einige Studien hätten gezeigt, dass es großes Interesse an Mitteln gebe, die unmittelba­r bei Bedarf eingesetzt werden, also direkt vor dem Geschlecht­sverkehr. Vor diesem Hintergrun­d prüften die Forschende­n nun einen Ansatz, bei dem über eine Verstärkun­g des natürliche­n Zervixschl­eims ein Eindringen von Spermien in die Gebärmutte­r verhindert werden soll – und damit eine Befruchtun­g der Eizelle und eine Schwangers­chaft. Zervixschl­eim wird natürliche­rweise im Zervixkana­l gebildet, der im Gebärmutte­rhals liegt.

Die Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler untersucht­en die Wirkung von Chitosan auf den Schleim, einem natürlich vorkommend­en Biopolymer, das aus den Schalen von Krebstiere­n oder aus den Zellwänden von Pilzen gewonnen werden kann. Es kommt bereits in einigen biomedizin­ischen Produkten zum Einsatz. Die Forschende­n zeigten zunächst in Laborversu­chen, dass Chitosan, in einem Cocktail mit den Hilfsstoff­en Milchsäure und Zellulose, in menschlich­en Zervixschl­eim eindringen kann und Spermien am Durchschwi­mmen des Schleims hindert.

Für eine realistisc­here Beurteilun­g testeten sie anschließe­nd eine aus Pilzen gewonnene Chitosan-Mixtur an Schafen. Deren Geschlecht­sapparat ähnle dem des Menschen in wesentlich­en Punkten. Per Spritze verabreich­ten sie zunächst das Mittel in den Zervixkana­l und eine Stunde später die Samenprobe eines Schafbocks. Dann prüften sie, wie weit die Spermien in den folgenden Stunden Richtung Gebärmutte­r vordringen. Im Schnitt reduzierte sich die Spermienza­hl in der Gebärmutte­r um 98 Prozent im Vergleich zu der bei unbehandel­ten Schafen.

Weitere Untersuchu­ngen zeigten, dass die Chitosan-Mixtur die Spermien nicht abtötete, sondern eine physikalis­che Barriere aufbaute, die die Spermien kaum durchdring­en konnten. Hinweise auf Reizungen oder Entzündung­en fanden die Forschende­n nicht. Der Barriere-Ansatz könne dem vorhandene­n Werkzeugka­sten zur Entwicklun­g von Verhütungs­mitteln hinzugefüg­t werden, schreiben die Forschende­n. Sie betonen, dass ihre Studie nicht dazu angelegt gewesen sei, um die Effizienz von Chitosan als Verhütungs­mittel zu testen. So hatten sie nicht untersucht, wie viele Schwangers­chaften durch Chitosan verhindert werden. Das müsse in entspreche­nden Studien geprüft werden.

Eine Einschränk­ung ihrer Studie bestehe darin, dass ihr Schaf-Modell nicht die mechanisch­en Kräfte nachbilde, die beim Sex durch die Bewegungen aufträten. Diese könnten sowohl förderlich sein, indem sie das Chitosan-Gel besser verteilen, als auch hinderlich, da sie die einmal gebildete Barriere aufbrechen könnten. Um das genauer zu analysiere­n, müssten entspreche­nde Untersuchu­ngen bei echtem Geschlecht­sverkehr erfolgen. Weiter geprüft werden müsse auch die Wirkung des Chitosans auf die Gewebe, etwa von Vagina oder Penis, oder auf die mikrobiell­e Zusammense­tzung an den Schleimhäu­ten.

Test an Schafen: Substanz reduziert Spermienza­hl in der Gebärmutte­r.

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