Rakete mit Entenbürzel und eine echte Luftnummer
Der Porsche RS 2.7 wird 50 Jahre alt, sein Nachfolger kommt als Aerodynamikwunder auf die Straße.
Es gibt Dinge, die ändern sich nie. Deutscher Fußballmeister: FC Bayern. Das ist schon 1972 so. Damals vor 50 Jahren verlässt der vorerst letzte Mensch den Mond, Paul McCartney gibt mit den Wings sein erstes Konzert und an den Kiosken wird es nackig. Der erste deutsche Playboy erscheint. Natürlich gab es 1972 auch weltbewegendere Ereignisse. Wir bleiben aber bei der leichten Muse. In Stuttgart taucht ein seltsames Wesen auf. Ein Sportauto mit Entenbürzel, aber eigentlich die Geburt einer Legende.
Der erste Porsche mit Frontspoiler und Heckflügel heißt RS 2.7 – und ist der erste Straßen-Rennwagen, der sich Carrera nennt. 5,8 Sekunden von 0 auf 100. Das war im wahrsten Sinn des Wortes dann doch weltbewegend – damals. Aber wie fühlt sich das heute an? Wir durften den Kult-Porsche in seinem Jubiläumsjahr fahren.
Unter Oldtimer stellt man sich landläufig eigentlich ein betagtes Töff-Töff vor. Nicht so der 2.7. Er sieht nicht nur nach Porsche aus mit den Kotflügeln, die an Kanonenrohre erinnern, sondern fährt sich auch wie einer. Reinsetzen, losfahren, die Entdeckung der Leichtigkeit. Erster Gang, zweiter Gang, dritter Gang - das knackt so schön beim Schalten. Nur 960 Kilogramm wiegt die nur 200 Mal gebaute Light-Variante. Da hat der Sechszylinder mit seinen 210 PS leichtes Spiel.
Quirlig wie einst schraubt sich die Drehzahl bis auf 6.300 Umdrehungen, das maximale Drehmoment liegt bei 255 Nm. Das Fahrwerk ist ein Genuss, stabil saust der Carrera mit dem Heck um die Kurven wie der sprichwörtliche Lump am Stecken. Da hilft auch eine weitere Rennsport-Technik. Zum ersten Mal wurde ein Serienauto mit unterschiedlichen Reifengrößen ausgestattet: 215er hinten und 185er vorne.
Knapp 1600 Exemplare wurden vom Entenbürzel-Porsche insgesamt ausgeliefert. Der Spoiler, der ihm diesen Namen gab, und der neben einem höheren Abtrieb auch eine für eine höhere Endgeschwindigkeit (+ 4,5 km/h) sorgte, bliebt fortan das Erkennungszeichen der
RS-Modelle. 36.500 Mark musste man damals für einen 2.7er hinlegen – ein Schnäppchen im Vergleich zu den Preisen, die diese Autos heute auf dem Markt erzielen. Erst heuer wurde einer mit ziemlichem Originalzustand (natürlich in Gelb) für rund 1,3 Millionen Euro versteigert. Gut, dass wir das erst nach der Testfahrt gelesen haben.
Wie schnell die Zeit doch vergeht: Eben noch im Carrera 2.7 RS
aus dem Jahr 1972 – und jetzt steht der neue 911 GT3 RS vor uns. Seit 2003 traditionell die Speerspitze der 911er Baureihe, das Modell, das dem Rennsport am nächsten kommt. Der Entenbürzel ist groß wie nie, und ragt über die Dachlinie des 911er hinaus. Überall an der Karosserie finden sich große Einund Auslässe – da ist schnell klar, was dieser Porsche ist. Eine echte Luftnummer, ein Luftikus, bei dem die Aerodynamik im Vordergrund
steht. Silverstone bei Regen – das kann ja heiter werden. Der Asphalt dort hat ohnehin schon wenig Grip.
Was ist anders beim neuen GT3 RS? Zum Beispiel, dass Hubraum und Leistung nicht mehr im Mittelpunkt stehen. Der Vierliter-Boxermotor hat mit 525 PS zwar etwas mehr Power als sein Vorgänger – aber das ist kaum der Rede wert. 3,2 Sekunden von 0 auf 100. Fein. Tempo 300 schafft er nicht mehr ganz, dafür hat er mit 1.450 Kilogramm zumindest beim Gewicht nicht groß zugelegt. Leichtbau ist angesagt, so wie beim Urvater, dem 2.7. Das leichte CFK kommt überall zum Einsatz: die Türen, die vorderen Kotflügel, das Dach, sowie die Front- und Heckdeckel. All das hat natürlich seinen Preis: Der GT3 RS ist für 229.517 Euro zu haben.
Völlig neu ist das Kühlkonzept. Statt der drei Frontkühler gibt es nur noch einen in der Mitte. Dafür hat Porsche den Kofferraum geopfert. Aber welcher RS-Besitzer holt sich schon einen Träger Wasser mit seinem Porsche? Der neue Mittenkühler hat einen großen Vorteil. Der Bauraum an den Seiten kann für aktive Aerodynamik-Elemente genützt werden und so das Strömungsverhalten der Luft optimieren. Der Hauptstrom kommt aus den großen Nüstern der Fronthaube, fließt über das Dach und wird dann seitlich umgelenkt. Dadurch erhöht sich der Abtrieb des Autos, aber warum dann die seitliche Umlenkung der Luft? Das hat einen guten Grund: Warme Luft sorgt für dicke Luft und kostet den Saugmotor bis zu 30 PS Leistung. Der feine Nebeneffekt dieser Umleitung: Man kann auch bei kühlen Temperaturen mit offenem Fenster fahren.
Für mehr Abtrieb sorgen beim GT3 RS aber auch die verstellbaren Bugspoiler und der flexible Entenbürzel hinten, fast das wichtigste Aerodynamik-Element beim GT3 RS. Zusammen mit allen anderen Maßnahmen sorgt er für einen 860 Kilogramm großen Gesamtabtrieb (bei Tempo 285). Downforce heißt das auf Englisch – und ist wirklich eine ziemliche Macht.
Beim Bremsen greift der Bürzel ebenfalls ein. Als Airbrake, wie beim Flieger, der die Flügelklappen hochstellt. Original Rennsport-Technik – genauso wie die vier Drehknöpfe am Lenkrad, mit denen sich verschiedene Fahrwerksparameter einstellen lassen. So können unter anderem Druckund Zugstufe der Dämpfer an Vorderund Hinterachse separat geregelt werden. Genauso wie die Hinterachs-Quersperre. Wer das voll ausnützen möchte, der braucht schon einen Slot auf der Rennstrecke. Aber dafür ist der RS ja auch gemacht.
Aber nicht für Silverstone mit Regen. Eigentlich. Am Anfang fährt die Angst mit. Rund um Runde wird der Mut aber immer größer. Der 911er liegt trotz Wasser fest auf der Straße. Die Regelsysteme schaffen Vertrauen, man hat nicht das Gefühl, dass dem GT3 RS die Luft ausgeht für die Bodenhaftung. Und nach und nach stellt sich das Gefühl ein. Das mit der Aerodynamik war mitnichten nur heiße Luft.