Zu schön, um wahr zu sein
Warum die Foto-App Lensa mit ihren Porträts gerade einen Riesenhype auslöst. Trotz Kritik.
In vielen Urlaubsorten gibt es diese Schnellzeichner: Menschen, die von Touristen binnen Minuten ein „fotorealistisches“Porträt anfertigen. Was für die Umstehenden faszinierend ist, verliert seinen Zauber dann, wenn man selbst mal auf dem wackligen Hocker saß und das Ergebnis so gar nicht zum Selbstbild passen will. Dieses Handwerk könnte sich nun durch einen digitalen Trend bedroht sehen: computergenerierte Porträts, Gesichter in Manga-Optik, in groben digitalen Kreidestrichen oder im Gamer-KitschStil. Zu Abertausenden fluten diese Grafiken gerade die sozialen Netzwerke. Die Bilder werden von Künstlicher Intelligenz geschaffen, von einer App namens Lensa.
Wer Datenschutzbedenken beiseite wischt und in der App ein paar Selfies hochlädt und bezahlt, bekommt mehrere KI-generierte Porträts verschiedener Stilformen. Der Unterschied zwischen den menschlichen Porträtzeichnern an der Adria und Lensa ist nicht etwa der künstlerische Anspruch. Der scheint – bei aller Subjektivität – in beiden Fällen hinter dem Geschäftsmodell zurückzutreten. Der Unterschied liegt in der Wirkung. Die Menschen, die sich von Lensa porträtieren lassen, sind ausweislich ihrer Kommentare (und der vielen Herzchen-Emojis) ziemlich begeistert vom Ergebnis.
Die schlaue KI mischt archetypische Idealbilder bei. Männer bekommen einen durchtrainierten Oberkörper, Frauen ein tiefes Dekolleté. Die Herren in heroischen Posen, die Damen in blumenumkränzter Romantik. Wo manche Sexismus schreien, freut sich die Mehrheit über die KI-Versionen ihrer selbst. Was Schmeichelei im InstagramZeitalter angeht, können menschliche Porträtkünstler noch was lernen von ihrer digitalen Konkurrenz.