Innenministerin macht gegen Reichsbürger ernst
Dass Mitglieder der Gruppierung konkrete Umsturzpläne schmiedeten, hat die Regierung alarmiert. Reichsbürger sollen künftig schneller aus dem Staatsdienst entlassen werden. Außerdem soll das Waffenrecht verschärft werden.
Berlin Befeuert durch die CoronaProteste ist die Zahl der sogenannten Reichsbürger seit Jahresbeginn erneut stark angestiegen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will nach der bundesweiten Razzia nun konsequenter gegen die Szene vorgehen. Nach Angaben der SPD-Politikerin schätzt der Verfassungsschutz das Personenpotenzial inzwischen auf etwa 23.000 Menschen – rund 2000 mehr als im vergangenen Jahr. Etwa zehn Prozent der „Reichsbürger“gelten als gewaltbereit. 2021 registrierte die Polizei 239 Gewaltdelikte, die der Szene zuzurechnen sind, ebenfalls ein deutlicher Anstieg. Faeser denkt nun an eine Verschärfung des Waffenrechts und will Mitglieder der Szene schneller aus dem Staatsdienst entfernen lassen.
„Reichsbürger“sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Oft weigern sie sich, Steuern zu zahlen. Am vergangenen Mittwoch hatte die Bundesanwaltschaft 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Bundeswehr-Offiziere. Sie sollen einen Umsturz geplant haben. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sitzen nun in Untersuchungshaft.
Dass die „Reichsbürger“-Szene in den vergangenen zwei Jahren so stark gewachsen ist, führen die Sicherheitsbehörden in erster Linie auf die Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zurück. Diese hätten eine „erhöhte Dynamik und Aktivität“ausgelöst, hieß es bereits im Verfassungsschutzbericht 2021. Seitdem ein „Reichsbürger“2016 einen Polizeibeamten getötet hat, bemühen sich die Behörden verstärkt, Angehörige der Szene zu entwaffnen. Bis Ende vergangenen Jahres wurde 1050 sogenannten Reichsbürgern die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen. Rund 500 Menschen, die dem Milieu zugeordnet werden, besaßen da allerdings noch eine solche Erlaubnis. Innenministerin Faeser kündigte in der Bild am Sonntag an, sie wolle das Waffenrecht „in Kürze weiter verschärfen“. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle hielt dagegen: „Einer Verschärfung des Waffenrechts, um Reichsbürger zu entwaffnen, bedarf es nicht.“Der Staat dürfe sich beim Kampf gegen Verfassungsfeinde nicht verzetteln und sich gegen rechtstreue Sportschützen und Jäger wenden, die zur „Mitte der Gesellschaft“zählten. Vielmehr fehle es in den Waffenbehörden an Personal. Die Verantwortlichen müssten zudem geschult werden, um „Reichsbürger“auch als solche zu erkennen.
Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen die mutmaßlichen Verschwörer hat auch die Diskussion über Extremisten im Staatsdienst befeuert. Zu den Beschuldigten gehören mehrere Beamte. Durchsuchungen gab es auch im Haus und im Dienstzimmer eines Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr sowie bei mehreren Reservisten der Bundeswehr. Ein Generalverdacht gegen Angehörige der Streitkräfte und Sicherheitsbehörden sei unangebracht, sagte der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg, der Rheinischen Post. Notwendig sei aber ein „viel konsequenteres Durchgreifen“gegen Menschen wie einen der Festgenommenen. Der Ex-Offizier sei bekannt für seine Einstellungen, gegen ihn gebe es Strafverfahren, „und trotzdem läuft er weiterhin in Uniform durchs Land und verbreitet seine kruden Theorien und dies bei vollen Pensionsbezügen“. Faeser will noch vor Jahresende einen Entwurf für ein Gesetz zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung geben, das die Entlassung von Extremisten aus dem Beamtenverhältnis beschleunigen soll. (dpa)